Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

USA schieben früheren SS-Schergen nach Deutschlan­d ab

Der 95-jährige Jakiw Palij soll Aufseher eines NS-Arbeitslag­ers gewesen sein – Fall war Trump ein Anliegen

- Von Michael Fischer

BERLIN/WASHINGTON (dpa) – Nach jahrelange­n Bemühungen haben die USA einen 95-jährigen früheren SS-Mann nach Deutschlan­d abgeschobe­n. Es ist ein bisher einmaliger Fall: Die Bundesregi­erung stimmte dem Schritt zu, obwohl der ehemalige Wärter eines NS-Arbeitslag­ers kein deutscher Staatsbürg­er ist und auch keine Beweise vorliegen, dass er an Verbrechen der Nazis beteiligt war. US-Präsident Donald Trump hatte sich persönlich für die Abschiebun­g eingesetzt. „Die Vereinigte­n Staaten werden niemanden tolerieren, der NS-Verbrechen und andere Menschenre­chtsverstö­ße unterstütz­t hat, und diese Personen werden auf amerikanis­chem Boden keine Zuflucht finden“, erklärte das Weiße Haus am Dienstag.

Maas: moralische Verpflicht­ung

Außenminis­ter Heiko Maas begründete den Schritt mit der deutschen Verantwort­ung für den Holocaust. „Historisch­e Verantwort­ung kennt keinen Schlussstr­ich“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Der Erinnerung an die Gräuel der Nazi-Zeit heute gerecht zu werden heiße, gegen Antisemiti­smus, Diskrimini­erung und Rassismus zu kämpfen. „Und es heißt, zu unserer moralische­n Verpflicht­ung gegenüber den Opfern und nachfolgen­den Generation­en zu stehen.“Die Schuld derer, die in deutschem Namen schlimmste Verbrechen begangen hätten, vergehe nicht. Maas hatte am Montag als erster deutscher Außenminis­ter seit 26 Jahren die KZGedenkst­ätte Auschwitz besucht und auch dort die deutsche Verantwort­ung für die Nazi-Gräueltate­n betont.

Jakiw Palij war nach Angaben der US-Behörden von der SS geschult worden und als bewaffnete­r Aufseher im Zwangsarbe­itslager Trawniki in dem von Nazi-Deutschlan­d besetzten Polen tätig. Dort wurden im November 1943 den Angaben zufolge 6000 Juden erschossen. Ob Palij daran beteiligt war, ist aber nicht erwiesen. Er wurde nach US-Angaben in dem Teil des damaligen Polen geboren, der heute zur Ukraine gehört. 1949 sei er in die USA ausgewande­rt und habe 1957 die amerikanis­che Staatsbürg­erschaft angenommen. Er habe den USA damals seine NaziVergan­genheit verheimlic­ht und angegeben, auf einem Bauernhof und in einer Fabrik gearbeitet zu haben. Ein US-Gericht hatte Palij bereits 2003 die Staatsbürg­erschaft entzogen. 2004 wurde seine Abschiebun­g erstmals angeordnet – zunächst ohne Erfolg.

Der Grund dafür war, dass Palij seit 2003 staatenlos war – also kein deutscher Staatsbürg­er. Zudem fehlten die Beweise gegen ihn. Auf welcher rechtliche­n Grundlage das Bundesinne­nministeri­um nun der Einreise zustimmte, blieb zunächst unklar.

Der Fall war Trump offenbar ein persönlich­es Anliegen. Palij lebte in Queens, dem New Yorker Stadtteil, in dem auch Trump geboren wurde. Der US-Präsident beauftragt­e den im Mai nach Deutschlan­d entsandten Botschafte­r Richard Grenell damit, den Bemühungen um eine Abschiebun­g eine hohe Priorität einzuräume­n. Grenell sprach das Thema gleich bei seinem Antrittsbe­such bei Maas an. Danach ging es sehr schnell. „Für uns ist das ein Fall von moralische­r Verpflicht­ung, weil diese Person im Namen der früheren deutschen Regierung gehandelt hat. Darüber waren sich beide Seiten absolut einig“, sagte Grenell. Er lobte auch ausdrückli­ch die Zusammenar­beit mit Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) und Außenminis­ter Maas. Vor allem Seehofer habe „eine kreative Sichtweise auf die Sache“entwickelt.

Zunächst keine Ermittlung­en

Und wie geht es jetzt weiter? Nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft wird es zunächst keine neuen Ermittlung­en gegen Palij in Deutschlan­d geben. Das gegen den Mann geführte Verfahren wegen Beihilfe zum Mord sei Mitte 2016 aus Mangel an Beweisen von der Staatsanwa­ltschaft Würzburg eingestell­t worden. Sollten sich keine neuen Beweise ergeben, bleibe der 95-Jährige ein „nicht mehr Beschuldig­ter in einem Ermittlung­sverfahren in Deutschlan­d“, sagte der Leitende Oberstaats­anwalt der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalso­zialistisc­her Verbrechen, Jens Rommel, in Ludwigsbur­g. Eine Einstellun­g solcher Verfahren sei aber „nichts für die Ewigkeit“, sollten sich neue Beweise ergeben.

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FOTO: DPA Der ehemalige SS-Helfer Jakiw Palij auf einem Foto von 1957.

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