Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Tiere im Zirkusgehege: Stress oder Abwechslung?
Deutscher Tierschutzbund kritisiert Tierhaltung bei Charles Knie– Tigerdompteur Lacey weist Vorwürfe zurück
FRIEDRICHSHAFEN - Der Zirkus Charles Knie tritt am Wochenende in Friedrichshafen mit über 150 Tieren auf. Der Deutsche Tierschutzbund kritisiert den Zirkus und wirft ihm vor, seine Tiere nicht artgerecht zu halten. Die Akteure bei Charles Knie sind sich aber sicher: Den Tieren geht es gut.
Alexander Lacey steht im frisch aufgebauten Löwengehege. Um ihn herum: Löwen und Tiger in Käfigen, die entweder schlafen oder darauf warten, ins Freigehege gelassen zu werden. Tags zuvor stand der Zirkus noch in Immenstaad, jetzt findet man ihn beim Messeparkplatz P7 in der Nähe des Bodenseecenters. Der Löwen- und Tigerdompteur will den anwesenden Journalisten seine Tricks mit den Tieren zeigen. Er kann seine Löwin dazu bringen, auf Anhieb zu brüllen oder seinen männlichen Löwen, ihm einen Kuss auf den Mund zu geben. Seit seiner Kindheit hat er regelmäßig mit den Raubtieren zu tun. „Meine Eltern haben zwei Zoos besessen“, sagt er. Mit 17 sei er dann das erste Mal mit einer Tigergruppe im Zirkus seines Vaters aufgetreten. Die Tiere, die jetzt auch bei Charles Knie zu sehen sind, hat er selbst gezüchtet und aufgezogen. Die Raubtiere seien sein Leben.
Lacey: Umzüge halten Tiger fit
Der Zirkus Charles Knie tourt alle zwei bis vier Tage von Stadt zu Stadt. Alexander Lacey ist davon überzeugt, dass die Umzüge die Tiere fit halten. „Die Löwen haben laufend neue Eindrücke und die Atmosphäre um sie herum ändert sich immer wieder. Das ist gut für ihre psychische Gesundheit“, so Lacey. Die Tiger würden ihre Gehege bei jedem neuen Umzug genau inspizieren.
Laut Deutschem Tierschutzbund soll der ständige Standortwechsel aber schlecht für die Tiere sein. „Die Tiere haben in freier Wildbahn ihr festes Revier. Der ständige Wechsel bedeutet Stress für sie“, sagt AnnaLaura Knorpp, Pressesprecherin des deutschen Tierschutzbunds. Rechtlich gesehen halte der Zirkus zwar die sogenannten Zirkusleitlinien ein, die im Jahr 2000 vom Bundeslandwirtschaftsministerium eingeführt wurden. „Diese Regelungen sind aber völlig unzureichend, um ein akzeptables Maß an Tierschutz in der Praxis zu gewährleisten“, sagt Knorpp. Unter anderem seien die Gehege, in denen die Tiere leben, zu klein. Der Deutsche Tierschutzbund will deshalb, dass Zirkusse wie Charles Knie das „Säugetiergutachten“, das für Zoos und private Tierhalter gilt, als Grundlage für ihre Tierhaltung sehen. Dafür kommen aber beispielsweise weitaus größere Gehege infrage. Der Zirkus Charles Knie sieht in seinem Handeln keine Fehler. Tigerdompteur Alexander Lacey ist sich sicher, dass es seinen Tieren sehr gut gehe. „Normalerweise werden Tiger und Löwen nur bis zu zwölf Jahre alt. Die meisten meiner Tiere sind 20 geworden.“Da er seit seiner Kindheit mit Raubtieren zu tun habe, könne er die Körpersprache der Raubtiere lesen. „Tiger und Löwen können natürlich nicht sprechen. Ich kann aber an ihrem Verhalten erkennen, wie es ihnen geht“, sagt Lacey.
Stressfrage nicht geklärt
Dass Tiere beim Transport Stress hätten, glaubt er nicht. „Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass die Tiere Stress beim Transport haben“, so Lacey. Er weist auf eine Studie des Verhaltensbiologen Immanuel Birmelin hin, der den Stresshormonspiegel bei Zirkustieren vor und nach einem Transport gemessen hat. Ergebnis der Studie: Die Tiger hatten keinen erhöhten Stresspegel. Lacey ist sich sicher, dass es ohnehin wichtig sei, die Tiger und Löwen gut zu behandeln. „Schließlich sind sie stärker als ich“, sagt er.
Das hat er im April am eigenen Leib erfahren. Laut Medienberichten verletzte ihn eine Löwin mit ihren Pranken und Bissen bei einem Auftritt in Sachsen-Anhalt. Für einige Tage sei er deshalb im Krankenhaus gewesen. „Das war meine eigene Schuld. Mit der Löwin habe ich ein Stück eingeübt, bei dem sie mich angreifen soll“, beteuert er. Normalerweise würde Lacey immer im richtigen Moment einen Schritt zurückgehen, beim Unfall habe er aber nicht rechtzeitig reagiert. Schuld sei aber nicht die falsche Haltung der Tiere, wie damals PETA kritisierte. „Viele Tierschutzorganisationen sehen sich die Situation vor Ort gar nicht an“, sagt Lacey. Laut Anna-Laura Knorpp habe sich der Deutsche Tierschutzbund aber den Zirkus genauer angesehen: die Haltungsbedigungen seien nicht ausreichend gewesen.