Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Wider die Unanständigen
WWenn sich Seid Ra’ad AlHussein, der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, schockiert äußert, dann geht es in der Regel um die Zustände in scheiternden oder längst gescheiterten Staaten. Dann geht es um das verachtenswerte Tun von Despoten und Diktatoren. Dieses Mal ging es um Deutschland, um Chemnitz, um Hitlergrüße und Jagdszenen auf offener Straße am hellichten Tag.
Es ist eine Schande, dass sich der oberste Menschenrechtler der Vereinten Nationen in einem der letzten Statements seiner Amtszeit mit Zuständen in unserem Land befassen muss. Und es ist nichts weniger als eine gesamtgesellschaftliche Pflicht, dafür zu sorgen, dass es nicht zu der Zeitenwende kommt, die Extremisten innerhalb und außerhalb der Parlamente beschwören. Politik, Sicherheitsbehörden, alle anständigen Bürger haben ihren Teil dazu beizutragen, dass die geistigen Brandstifter, ihre willfährigen Unterstützer und die zu vielen gedanken- und skrupellosen Mitläufer nicht die Oberhand gewinnen.
Wenn nun der Haftbefehl gegen den 22-jährigen Iraker, der in Chemnitz einen 35-jährigen Deutschen erstochen haben soll, im Netz veröffentlicht wird, dann ist das keine Bagatelle und weit mehr als eine Straftat. Da gießt jemand bewusst Öl ins Feuer, das die üblichen Verdächtigen von AfD und Pegida unter Zuhilfenahme sozialer Medien dann genüsslich weiter schüren. Ziel der Rechten ist es, am Samstag bei einem angeblichen Schweigemarsch in Chemnitz wieder Tausende auf die Straßen zu bringen. Es steht nach den Erfahrungen vom Montag zu erwarten, dass ihnen das auch gelingen wird.
Das allein ist nicht schlimm. Der Rechtsstaat hat auch in diesem Fall dafür zu sorgen, dass die Menschen von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen können. Er hat aber auch zu garantieren, dass es dabei nicht wieder zu kriminellen, verachtenswerten Auswüchsen kommt. Das ist die Pflicht von Politik und Polizei. Die Pflicht der anständigen Bürger ist es, sich den Unanständigen entgegenzustellen. Friedlich. Laut. Und in großer Zahl.