Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Äußerst talentierte Frauen
Eine Ausstellung in Heilbronn zeigt die Werke zweier schwäbischen Malerinnen
HEILBRONN/STUTTGART (epd) Sie stammten aus evangelischen Familien und einer Generation von Künstlerfrauen um 1900, die bis zum Jahr 1919 noch an keine Akademie zugelassen wurden: Käte Schaller-Härlin (1877-1973) und Mathilde Vollmoeller-Purrmann (1876-1943). Die beiden protestantischen Frauen waren mit ihren Schicksalen wegweisende Künstlerinnen ihrer Zeit, die von der Kunsthistorie und Kunstkritik lange Zeit nur wenig beachtet wurden.
Nun widmen ihnen die Städtischen Museen Heilbronn in der Kunsthalle Vogelmann eine Ausstellung mit rund 90 Werken. Die Schau unter dem Titel „Halb Frau, halb Künstlerin“ist noch bis 21. Oktober zu sehen. Lange Zeit galt das Werk Kerstin Skrobanek, Kuratorin
von Mathilde Vollmoeller-Purrmann als verschollen. Erst vor knapp zwanzig Jahren wurde ein großer Teil ihrer insgesamt mehrere Hundert Aquarelle und Ölgemälde umfassenden Werke wiederentdeckt. Sie sind heute im Purrmann-Haus in Speyer untergebracht.
Erste Erfolge erzielte die in Stuttgart geborene und mit dem Dichter Rainer Maria Rilke befreundete Künstlerin Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin als Schülerin von Sabine Lepsius. Den Zenit ihrer Laufbahn erlebte sie in Paris als Schülerin von Henri Matisse. In der Ausstellung sind zahlreiche Aquarelle und Stillleben von ihr zu sehen, aber auch Porträtund Aktmalereien von ihr und Käte Schaller-Härlin.
Die beiden Frauen begegneten sich vermutlich in den Jahren 1909/ 1910 erstmals in Paris an der Malakademie von Henri Matisse. „Ihre Lebensläufe stehen exemplarisch für Frauen, die sich in dem von Männern geprägten Kunstbetrieb gegen gesellschaftliche Vorurteile und den Konflikt, Beruf und Familie gerecht zu werden, behaupten mussten“, sagt Kerstin Skrobanek, Kuratorin der Ausstellung.
Mathilde Vollmoeller stammte aus einer Familie von evangelischen Theologen, Wissenschaftlern und Unternehmern. Ihr Vater war der Kommerzienrat und Textilunternehmer Robert Vollmoeller, der zu den Pionieren einer sozialen Marktwirtschaft gehörte. Ihre Mutter Emilie Vollmoeller war eine engagierte Vertreterin der christlichen Sozialethik und Frauenemanzipation. Zusammen mit ihrem Mann gründete sie soziale Einrichtungen in StuttgartVaihingen wie etwa das Emilienheim und den Filderhof.
Die im indischen Mangalore geborene und in Stuttgart gestorbene Käte Schaller-Härlin war Tochter des Indien-Missionars Emmerich Härlin, der dort für die Basler Mission arbeitete.
Sie war verheiratet mit dem Stuttgarter Kunsthistoriker und -händler Hans Otto Schaller, der bereits 1917 im Ersten Weltkrieg starb. Käte Schaller-Härlin machte sich vor allem als Porträtistin einen Namen und ernährte so nach dem frühen Tod ihres Mannes als Alleinerziehende ihre Familie.
„Käte Schaller-Härlin bekam von der Familie Heuss etliche Aufträge“, sagt Museumschef Marc Gundel. Viele ihrer Porträts zeigen deshalb Mitglieder der Großfamilie des früheren Bundespräsidenten Theodor Heuss, mehrere Male sind Besuche von ihr auf der Burg Beilstein im Raum Heilbronn dokumentiert. „Sie hatte eine unglaubliche Begabung, Gesichter zu porträtieren“, sagt Kuratorin Kerstin Skrobanek.
Schaller-Härlin war gläubig, eine überzeugte Astrologin und in der Künstlerszene bekannt. Als eine der ersten Frauen überhaupt stieg sie mit ihrem Markenzeichen – Rock und Schlapphut – auf das Gerüst von sieben Kirchen in Baden-Württemberg, gestaltete Glasfenster oder bemalte meterhoch die Kirchenwände – etwa in der von Martin Elsaesser gebauten Kirche in Lichtental bei Baden-Baden oder auch in der evangelischen Kirche von Stuttgart-Gaisburg. Das Stadtarchiv Stuttgart hat vor einigen Jahren ihren gesamten Nachlass erhalten.
Beide Künstlerinnen stehen wohl exemplarisch für eine Generation von Frauen um die Wende des 19./20. Jahrhunderts, zu der auch die weitaus bekanntere Künstlerin Paula Modersohn-Becker gehört. Die Metropolen Berlin und Paris prägten ihre Laufbahn, viele Stationen ihres künstlerischen Werdegangs fanden auch in Italien oder Spanien statt.
„Ihre Lebensläufe stehen exemplarisch für Frauen, die sich in dem von Männern geprägten Kunstbetrieb behaupten mussten.“
Die Schau „Halb Frau, halb
Künstlerin“ist noch bis 21. Oktober in Heilbronn zu sehen. Internet www.museen-heilbronn.de