Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Aufsteigerin
Sie war die erste Muslima mit Migrationshintergrund in einer deutschen Landesregierung. Nun soll Aygül Özkan der Hamburger CDU zu einem Imagewechsel verhelfen und sie zur Bürgerschaftswahl 2020 aus dem Zustimmungstief holen. Ob sie das kann, ist noch offen. Denn die 46-Jährige, die 1971 als Kind ehemaliger türkischer Gastarbeiter in Hamburg geboren wurde, Jura studierte und dann wie als Paradebeispiel für gelungene Integration in Politik und Wirtschaft Karriere machte, ist schwer erkrankt.
Dennoch oder gerade deshalb preschten die CDU-Landes- und Fraktionschefs Roland Heintze und André Trepoll vor und verkündeten, dass Özkan ihre Wunsch-Spitzenkandidatin sei und gegen Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) antreten soll – rund 18 Monate vor der Wahl. Mit einer Muslima als CDU-Spitzenkandidatin und Aspirantin auf das Bürgermeisteramt hätten die Fraktionsmitglieder kein Problem, hieß es. Vielmehr sei Özkan als personifiziertes Ideal der von der CDU gewünschten Integration gelobt und auf ihre Erfahrung in der Wirtschaft und als niedersächsische Sozialministerin verwiesen worden. Nur vereinzelt habe es Bedenken gegeben, dass man konservative Wähler mit ihrer Nominierung vergrätzen könnte, hieß es. Dass Özkan 2010 nach ihrer Berufung ins Kabinett von Christian Wulff (CDU) mit ihrer Forderung, Kreuze aus Schulen zu entfernen, deutschlandweit für Wirbel sorgte, dürfte manchem Sorge bereiten.
Vergleichsweise jung, erfolgreich, regierungserfahren, in der Wirtschaft verankert und Frau – zugleich Migrantenkind und Muslima: Für eine Großstadt wie Hamburg könnte das passen. Alles hängt nun vom Verlauf der schweren Krankheit ab, über die bislang nichts bekannt ist. Deshalb könne sie die „tolle Herausforderung, Hamburgs Erste Bürgermeisterin zu werden“, im Moment nicht annehmen, meinte Özkan. Die Partei will ihr Zeit zur Genesung geben. Einen Plan B hat sie nicht. (dpa)