Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Markdorf: Flugblatt wirft Fragen auf
Bürgerinitiative verbreitet Zahlen, die die Markdorfer Stadtverwaltung nicht bestätigen kann
Bürgerinitiative verbreitet Zahlen, die nicht bestätigt werden können.
MARKDORF - Derzeit läuft in Markdorf die Unterschriftenaktion der Bürgerinitiative „Bischofsschloss“. Sie will einen Bürgerentscheid herbeiführen und den geplanten Umzug des Rathauses in das historische Gebäude verhindern. Das etwa zehnköpfige Team hat nicht nur Blankoformulare zum Unterschreiben verteilt, sondern auch Flugblätter, auf denen die Initiative ihre Position darstellt. Viele der darin genannten Zahlen weichen von dem ab, was von der Stadtverwaltung kommuniziert wurde. Die SZ stellt die Zahlen jeweils einander gegenüber.
Gesamtkosten: Die Initiative kommt auf 24 Millionen Euro, die der Umbau des Bischofsschlosses und der Umzug der Verwaltung kosten würden. Darin eingerechnet sind der Kaufpreis des Schlosses in Höhe von 3,85 Millionen Euro, die vom Architekturbüro Braunger und Wörtz berechneten 18,4 Millionen Euro für Sanierung und Umbau und ein zehnprozentiger Risikoaufschlag.
Die Initiative weicht in diesem Punkt von den offiziellen Berechnungen nur beim zehnprozentigen Risikoaufschlag ab. Bürgermeister Georg Riedmann hält diesen Aufschlag prinzipiell für vernünftig. „Es schadet nicht, wenn man damit rechnet“, sagt er. Gerade bei Bauprojekten und Sanierungen komme es häufig zu Kostensteigerungen. Allerdings sei die Gesamtsumme nicht nur für den Umzug der Verwaltung vorgesehen. „Wir wollen ein hochwertiges Kulturdenkmal sanieren und dazu gehören auch öffentliche Räume wie der Rittersaal“, sagt er. Die Summe, die die Stadt auf jeden Fall ausgeben muss um das Bischofsschloss zu erhalten, liegt bei 3,5 Millionen Euro. In dieser Summe sind etwa Kosten für die Verbesserung des Brandschutzes enthalten. Diese Kosten fallen an, egal wie es in Zukunft genutzt wird.
Vergleich mit Salem: Die Initiative schreibt, dass das Rathaus im Bischofsschloss doppelt so teuer wird, wie das Rathaus in der Neuen Mitte, die derzeit in Salem gebaut wird. Genaue Zahlen werden nicht genannt.
Die Stadtverwaltung Markdorf geht in einer Stellungnahme auf die Kosten für Salems Neue Mitte ein, die bei insgesamt rund 28 Millionen Euro liegen sollen. Für das Rathaus allein werden 12,1 Millionen Euro veranschlagt, doch Kosten für Erschließung, Fundamente, Tiefgarage und Außenanlagen müssten noch hinzugerechnet werden, um den Vergleich überhaupt ziehen zu können. „Dies ergäbe eine vergleichbare Summe von 20,7 Millionen Euro“, heißt es in der Stellungnahme. Und: „Die Stadtverwaltung Markdorf rät jedoch von solchen Vergleichen ab- soluter Kosten dringend ab. Zu unterschiedlich und komplex sind die jeweiligen Bauprojekte.“
Kosten pro Mitarbeiter: Laut Flugblatt fallen in Markdorf 400 000 Euro Gebäudekosten pro Mitarbeiter an. Üblich seien circa 200 000 Euro. Wie Heiner Sondermann von der Initiative erläutert, hat die Gruppe sich die Kosten für andere Rathäuser in Baden-Württemberg angesehen, etwa vom Rathaus in Leonberg oder vom Technischen Rathaus in Tübingen. Dabei seien im Durchschnitt die 200 000 Euro herausgekommen.
Wie Bürgermeister Georg Riedmann zu Bedenken gibt, werde in Markdorf nicht nur ein Denkmal saniert. Vielmehr schließe die Sanierung auch die bisher schon öffentlich genutzter Räume ein, die auch in Zukunft keine Rathausfunktion erhalten. Gemeint sind der Rittersaal und der Gewölbekeller, aber auch ein gastronomischer Betrieb, der dort integriert werden soll.
