Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
„Vermeide stets, dich einsam zu besaufen“
Literarischer Spaziergang in Langenargen kreist thematisch um den Seewein
LANGENARGEN - Seit langer Zeit schon zählen die von der Bücherei im Münzhof angebotenen literarischen Spaziergänge mit Angelika Hermann zu den beliebten Veranstaltungen in Langenargen für Fremde und Einheimische. Die Schwäbische Zeitung ist jetzt bei einer dabei gewesen. „GottgeSeegnet – Weinkultur, Literatur und weinselige Schelmenstücke“– war das Thema des zweistündigen Spaziergangs, der die Zuhörer von Station zu Station an der Seepromenade entlang führte.
13 Zuhörer hatten sich an diesem Morgen vor dem Münzhof eingefunden, von wo aus es direkt auf die Terrasse des Kavalierhauses ging. Während der Blick über den See schweifte, las Angelika Hermann leise und genießerisch die ausgewählten Texte, stellte die Schriftsteller vor, erzählte von Hintergründen. Das Zuhören bereitete ein wenig Mühe, zumal vor der Terrasse ein Rasenmäher seine Runden zog, auch die Lieferwagen für die Gastronomie im Schloss waren nicht zu überhören. Aber alle Teilnehmer blieben bei der Stange, ließen sich hineinführen in Erika Dillmanns Beschreibung vom Leben „in Gottes eigenem Land“, im Land der Kirchen und Kapellen an der Barockstraße, im Land vor dem Säntis, der herrschaftlich herübergrüßte. Mit Michel de Montaignes „Tagebuch einer Badereise“ging es ins Hotel Krone nach Lindau, wo der Dichter die Federbetten ebenso genossen hatte wie die Kochkünste: „Von der Forelle isst man nur den Laich.“
Die nächste Station war am Ufer vor der Konzertmuschel: „Ein bisschen soll die Brandung auch noch mitreden“– dafür war jetzt der Rasenmäher weiter weg. Der Seewein kam in den Blick, der „Sauerampfer“, den man früher noch mit Honig gesüßt habe, damit er halbwegs genießbar war, und ansonsten auch zum Mörtelanrühren oder gar als Foltermittel eingesetzt habe. Drei Liter Wein haben die Schiffsleute pro Tag bekommen und auch getrunken, allerdings weit weniger alkoholhaltig als heute, da die Anbauflächen viel kleiner geworden sind, dafür aber einen weit besseren Wein liefern. Humorvolle Geschichten um den Wein gab es unter den Schatten spendenden Bäumen im Spitalgarten. So die Geschichte von Gertrud, welcher der Onkel das heimliche Abzapfen seines Silvaners ausgetrieben hat: Doch als die Nichte ihm dafür seine Leibspeisen nicht mehr kocht, gibt er schnell klein bei, und sie kommt doch wieder zu ihrem regelmäßigen Krügle Silvaner.
Die Schnaken geben Ruhe
Von Carl Zuckmayer kam der Rat: „Vermeide stets, dich einsam zu besaufen...“, und auch bei Ludwig Uhland fanden sich Weisheiten zum Weingenuss. Humoriges zum Sommer und zum Wein folgte an weiteren Stationen beim Yachthafen. Gott sei Dank waren die Schnaken aus Alfred Heizmanns Gedicht an diesem Morgen friedlich, während das Gedicht zur Ernte genau passte: „Erntezeit ist angesagt, wenn’s dem Obst auch net behagt.“
Von Norbert Jacques rezitierte Angelika Hermann ein Gedicht zum Suser, das letzte Wort hatte schließlich Friedrich Georg Jünger mit Kostproben aus seinem Gedichtband „Das Weinberghaus“. Die Sinne waren angeregt, zum Mittagessen wurde sicher manch ein Viertele geschlotzt.