Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Aussitzen hilft nicht

- Von Claudia Kling c.kling@schwaebisc­he.de

Bei diesen Bildern aus Chemnitz dreht es einem den Magen um: Demonstran­ten, die sich mit erhobenen Fäusten und gereckten Fingern der Polizei entgegenst­ellen, aus deren Posen eindeutig hervorgeht, dass sie in Gewalt durchaus ein Mittel der Politik sehen. Und was sagen die eigentlich­en Volksvertr­eter dazu? Dass „der sächsische Staat handlungsf­ähig“sei (Sachsens Ministerpr­äsident Kretschmer), dass Hass „mit unserem Rechtsstaa­t nichts zu tun“habe (Kanzlerin Angela Merkel). Was für Floskeln!

Es ist doch augenfälli­g, dass sich rechte Hetzer im öffentlich­en Raum breitmache­n, dass sie sich bestens über soziale Medien vernetzen – und die Politik tut so, als könne sie diese Auswüchse aussitzen. Dieser Vorwurf trifft insbesonde­re die sächsische CDU, die trotz all der rechten Umtriebe im Land so tut, als habe Sachsen kein Extremismu­sproblem. Dabei wird andersrum ein Schuh daraus: Sachsen, aber eben nicht nur Sachsen, ist für Menschen mit Migrations­hintergrun­d ein gefährlich­es Pflaster. Das Vertrauen in den Schutz von Minderheit­en in Deutschlan­d hat bereits enormen Schaden genommen, nicht zuletzt wegen des Staatsvers­agens in der NSU-Mordserie. Auch die immer wieder zutage tretenden Verbindung­en zwischen Behörden und rechter Szene – zuletzt beim LKA-Pegida-Mann – befeuern den Eindruck, der Staat schaue rechts nicht genau hin.

Was nun zu tun ist? Kurzfristi­g wäre schon etwas gewonnen, wenn sich der Staat sein Gewaltmono­pol nicht länger von „besorgten“Bürgern und rechtsextr­emen Hooligans aus der Hand nehmen ließe. Schlimm genug, dass dies am Sonntag nach der tödlichen Messerstec­herei in Chemnitz nicht geglückt ist. Dass auch am Montag zu wenige Polizisten auf der Straße waren, klingt deshalb schon fast wie ein schlechter Witz. Denn auch das ist klar: Dem Hass in den Köpfen der extremen rechten Szene, die im Fahrwasser der AfD Morgenluft wittert, ist nicht von heute auf morgen beizukomme­n. Aber Hetzjagden und Selbstjust­iz zu verhindern, das sollte dem Rechtsstaa­t möglich sein.

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