Andere Investitionen: Auf dem Flugblatt heißt es: „Dringend notwendige Investitionen für Schulen, Kindergärten, Kinderbetreuung, Parkplätze, Straßen und Infrastruktur werden sich verschieben oder unmöglich.“
Laut Bürgermeister Riedmann stimmt das nicht. Für die kommenden Jahren seien zahlreiche Investitionen bereits verbindlich vorgesehen. Allein für 2019 sind der Baubeginn für die Sanierung und Erweiterung der Jakob-Gretser-Schule geplant, der Neubau eines sechsgruppigen Kindergartens in Markdorf-Süd, die Einrichtung zweier Waldkindergartengruppen, die Erschließung und Kanalisierung von Möggenweiler und die weitere Sanierung der Kreuzgasse. Die Stadt beteiligt sich außerdem an den Planungskosten zum Ausbau der Bodenseegürtelbahn, will den Ausbau des Breitbandnetzes vorantreiben, das Gewerbegebiet Riedwiesen IV bis Herbst 2018 und das Gewerbegebiet Eisenbahnstraße ab Frühjahr 2019 erschließen.
Hotel: Laut Initiative geht Markdorf mit der Umnutzung des Bischofsschlosses ein Stadthotel verloren. Dies sei gleichbedeutend mit Umsatzeinbußen von einer Million Euro pro Jahr. Laut Heiner Sondermann informierte sich die Initiative über Statistiken des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, demzufolge jeder Übernachtungsgast zwischen 20 und 30 Euro in der örtlichen Gastronomie oder im Einzelhandel ausgibt.
Wie Bürgermeister Riedmann erläutert, wird im Zuge der weiteren Nutzung des Rathausareals auch über den Bau eines Hotels nachgedacht. In der Gemeinderatssitzung am 9. Oktober sollen entsprechende Konzepte präsentiert werden.
Zeitraum und Umweltbelastung: Die Sanierung des Bischofsschlosses und die anschließende Neugestaltung des Rathausareals sollen laut Initiative bis 2024 dauern. In dieser Zeit werde die historische Altstadt aussterben.
„Jede Sanierung des Komplexes wird die Innenstadt belasten“, heißt es im Schreiben der Stadtverwaltung. „Es werden immer in regelmäßigen Abständen kleinere und größere private und öffentliche Baustellen in der Innenstadt notwendig sein.“
Rathausareal: Die Initiative schreibt, es gebe „kein realisierbares Konzept für das Rathausareal“.
Die Stadtverwaltung entgegnet: „Die Kernvorschläge zur Nachnutzung des Rathausareals hat der Gemeinderat aus der Bürgerbeteiligungsveranstaltung vom Frühjahr 2017 weiterentwickelt und zur Konzeption beauftragt.“Demnach soll auf dem Gelände ein Hotel entstehen. Denkbar sei auch eine Kombinationsnutzung mit Supermarkt und Wohnungen. In der Sitzung am 9. Oktober sollen im Gemeinderat die daraus erarbeiteten Möglichkeiten zur Nachnutzung des Rathausareals präsentiert werden. Weil noch nicht klar ist, was genau dort entstehen soll, sei eine gewisse Verunsicherung in der Bevölkerung spürbar. „Es war vielleicht keine optimale Entscheidung, erst nach dem Baubeschluss damit an die Öffentlichkeit zu gehen“, sagt er. Aber er habe sozusagen das Bärenfell nicht verteilen wollen, bevor der Bär erlegt war.
Neues Rathaus: Ein „neues, modernes und zweckdienliches Rathaus mit Tiefgarage“könne auch für 18,4 Millionen Euro am jetzigen Platz gebaut werden, steht im Flugblatt. Gleichzeitig ließe sich das Bischofsschloss in einen Zustand bringen, der einen erneuten Hotelbetrieb oder eine dem Gebäudekomplex angemessene bürgernahe Nutzung offenlasse. Heiner Sondermann erläutert, der Kaufpreis sei in diesem Fall bewusst herausgerechnet worden. „Er ist die Voraussetzung für eine öffentliche Weiternutzung“, sagt er. Weil das Gebäude nun im Besitz der Stadt sei, sei dieser Kostenpunkt „abgehakt“. Die aktuell geplante Umnutzung des Bischofsschlosses sei aus volkswirtschaftlicher Sicht „Unsinn“.
Laut Bürgermeister Riedmann sind diese Berechnungen der Initiative unrealistisch. Es sei keinesfalls möglich, für diesen Preis das Denkmal zu erhalten und ein neues Rathaus mit Tiefgarage zu bauen. Seiner Ansicht nach ist der Umzug des Rathauses in das denkmalgeschützte Gebäude eine Möglichkeit, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Denn dann könne das Denkmal erhalten und auf einen Neubau verzichtet werden.