Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Brisante Enthüllung zum Brückeneinsturz von Genua
Autobahnbetreiber und Transportministerium sollen von Gefährdung der Brücke gewusst haben
ROM - Schon im vergangenen Februar scheint bekannt gewesen zu sein, dass die Brücke Ponte Morandi in Genua einsturzgefährdet war. Das belegen Dokumente, in deren Besitz das italienische Wochenmagazin „L’Espresso“gekommen ist. Dokumente, die am vergangenen Sonntag in der neuen Ausgabe der Zeitschrift publiziert wurden, und die Montagabend zu weiteren Enthüllungen infolge von Beschlagnahmungen führten.
Eine Woche nach dem Brückeneinsturz scheint ein relativ komplettes Bild der Verantwortlichkeiten für diese Katastrophe vorzuliegen. Eine Katastrophe, die 41 Menschen das Leben kostete und rund 650 Menschen Obdachlose machte.
Den der Zeitschrift „Espresso“vorliegenden Dokumenten zufolge bestätigte im Februar dieses Jahres ein Protokoll von rund sieben Ingenieuren den Umstand, dass die Brücke an vielen Stellen von Rost befallen war. Nach einer Überprüfung der Brücke durch diese Ingenieure, im Auftrag des Transportministeriums und der privaten Autobahngesellschaft, seien die Fachleute zu dem Schluss gekommen, dass die Brücke stark gefährdet gewesen sei. Doch diese besorgniserregende Einschätzung führte weder zu einer Begrenzung des in der Regel starken Verkehrs über die Brücke noch zu einer Sperrung, um weitere Untersuchungen durchführen zu können.
Am Montag beschlagnahmte die Polizei im Mailänder Politechnikum und im Genueser Amt für die Sicherheit öffentlicher Gebäude Unterlagen, die wie im Fall der vom „Espresso“veröffentlichten Dokumente den Verdacht der Staatsanwaltschaft von Genua auf fahrlässige Tötung untermauern könnten.
Neue Videos vom Einsturz
Die Ermittler beschlagnahmten auch verschiedene Videoaufnahmen, die im Moment des Zusammenbruchs der Brücke entstanden sind. Darauf sei deutlich zu erkennen, so ein Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, dass der Einsturz der Brücke durch das Brechen der Tragebalken aus Beton provoziert worden sei. Das heißt also, resümiert die Tageszeitung „la Repubblica“in ihrer Dienstagsausgabe, dass „die Gefahren für die Brücke bekannt waren, aber niemand etwas konkret unternahm“.
Die Staatsanwaltschaft schließt nicht aus, dass die Autobahngesellschaft die Gefahren für die Brücke bewusst unterschätzt haben und den amtierenden Transportminister Danilo Toninelli von der 5-Sterne-Bewegung mit gefälschten Informationen beruhigt haben könnte.
Das Magazin „L’Espresso“geht noch einen Schritt weiter. Aufgrund seiner Recherchen sei nicht auszuschließen, dass der vorherige und der amtierende Transportminister über die Gefahren für die Brücke informiert gewesen seien, „aber nicht einen einzigen Finger gerührt haben“.