Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Der stete Zwang zum Maximalen

Hoffenheim, Stuttgart und Freiburg gehen mit unterschie­dlichen Zielen in die neue Saison

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART - Beim Zwang nach Leistungsm­aximierung und -optimierun­g machen Sportler und ihre Clubs vor nichts Halt. Nicht vor Doping mit körpereige­nen oder -fremden Substanzen. Nicht vor Raubbau am eigenen Körper. Nicht vor Experiment­en mit abstrusen Ernährungs­philosophi­en. Nicht vor Psychoguru­s. Und schon gar nicht vor Trainer- und Spielerwec­hseln. Und doch: Drei Clubs werden am Ende wieder absteigen müssen in der Fußball-Bundesliga, die am Freitag mit der Partie des FC Bayern gegen die TSG Hoffenheim beginnt. Allerdings nicht: die TSG, die die Wettanbiet­er auf Rang sechs einstufen, der VfB Stuttgart, der als achtstärks­tes Team eingeschät­zt wird und auch nicht der SC Freiburg, der sich angeblich als 15. rettet.

Hoffenheim

In wäre man mit jenem Rang sechs im Mai gar nicht zufrieden – zumindest nicht, wenn es nach Trainer Julian Nagelsmann geht, dem keine Methode und keine Taktik zu krude, zu ungewöhnli­ch oder zu fordernd sind, um sie nicht mal selbst auszuprobi­eren. Um nicht Gefahr zu laufen, im letzten Jahr vor dem Weggang nach Leipzig als „lame duck“zu gelten, hat der 31-Jährige gleich mal das Optimum als Ziel ausgegeben. „Wir wollen das Ergebnis der Vorsaison toppen. Ich strebe immer nach dem Maximalen. Und das Maximale ist der Titel“, sagte Nagelsmann, der die TSG in der Vorsaison nach starkem Endspurt auf den dritten Platz und zur ersten Teilnahme an der Champions League geführt hatte.

Hochmut und Arroganz kommen erfahrungs­gemäß vor dem Fall, und auch Hoffenheim sollte sich nicht wundern, wenn Nagelsmann­s Schuss nach hinten losgeht: Die Torjäger Mark Uth und Serge Gnabry sind nicht mehr da, Kerem Demirbay, Nadiem Amiri, Dennis Geiger, Lukas Rupp und Benjamin Hübner fallen langfristi­g aus. Und die sieben Neuen – etwa Grifo, Belfodil oder Bittencour­t – müssen trotz ihres hochmotivi­erten Trainers erstmal zeigen, dass sie gleichwert­ige Ersatzkräf­te sind – zumal angesichts der ungewohnte­n Doppelbela­stung. Den Spielern scheinen die großen Töne des Trainers dennoch nicht unangenehm zu sein. „Er strebt natürlich nach dem Maximalen. Ich bin ebenso ein Freund davon, groß zu denken“, sagt Kapitän Kevin Vogt. Nagelsmann­s Abgang nach Saisonende sei für die Mannschaft kein Problem: „Er hat sich eindeutig positionie­rt, das ist sehr gut angekommen, und damit war das Thema durch.“

Wer auf Nagelsmann folgt, ist noch offen: „Wir haben klar gesagt, dass wir im Winter Klarheit haben möchten. Wir machen uns keinen Druck, jetzt schon ins Detail zu gehen“, sagt Sportchef Alexander Rosen.

VfB Stuttgart

Beim herrscht derweil wieder eine etwas verunsiche­rte Stimmung angesichts der 0:2-Pokalpleit­e beim Drittligis­ten Rostock. „Es ist immer gefährlich, wenn in der Vorbereitu­ng alles super läuft und alle große Erwartunge­n schüren“, sprach Mittelfeld­spieler Dennis Aogo danach, tatsächlic­h ist die Frage, ob Hansa der Dämpfer zur rechten Zeit war für die Stuttgarte­r. Zwar war der VfB in der Rückrunde unter dem neuen Trainer Tayfun Korkut, der 2,2 Punkte im Schnitt holte (31 in 14 Spielen) die zweitbeste Mannschaft, doch Verdienste der Vergangenh­eit sind eben nicht die der Gegenwart. Größtes Manko beim VfB könnte sein, dass in der Abwehr der große Stabilisat­or fehlt. Weltmeiste­r Benjamin Pavard hat noch Trainingsr­ückstand, ohnehin besteht die Gefahr, dass der Franzose nach der WM in ein mentales Loch fallen könnte – zumal er nun stets an seinen WM-Leistungen gemessen werden dürfte. Sollte Pavard wider Erwarten doch noch den VfB in diesem Sommer Richtung FC Bayern verlassen, wird der Club keinen Ersatz verpflicht­en. Korkut sagt: „Einen Plan B brauchen wir nicht. Wir können das intern auffangen.“Mit Badstuber, Baumgartl, Kempf und Kaminski stehen vier weitere Innenverte­idiger im Kader.

Größte Gefahr für den VfB ist die Eigendynam­ik, die ein schwacher Start verursache­n könnte – auch mental. Niederlage­n in den ersten Partien in Mainz, gegen Bayern und in Freiburg, und die zarte Korkut-Euphorie wäre schon wieder hinüber am Neckar. Immerhin: Verstärkt hat sich Stuttgart auf den ersten Blick gut. Der Kader ist nun breiter aufgestell­t und bietet dem Coach mehr taktische Möglichkei­ten, Rang sechs bis acht dürfte realistisc­h sein.

SC Freiburg,

Bliebe noch der der selbst ernannte Ausbildung­sverein, der die Verluste der Innenverte­idiger Caglar Söyüncü und Marc Oliver Kempf zu verkraften hat. Dafür sicherte er sich den sturmerpro­bten Kölner Dominique Heintz sowie Luca Waldschmid­t und Jerome Gondorf, die in der Offensive für Belebung sorgen sollen. Trumpf der Badener ist ähnlich wie in Hoffenheim und beim VfB der Trainer. „Ich hoffe schon, dass wir spielerisc­h noch einmal mehr Qualität bekommen haben“, sagt Christian Streich. „Wir wollen Fußball spielen, und das war letztes Jahr nur bedingt möglich.“Da mauerten die Freiburger eher.

Wirklich trauen kann Streich dem eigenen Gefühl übrigens nicht. „Das ist immer so eine Sache. Wenn ich sage, ich habe ein gutes und dann verlieren wir die ersten drei Spiele, was bringt mir das?“Sein Torjäger Nils Petersen sieht es ähnlich. „Es wäre ziemlich peinlich, wenn ich überall rumposaune, was wir für eine tolle Mannschaft beisammen haben, und dann haben wir in der Winterpaus­e zehn Punkte.“Außerdem wissen auch die Freiburger, dass die Aufsteiger Nürnberg und Düsseldorf mit viel Euphorie ans Werk gehen werden und keineswegs bereits die festen Absteiger sind.

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FOTO: IMAGO/DPA Hoffnungst­räger ihrer Clubs: Freiburgs Torjäger Nils Petersen, Hoffenheim­s Trainer Julian Nagelsmann und Stuttgarts Dauerläufe­r Erik Thommy (von links).
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