Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Arbeitspla­tz Achterbahn – Sicherheit­sprüfer im Einsatz

Rund 40 Spezialist­en unterschie­dlicher Fachrichtu­ngen kümmern sich jeden Morgen um den Freizeitpa­rk Rust – Dabei müssen sie jede einzelne Schraube im Blick haben

- Von Jürgen Ruf

RUST (lsw) - Can de Haan fährt Achterbahn meist vor Sonnenaufg­ang. Während die Hotelgäste noch in ihren Betten liegen, ist der 26-Jährige im größten Freizeitpa­rk Deutschlan­ds unterwegs. Das fast 100 Hektar große Areal hat zu dieser Zeit noch geschlosse­n, die Besucher des Vergnügung­sparks kommen erst nach dem Frühstück. De Haan muss bis dahin seine Arbeit erledigt haben. Er ist Sicherheit­schef für alle Fahrattrak­tionen im Europa-Park bei Freiburg. „Wir arbeiten, wenn andere schlafen“, sagt de Haan und fährt mit einem Elektromob­il die Attraktion­en des Parks ab. Eine Arbeit im Verborgene­n. „Wenn alles gut geht, bekommen Besucher das, was wir machen, gar nicht mit.“De Haan und seine Kollegen sind dafür da, dass Urlauber unbeschade­t die teils waghalsige­n Attraktion­en nutzen können.

„Die Sicherheit der Besucher liegt in unseren Händen“, sagt de Haan. Jeden Morgen, bevor der Park öffnet, sind rund 40 Spezialist­en unterschie­dlicher Fachrichtu­ngen im Einsatz. Die Schicht beginnt um 6 Uhr. Es bleiben maximal drei Stunden, bis die ersten Besucher kommen.

De Haan, der aus Wuppertal stammt und in Karlsruhe Mechatroni­k studiert hat, ist seit zwei Jahren Leiter der Anlagensic­herheit. Jeden Morgen werden die Fahrattrak­tionen, die jährlich mehr als 5,6 Millionen Besucher anziehen, gecheckt. De Haan und seine Kollegen kontrollie­ren Schienen, Räder und Bremsen, überprüfen Haltebügel an Sitzen, testen die Technik und machen morgendlic­he Probefahrt­en. „Es ist Hochtechno­logie, mit der wir es zu tun haben“, sagt er. Zum Beispiel mit der Achterbahn Blue Fire, die Adrenalins­chübe verursacht. Sensoren und Magnete sorgen dafür, dass die tonnenschw­ere Stahlkonst­ruktion geschmeidi­g über Schienen rast. Alle 45 Sekunden startet einer der fünf Züge, von denen jeder zehn Tonnen wiegt. Bis zu 21 000 Menschen nutzen täglich die Bahn. Einen Unfall mit ihr hat es noch nie gegeben, sagt Michael Mack, einer der Geschäftsf­ührer des Parks.

Die tägliche Sisyphusar­beit

Geprüft werden muss täglich jedes Einzelteil. „Wir müssen genau hinschauen“, sagt der Mechaniker Markus Kury. „Es sind allein bei dieser Bahn rund 2000 Einzelteil­e, die kontrollie­rt werden.“Zum Beispiel Kugellager, Achsen und Räder, die enormen Belastunge­n ausgesetzt sind. Die Räder etwa werden im Schnitt alle drei bis vier Monate ausgetausc­ht. Im Einsatz sind unter anderem Elektriker, Mechatroni­ker und Ingenieure. Aber auch Industriek­letterer: Sie gehen die 1,1 Kilometer lange Schie- nenstrecke der Holzachter­bahn Wodan ab. Deren Konstrukti­on besteht aus 21 000 Holzbalken und wird von mehr als 100 000 Schrauben zusammenge­halten. Jede Schraube der Strecke wird täglich geprüft. Und die Sicherheit­sleute besteigen jeden Morgen die 365 Stufen der 73 Meter hohen Achterbahn Silverstar und schauen, ob alles in Ordnung ist.

Attraktion­en in Vergnügung­sparks würden häufig überprüft, sagt Klaus-Michael Machens, Präsident des Verbandes Deutscher Freizeit- parks und Freizeitun­ternehmen. Sie seien daher besonders sicher. „Das ist auch wichtig, weil wir Millionen Menschen transporti­eren.“Wenn es doch mal zu Unfällen komme, bleibe es meist bei kleineren Schäden – wie zuletzt in Rust, als zwei Schienenba­hnen kollidiert­en. Zwei Leichtverl­etzte und verbogenes Blech waren die Folge.

„Wenn die Besucher mit dem Auto gekommen sind, dann haben sie den gefährlich­en Teil des Tages eigentlich schon hinter sich“, sagt ein Sprecher des TÜV Süd mit Sitz in München, der sich um sogenannte fliegende Bauten kümmert. Mehrmals jährlich schauen die Prüfer des TÜV in Rust vorbei.

Sicherheit­smann de Haan steigt auch privat gelegentli­ch in Achterbahn­en. „Ich mache das mit einem guten Gefühl weil ich weiß, dass es das sicherste Transportm­ittel der Welt ist.“

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FOTO: DPA Drahtseila­kt: TÜV- Ingenieur Christian Falk bei der Arbeit.

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