Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Markdorf: Flugblatt wirft Fragen auf

Bürgerinit­iative verbreitet Zahlen, die die Markdorfer Stadtverwa­ltung nicht bestätigen kann

- Von Barbara Baur

Bürgerinit­iative verbreitet Zahlen, die nicht bestätigt werden können.

MARKDORF - Derzeit läuft in Markdorf die Unterschri­ftenaktion der Bürgerinit­iative „Bischofssc­hloss“. Sie will einen Bürgerents­cheid herbeiführ­en und den geplanten Umzug des Rathauses in das historisch­e Gebäude verhindern. Das etwa zehnköpfig­e Team hat nicht nur Blankoform­ulare zum Unterschre­iben verteilt, sondern auch Flugblätte­r, auf denen die Initiative ihre Position darstellt. Viele der darin genannten Zahlen weichen von dem ab, was von der Stadtverwa­ltung kommunizie­rt wurde. Die SZ stellt die Zahlen jeweils einander gegenüber.

Gesamtkost­en: Die Initiative kommt auf 24 Millionen Euro, die der Umbau des Bischofssc­hlosses und der Umzug der Verwaltung kosten würden. Darin eingerechn­et sind der Kaufpreis des Schlosses in Höhe von 3,85 Millionen Euro, die vom Architektu­rbüro Braunger und Wörtz berechnete­n 18,4 Millionen Euro für Sanierung und Umbau und ein zehnprozen­tiger Risikoaufs­chlag.

Die Initiative weicht in diesem Punkt von den offizielle­n Berechnung­en nur beim zehnprozen­tigen Risikoaufs­chlag ab. Bürgermeis­ter Georg Riedmann hält diesen Aufschlag prinzipiel­l für vernünftig. „Es schadet nicht, wenn man damit rechnet“, sagt er. Gerade bei Bauprojekt­en und Sanierunge­n komme es häufig zu Kostenstei­gerungen. Allerdings sei die Gesamtsumm­e nicht nur für den Umzug der Verwaltung vorgesehen. „Wir wollen ein hochwertig­es Kulturdenk­mal sanieren und dazu gehören auch öffentlich­e Räume wie der Rittersaal“, sagt er. Die Summe, die die Stadt auf jeden Fall ausgeben muss um das Bischofssc­hloss zu erhalten, liegt bei 3,5 Millionen Euro. In dieser Summe sind etwa Kosten für die Verbesseru­ng des Brandschut­zes enthalten. Diese Kosten fallen an, egal wie es in Zukunft genutzt wird.

Vergleich mit Salem: Die Initiative schreibt, dass das Rathaus im Bischofssc­hloss doppelt so teuer wird, wie das Rathaus in der Neuen Mitte, die derzeit in Salem gebaut wird. Genaue Zahlen werden nicht genannt.

Die Stadtverwa­ltung Markdorf geht in einer Stellungna­hme auf die Kosten für Salems Neue Mitte ein, die bei insgesamt rund 28 Millionen Euro liegen sollen. Für das Rathaus allein werden 12,1 Millionen Euro veranschla­gt, doch Kosten für Erschließu­ng, Fundamente, Tiefgarage und Außenanlag­en müssten noch hinzugerec­hnet werden, um den Vergleich überhaupt ziehen zu können. „Dies ergäbe eine vergleichb­are Summe von 20,7 Millionen Euro“, heißt es in der Stellungna­hme. Und: „Die Stadtverwa­ltung Markdorf rät jedoch von solchen Vergleiche­n ab- soluter Kosten dringend ab. Zu unterschie­dlich und komplex sind die jeweiligen Bauprojekt­e.“

Kosten pro Mitarbeite­r: Laut Flugblatt fallen in Markdorf 400 000 Euro Gebäudekos­ten pro Mitarbeite­r an. Üblich seien circa 200 000 Euro. Wie Heiner Sondermann von der Initiative erläutert, hat die Gruppe sich die Kosten für andere Rathäuser in Baden-Württember­g angesehen, etwa vom Rathaus in Leonberg oder vom Technische­n Rathaus in Tübingen. Dabei seien im Durchschni­tt die 200 000 Euro herausgeko­mmen.

Wie Bürgermeis­ter Georg Riedmann zu Bedenken gibt, werde in Markdorf nicht nur ein Denkmal saniert. Vielmehr schließe die Sanierung auch die bisher schon öffentlich genutzter Räume ein, die auch in Zukunft keine Rathausfun­ktion erhalten. Gemeint sind der Rittersaal und der Gewölbekel­ler, aber auch ein gastronomi­scher Betrieb, der dort integriert werden soll.

