Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Mädchen finden im See vor Lindau eine Pistole
Später stellt sich heraus: Die Waffe ist aus Plastik – Polizei warnt davor, Gegenstände aus dem Wasser zu holen
LINDAU - Die neunjährige Johanna taucht am Montagnachmittag gemütlich mit ihren beiden Freundinnen Nastassja und Amelie im Bodensee vor Lindau, als sie plötzlich unter einem Stein etwas grün schimmern sieht. Sie schaut genauer hin – und traut ihren Augen kaum: Es ist eine Pistole. Aus Plastik, wie sich am nächsten Tag herausstellt. Die Polizei warnt davor, waffenähnliche Gegenstände aus dem Wasser zu holen. Denn der Bodensee wimmelt nur so vor ihnen – und das kann gefährlich werden.
„Wir haben nicht richtig reagiert“, sagt Maite Ulazia am Montagabend im Gespräch mit der SZ. Ihre Tochter Amelie sei am Nachmittag zu ihr nach Hause gestürmt und habe ihr vom Fund der Freundin im Bodensee berichtet. Maite Ulazia ist darauf hin mit ihrem Kind zur Gerberschanze gegangen. Im nurmehr knietiefen Wasser habe sie zunächst überhaupt nichts entdecken können. „Meine Tochter hat dann meinen Finger in den Abzug gesteckt und ich habe die Pistole hoch geholt“, erzählt sie. „Da habe ich gesehen, dass es eine richtige Pistole ist.“
Diese „richtige Pistole“, die kein Magazin mehr hatte und voller Algen war, haben Maite Ulazia und die drei Mädchen mit nach Hause genommen. Dort hat Ulazia einen Freund angerufen, der Polizeitaucher ist. „Der hat gesagt, wir sollen sofort zur Polizei gehen und aufpassen, dass sich kein Schuss löst“, erzählt sie.
Schusswaffen immer am Fundort lassen
Zu viert bringen sie die Pistole zur Bundespolizei auf der Insel. Ein Beamter habe zunächst gesagt, dass die Waffe echt sei. „Die Polizei hat gesagt, dass wir die Waffe eigentlich nicht anfassen hätten sollen“, sagt Amelie. Am nächsten Tag übergibt die Bundespolizei die Pistole an die Kollegen der Lindauer Polizeiinspektion. Laut Polizist Gerhard Schlauch steht mittlerweile fest: Die Pistole ist aus Plastik.
„Eigentlich hätten wir gleich an der Gerberschanze die Polizei rufen sollen“, sagt Maite Ulazia im Nachhinein. Hätten sie das getan, dann hätte die Polizei das Gebiet um die Gerberschanze abgesperrt, wie Schlauch erklärt. „Sobald etwas aussieht wie Munition, sollte man das nicht aufheben, sondern Abstand halten und die Polizei rufen“, sagt er. „Auch eine Schusswaffe sollte man am Fundort lassen. Man weiß niemals, ob das Ding geladen ist oder nicht.“
Die Polizei mache in der Regel Fotos von den verdächtigen Gegenständen und schicke diese an den Kampfmittelräumdienst. So, wie vor etwa zehn Tagen, als ein Urlauber beim Schnorcheln im Bereich der Karlsbastion zwei Granaten gefunden hatte. Damals konnten die Sprengmittelexperten per Ferndiagnose feststellen, dass es sich um zwei Granaten aus Tschechien handelte, die völlig ungefährlich waren, weil sie keine Zünder mehr hatten.
Im Bodensee liegt jede Menge Munition und Waffen. Die allermeisten Granaten, die gefunden werden, stammen laut Schlauch aus dem zweiten Weltkrieg. Später habe der eine oder andere dort auch Schreckschusswaffen und ähnliches entsorgt. „Jetzt, wo der Pegel so niedrig ist, findet man im Bodensee jede Menge Geraffel“, so Schlauch. Und immer wieder seien darunter auch so harmlose Dinge wie die Plastikpistole: Vor einiger Zeit zum Beispiel habe sich eine vermeintliche Fliegerbombe als Wassertank herausgestellt. Auch die Plastikpistole sehe täuschend echt aus. „Aber wenn man sie hochhält, dann merkt man, dass sie viel zu leicht ist.“
Obwohl die Pistole von Johanna, Nastassja und Amelie am Ende völlig ungefährlich war: Sie zu finden, war das größte Abenteuer ihres Lebens. „Als Johanna gesagt hat, dass da eine Pistole liegt, habe ich ihr nicht geglaubt“, erzählt Nastassja. „Aber dann haben wir es mit eigenen Augen gesehen“, ergänzt Amelie. Während sie ihre Mutter verständigt hat, hat Nastassja aufgepasst, dass kein Badegast der Pistole zu nahe kommt. „Wir hatten ein bisschen Angst davor“, sagt Nastassja. Johanna ist in der Zwischenzeit nach Hause gelaufen und hat im Internet recherchiert, um welche Art von Pistole es sich handeln könnte. Und natürlich haben sich die drei Mädchen eine Geschichte überlegt, wie die Waffe in den See gelangt sein könnte. „Sie könnte aus dem Zweiten Weltkrieg sein“, sagt Nastassja. „Oder jemand hat sie vom Ufer reingeschmissen, weil er sie verstecken wollte.“Johanna, Amelie und Nastassja sind sich einig: Das war ein verrückter Tag.