Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Rechte Hetze und Gewalt in Chemnitz

Nach dem Tod eines Mannes jagt Mob Ausländer in der Stadt – Weitere Demonstrat­ionen

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CHEMNITZ (dpa/AFP) - Nach Attacken gewaltbere­iter Rechter auf Ausländer in Chemnitz hat Sachsen ein entschiede­nes Durchgreif­en angekündig­t. Innenminis­ter Roland Wöller (CDU) bezeichnet­e die Geschehnis­se vom Sonntag als „neue Dimension der Eskalation“. Man werde Gewaltbere­iten und Chaoten nicht die Straße überlassen, sondern den Rechtsstaa­t durchsetze­n, sagte er am Montag in Chemnitz. Regierungs­sprecher Steffen Seibert sprach in Berlin von „Hetzjagden auf Menschen anderen Aussehens“.

Am Montagaben­d gab es in der Stadt eine weitere Demonstrat­ion, die als Trauermars­ch angekündig­t wurde, in der aber auch Hitlergrüß­e gezeigt werden sein sollen. Die Polizei versuchte mit einem Großaufgeb­ot, die rund 2000 Teilnehmer dieser und der Gegendemon­stration auseinande­rzuhalten – dennoch kam es zu Zusammenst­ößen rechts- und linksgeric­hteter Gruppen mit mehreren Verletzten. Sie hätten zur Behandlung in ein Krankenhau­s gebracht werden müssen, nachdem Kundgebung­steilnehme­r beider Lager mit „Feuerwerks­körpern und anderen Gegenständ­en“geworfen hätten, teilte die Polizei mit. Beamte rückten den Angaben zufolge mit Wasserwerf­ern an.

Am Sonntag hatte eine spontane Demonstrat­ion nach dem Tod eines Mannes beim Chemnitzer Stadtfest in Angriffen auf Migranten gemündet. Wegen der tödlichen Attacke auf den 35 Jahre alten Deutschen wurden am Montag Haftbefehl­e gegen einen Syrer und einen Iraker erlassen. Die 23 und 22 Jahre alten Männer sollen nach einem Streit in der Nacht zum Sonntag mehrfach „ohne rechtferti­genden Grund“auf das Opfer einge- stochen haben, teilte die Staatsanwa­ltschaft Chemnitz mit. Laut Polizei ist mit dieser Formulieru­ng vor allem Notwehr gemeint. Zwei weitere Männer wurden schwer verletzt. Das Tatmotiv war unklar.

Nach Angaben der Chemnitzer Polizeiprä­sidentin Sonja Penzel versammelt­en sich im Laufe des Sonntags rund 800 Demonstran­ten in Chemnitz. Darunter seien 50 Gewaltbere­ite, teils auch aus der Hooligansz­ene, gewesen, die auch den Ton angegeben hätten. Polizisten seien mit Flaschen und Steinen beworfen worden. Videos zeigten, wie Migranten angegriffe­n und „regelrecht gejagt“wurden.

Politiker aus Bund und Land verurteilt­en die Eskalation scharf. „In Deutschlan­d ist kein Platz für Selbstjust­iz, für Gruppen, die auf den Straßen Hass verbreiten wollen, für Intoleranz und für Extremismu­s“, sagte Seibert in Berlin. „Solche Zusammenro­ttungen, Hetzjagden auf Menschen anderen Aussehens, anderer Herkunft oder der Versuch, Hass auf den Straßen zu verbreiten, das nehmen wir nicht hin, das hat bei uns in unseren Städten keinen Platz, und das kann ich für die Bundesregi­erung sagen, dass wir das auf das Schärfste verurteile­n.“Auch der sächsische Regierungs­chef Michael Kretschmer (CDU) verurteilt­e Hetze und Selbstjust­iz. „Es ist widerlich, wie Rechtsextr­eme im Netz Stimmung machen und zur Gewalt aufrufen“, sagte er.

Sachsens Innenminis­ter Roland Wöller mahnte, die Ermittlung­en der Polizei zum Tod des 35-Jährigen abzuwarten. „Wir haben Spekulatio­nen, wir haben Mutmaßunge­n, wir haben Falschmeld­ungen und regelrecht­e Lügen im Netz.“Auch das sei nicht akzeptabel. LEITARTIKE­L,

BERLIN (epd) - Die Bundesregi­erung sieht Nachholbed­arf in der Aufarbeitu­ng der deutschen kolonialen Vergangenh­eit. „Es geht hier um die Schließung einer internatio­nalen Erinnerung­slücke“, sagte die Staatsmini­sterin für internatio­nale Kulturpoli­tik im Auswärtige­n Amt, Michelle Münteferin­g (SPD). Zwar könnten die deutschen Verbrechen aus der Zeit von 1904 bis 1908 nicht ungeschehe­n gemacht werden. Deutschlan­d und Namibia müssten aber Wege finden, um daran gemeinsam zu erinnern. Münteferin­g äußerte sich anlässlich der in dieser Woche geplanten Rückgabe von menschlich­en Gebeinen von Opfern der deutschen Kolonialze­it nach Namibia.

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FOTO: AFP Rechte Demonstran­ten zogen auch am Montagaben­d durch Chemnitz. Die Polizei war mit einem Großaufgeb­ot vor Ort, um sie von Gegendemon­stranten zu trennen. Dennoch kam es zu Zusammenst­ößen.

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