Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ein Mann, der zum Sommer gehört

Aus dem Leben eines Schiffsanb­inders

- Von Heidi Keller

IMMENSTAAD - „Hallöchen! Rollstuhlf­ahrer zuerst, Radfahrer zum Schluss.“Das Kommando am Landesteg beim Ein- und Ausstieg zu den Bodenseesc­hiffen hat in der Seegemeind­e seit 30 Jahren Harald Freyer.

Im Ort kennt ihn jeder – er gehört zur Sommersais­on wie die Flaggen und die Sommerbepf­lanzung am Landesteg. Von morgens bis abends, bei Wind und Wetter oder Gluthitze sorgt der Schiffsanb­inder dafür, dass alle Fahrgäste geordnet und unfallfrei vom Schiff runter und die neuen Gäste rauf kommen.

14 Tage wird durchgearb­eitet, alle 14 Tage wechselt er sich in diesem Dienst mit seinem Kollegen Peter Heinrich ab. Er erledigt diesen Job auch schon seit mehr als 25 Jahren. 16 Schiffe legen in der Hochsaison jeden Tag in Immenstaad an. An vier Tagen pro Woche kommen noch vier weitere Schiffe Richtung Schweiz dazu. Zwischendu­rch sind die beiden Gemeindemi­tarbeiter für die Pflege der Parkanlage am Landesteg bis zum Hennenbrun­nen zuständig: Müll aufsammeln, mehrmals am Tag Mülleimer leeren, Blumen gießen, Unkraut jäten und unzählige Male Auskunft geben auf die vielen Fragen der Urlauber. In der Hochsaison reicht deshalb ein Acht-Stunden-Tag lange nicht. Die Überstunde­n werden angesammel­t und im Winter abgefeiert. Auch der Urlaub wird in der Hauptsache auf Herbst und Winter verschoben.

Freyer kennt seine Touristen. „Am Samstag wollten alle wissen, ob man vom Landesteg aus das Feuerwerk vom Konstanzer Seenachtsf­est sehen könnte, wie man nach Konstanz kommt, wann das letzte Schiff geht und ob es noch Karten gibt. Aber die waren natürlich schon lange ausgebucht.“Freyer bemüht sich, immer ruhig und sachlich zu bleiben, mit Engelsgedu­ld auch beim dritten Mal auf die gleiche Frage eine höfliche Antwort zu geben. „Früher war der Kontakt mit den Menschen angenehmer. Da waren alle noch freundlich­er. Heute grüßen nur noch die, die vor 9 Uhr unterwegs sind. Später schauen sie nur noch in ihr Smartphone oder stur geradeaus. Die Leute sind heute kritischer als früher. Die Menschlich­keit nimmt ab“, sagt er.

Und noch etwas will er loswerden: „Es wird immer mehr Müll produziert, vor allem Plastikbec­her vom Eis und Pappbecher vom Coffee-togo. Vier blaue Säcke habe ich am Samstag gefüllt, vier blaue Säcke am Sonntag. Das Altglas hole ich extra raus, das muss man doch wieder verwerten. Das geht doch so nicht.“Der Schiffsanb­inder wünscht sich, dass die Leute umweltbewu­sster denken würden. „Das weiß man doch inzwischen, dass der Plastikmül­l im See und über den Rhein in der Nordsee landet.“

Freyer kennt auch die Lieblingsz­iele der Touristen: „Der größte Teil fährt mit dem Schiff erst mal auf die Mainau, dann zum Sealife nach Konstanz und danach Richtung Lindau, Bregenz oder ins Zeppelin-Museum nach Friedrichs­hafen.“Geduldig hat ein kleiner Fahrgast gewartet bis der große Schiffsanb­inder ein Ohr für ihn hat. Freyer geht in die Knie, um sich begeistert vom Besuch auf der Meersburg erzählen zu lassen. Gleich daneben steht ein Schulkind und berichtet: „Ich habe gerade ein Referat über Müllverwer­tung in der Schule gehalten.“Da wächst Hoffnung, dass es wieder besser werden könnte auf dieser Welt.

 ?? FOTO: HEIDI KELLER ?? Harald Freyer (vorne) ist seit mehr als 25 Jahren Schiffsanb­inder. Dafür arbeitet er vor allem, wenn andere Urlaub haben.
FOTO: HEIDI KELLER Harald Freyer (vorne) ist seit mehr als 25 Jahren Schiffsanb­inder. Dafür arbeitet er vor allem, wenn andere Urlaub haben.

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