Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Mikroplastik wird zum Problem
Durch falsche Mülltrennung gelangen Kunststoffteile auf Felder und ins Wasser – Gelbe Karten für Sünder
Durch falsche Mülltrennung gleangen Teile auf Felder und ins Wasser.
FRIEDRICHSHAFEN - Mikroplastik ist überall: Auf den Feldern, im Wasser und durch Nahrung auch im Menschen selbst. „Mikroplastik ist zu einem sehr großen Problem geworden, weil es nicht verrotten kann“, sagt Michael Wlaka von der Greenpeace-Gruppe Friedrichshafen. Auch der Landkreis Bodenseekreis hat das Problem erkannt und verteilt seit 2017 gelbe Karten an diejenigen, die ihren Biomüll nicht richtig sortieren – und lässt die vollen Tonnen stehen.
Ein großes Problem ist falsch sortierter Biomüll. Jeder Schnipsel Kunststoff, der fälschlicherweise in den Biomüll geworfen wird, landet später als Humus auf dem Feld. Von dort wird er durch das Regenwasser in die Flüsse gespült und landet später im Meer, wo er von Meerestieren gefressen wird, die später wiederum von Menschen gegessen werden. „150 Millionen Tonnen Mikroplastik schwimmen derzeit im Meer. Jedes Jahr werden es rund zehn Tonnen mehr“, sagt Wlaka.
Das Problem sei in den vergangenen Jahren größer geworden. „Der Plastikkonsum wird immer mehr“, sagt Wlaka auch aus eigener Erfahrung. „Wir sammeln regelmäßig Müll in Langenargen am Ufer. Jedes Mal kommen so vier bis fünf Müllsäcke zusammen“, sagt Wlaka. Eigentlich sei das ein Tropfen auf dem heißen Stein. Trotzdem macht er mit den anderen Greenpeace-Mitgliedern weiter. Der Müll stammt zum einen von Menschen, die ihren Abfall einfach am Ufer liegen lassen, einiges werde aber auch angeschwemmt. Zu einer gemeinsamen Aufräumaktion ruft auch die Aktion „Rhine Clean Up“am Samstag, 15. September.
Das Landratsamt, das für die Abfallwirtschaft im Bodenseekreis zuständig ist, setzt sich für einen reinen Biomüll ein. „Uns geht es vor allem um die Qualität des Komposts, der aus dem Biomüll gewonnen wird. Wenn hier im Endprodukt zu viele Fremdstoffe enthalten sind, bekommt der Kompost von den Prüfern kein Gütesiegel mehr, was letztlich zu höheren Entsorgungskosten und damit Gebühren für die Haushalte führt“, sagt Robert Schwarz, Pressesprecher des Landkreises Bodenseekreis.
Der Biomüll aus dem Bodenseekreis wird in der Biogas- und Kompostieranlage in Amtzell verarbeitet. Zunächst wird das Material im Fermenter vergoren und aus dem Methangas wird Strom gemacht. Dann wird dem Material die Feuchtigkeit entzogen, woraus Flüssigdünger entsteht. Der Festanteil wird zu Kompost aufbereitet. In diesem Prozess wird vor allem durch Siebe und Ge-
bläse versucht, die Fremdstoffe aus dem Material herauszuholen, was sehr aufwendig ist. Dabei gibt es ein Problem. „Kunststoff kann nie restlos aus dem Biomüll wieder herausgeholt werden. Deshalb ist die beste Waffe gegen Mikroplastik, erst gar keine Folienbeutel, Joghurtbecher oder sonstige Verpackungen in die braune Tonne zu werfen“, sagt Schwarz.
Um dafür bei den Menschen im Landkreis ein stärkeres Bewusstsein zu schaffen, verteilen die Trupps, die den Biomüll im Bodenseekreis abholen, seit dem Sommer 2017 gelbe Karten. Diese kleben sie an die braune Tonne, wenn dort nicht nur kompostierbarer Müll drin ist. Die Tonne bleibt dann voll stehen. Schwarz
schätzt, dass die Mitarbeiter im Sommer des vergangenen Jahres rund 6000 rote Karten geklebt haben. Die Aktion sei zunächst einmal erfolgreich gewesen. „Als wir die Karten durch die Abfuhrtrupps haben kleben lassen und das Thema auch medial sehr präsent war, wurden spürbar weniger Fremdstoffe in die Biotonnen geworfen. Das ist wochenaktuell zwar nicht mit vertretbarem Aufwand messbar, aber die gut sichtbaren Plastiktüten und Kunststoffverpackungen waren deutlich weniger“, sagt Schwarz. Mittlerweile sei der Anteil von Fremdstoffen im Biomüll wieder angestiegen, weil die Karten nicht mehr so oft geklebt werden. Doch das Landratsamt macht weiterhin stichprobenartige Kontrollen.
Das Bewusstsein für Plastikmüll habe sich in den vergangenen Jahren bei den Menschen intensiviert. „In Friedrichshafen haben wir schon einige Einzelhändler davon überzeugt, keine Plastiktüten mehr herauszugeben. Auch der wiederverwendbare Coffee-to-Go-Becher, den der Landkreis eingeführt hat, ist ein Fortschritt“, sagt er. „Die Entwicklung geht insgesamt in eine positive Richtung, aber das reicht noch nicht. Letztlich hängt es auch an der Verpackungsindustrie“, sagt Michael Wlaka.
In der Serie „ Der Weg des Mülls“beschäftigt sich die Schwäbische Zeitung in den kommenden Wochen mit verschiedenen Themen rund um den Abfall und dessen Verwertung. Heute geht es um Mikroplastik.