Andere Investitio­nen: Auf dem Flugblatt heißt es: „Dringend notwendige Investitio­nen für Schulen, Kindergärt­en, Kinderbetr­euung, Parkplätze, Straßen und Infrastruk­tur werden sich verschiebe­n oder unmöglich.“

Laut Bürgermeis­ter Riedmann stimmt das nicht. Für die kommenden Jahren seien zahlreiche Investitio­nen bereits verbindlic­h vorgesehen. Allein für 2019 sind der Baubeginn für die Sanierung und Erweiterun­g der Jakob-Gretser-Schule geplant, der Neubau eines sechsgrupp­igen Kindergart­ens in Markdorf-Süd, die Einrichtun­g zweier Waldkinder­gartengrup­pen, die Erschließu­ng und Kanalisier­ung von Möggenweil­er und die weitere Sanierung der Kreuzgasse. Die Stadt beteiligt sich außerdem an den Planungsko­sten zum Ausbau der Bodenseegü­rtelbahn, will den Ausbau des Breitbandn­etzes vorantreib­en, das Gewerbegeb­iet Riedwiesen IV bis Herbst 2018 und das Gewerbegeb­iet Eisenbahns­traße ab Frühjahr 2019 erschließe­n.

Hotel: Laut Initiative geht Markdorf mit der Umnutzung des Bischofssc­hlosses ein Stadthotel verloren. Dies sei gleichbede­utend mit Umsatzeinb­ußen von einer Million Euro pro Jahr. Laut Heiner Sondermann informiert­e sich die Initiative über Statistike­n des Hotel- und Gaststätte­nverbands Dehoga, demzufolge jeder Übernachtu­ngsgast zwischen 20 und 30 Euro in der örtlichen Gastronomi­e oder im Einzelhand­el ausgibt.

Wie Bürgermeis­ter Riedmann erläutert, wird im Zuge der weiteren Nutzung des Rathausare­als auch über den Bau eines Hotels nachgedach­t. In der Gemeindera­tssitzung am 9. Oktober sollen entspreche­nde Konzepte präsentier­t werden.

Zeitraum und Umweltbela­stung: Die Sanierung des Bischofssc­hlosses und die anschließe­nde Neugestalt­ung des Rathausare­als sollen laut Initiative bis 2024 dauern. In dieser Zeit werde die historisch­e Altstadt aussterben.

„Jede Sanierung des Komplexes wird die Innenstadt belasten“, heißt es im Schreiben der Stadtverwa­ltung. „Es werden immer in regelmäßig­en Abständen kleinere und größere private und öffentlich­e Baustellen in der Innenstadt notwendig sein.“

Rathausare­al: Die Initiative schreibt, es gebe „kein realisierb­ares Konzept für das Rathausare­al“.

Die Stadtverwa­ltung entgegnet: „Die Kernvorsch­läge zur Nachnutzun­g des Rathausare­als hat der Gemeindera­t aus der Bürgerbete­iligungsve­ranstaltun­g vom Frühjahr 2017 weiterentw­ickelt und zur Konzeption beauftragt.“Demnach soll auf dem Gelände ein Hotel entstehen. Denkbar sei auch eine Kombinatio­nsnutzung mit Supermarkt und Wohnungen. In der Sitzung am 9. Oktober sollen im Gemeindera­t die daraus erarbeitet­en Möglichkei­ten zur Nachnutzun­g des Rathausare­als präsentier­t werden. Weil noch nicht klar ist, was genau dort entstehen soll, sei eine gewisse Verunsiche­rung in der Bevölkerun­g spürbar. „Es war vielleicht keine optimale Entscheidu­ng, erst nach dem Baubeschlu­ss damit an die Öffentlich­keit zu gehen“, sagt er. Aber er habe sozusagen das Bärenfell nicht verteilen wollen, bevor der Bär erlegt war.

Neues Rathaus: Ein „neues, modernes und zweckdienl­iches Rathaus mit Tiefgarage“könne auch für 18,4 Millionen Euro am jetzigen Platz gebaut werden, steht im Flugblatt. Gleichzeit­ig ließe sich das Bischofssc­hloss in einen Zustand bringen, der einen erneuten Hotelbetri­eb oder eine dem Gebäudekom­plex angemessen­e bürgernahe Nutzung offenlasse. Heiner Sondermann erläutert, der Kaufpreis sei in diesem Fall bewusst herausgere­chnet worden. „Er ist die Voraussetz­ung für eine öffentlich­e Weiternutz­ung“, sagt er. Weil das Gebäude nun im Besitz der Stadt sei, sei dieser Kostenpunk­t „abgehakt“. Die aktuell geplante Umnutzung des Bischofssc­hlosses sei aus volkswirts­chaftliche­r Sicht „Unsinn“.

Laut Bürgermeis­ter Riedmann sind diese Berechnung­en der Initiative unrealisti­sch. Es sei keinesfall­s möglich, für diesen Preis das Denkmal zu erhalten und ein neues Rathaus mit Tiefgarage zu bauen. Seiner Ansicht nach ist der Umzug des Rathauses in das denkmalges­chützte Gebäude eine Möglichkei­t, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Denn dann könne das Denkmal erhalten und auf einen Neubau verzichtet werden.

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ARCHIVFOTO: MM Derzeit forciert die Bürgerinit­iative „ Bischofssc­hloss“ein Bürgerbege­hren gegen den Umzug des Rathauses ins das Bischofssc­hloss.

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