Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
„Computerspiele werden veralltäglicht“
KÖLN - Vor
30 Jahren waren Computer- und Videospiele ein Nischen-Phänomen. Heute ist das anders. Christoph Bareither (Foto: dpa), Juniorprofessor für Europäische Ethnologie mit Schwerpunkt Medienanthropologie an der HumboldtUniversität Berlin, beschäftigt sich mit der Akzeptanz von Spielen in der Gesellschaft. Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur zieht er einen Vergleich mit dem Fußball.
Wie würden Sie den Status quo beschreiben?
Computerspiele werden veralltäglicht. Das heißt, dass sie Teil von normalen, alltäglichen Routinen werden. Für Computerspieler selbst sind sie so normal wie für andere Fußballspielen. Der noch bestehende Unterschied ist: Während Fußballspielen in unserer Gesellschaft einen relativ unhinterfragten Stellenwert hat und es zum Beispiel völlig legitim ist, dass man für ein Deutschland-Spiel früher von der Arbeit nach Hause geht, ist das bei Computerspielen noch nicht so. Aber sie kommen mehr und mehr dahin und finden immer größere Akzeptanz.
Dennoch werden Spiele von vielen abgelehnt. Fußball ist mehr Massengeschmack. Woran liegt das?
Sport hat eine lange Tradition als akzeptierter Bestandteil der Gesellschaft. Das hängt auch zusammen mit einer Vorstellung von Gesundheit. Das Sitzen am Bildschirm passt da nicht ins Bild. Der zweite Grund für die noch vorhandene Marginalisierung ist die Gewalt-Frage, die den öffentlichen Diskurs zu dem Thema lange dominiert hat. Ich will das gar nicht bewerten. Aber man kann beobachten: Dass Menschen daran Spaß haben, mit Repräsentationen physischer Gewalt zu spielen, ist für viele andere Menschen noch ein Problem. Obwohl die Übergänge natürlich fließend sind. Wieder Stichwort Fußball: Auch da wird „reingeballert“oder der „Gegner fertig gemacht“. Wenn man wollte, könnte man das auch als Metapher für Gewalt lesen. Bei Computerspielen wird es eben explizit.
Wie werden wir in 20 Jahren über Computerspiele sprechen?
Es ist natürlich unmöglich, in die Zukunft zu schauen. Was man aber sagen kann: Das Potenzial vom Computerspielen besteht darin, dass sie Menschen ganz intensive Emotionen erleben lassen. Wer gelernt hat, damit Spaß zu haben, erlebt sie oft wesentlich intensiver als andere Unterhaltungsformen. Computerspiele sind auch viel leichter zugänglich, als zum Beispiel Fußball. Man kann sie fast immer spielen, auch mit anderen zusammen. Im Vergleich zu Medien wie zum Beispiel Fernsehen haben sie die Eigenschaft, dass sie die Spieler viel aktiver und dadurch auch körperlich emotionaler einbinden. Insofern sehe ich noch eine sehr große Entwicklung vor uns.