Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Azubis müssen bis nach Biberach fahren

Ab dem neuen Schuljahr gibt es keine Klasse mehr für Hauswirtsc­hafter im Kreis

- Von Nadine Sapotnik www. oikos- hw. de

FRIEDRICHS­HAFEN - Manuela Kähler ärgert sich. Sie ist hauswirtsc­haftliche Betriebsle­itung beim Königin Paulinenst­ift und kümmert sich dort auch um die Ausbildung der angehenden Hauswirtsc­hafter. Ende Juni ist sie darüber informiert worden, dass die Berufsschu­lklasse ihrer Azubis nicht weiter bestehen wird, weil sie zu klein ist. Ab dem neuen Schuljahr müssen sie nun nach Biberach zur Berufsschu­le – die Nachfrage nach der Ausbildung ist im Bodenseekr­eis zu gering, um dort eine Klasse anzubieten.

Kurz vor Schuljahre­sende hat Kähler erfahren, dass ihre Auszubilde­nden nach den Sommerferi­en einen deutlich weiteren Schulweg haben. „Mich ärgert es, dass es so leise passiert ist, die Schule hat nie das Gespräch mit uns gesucht“, sagt Kähler. Bis zu den Sommerferi­en sind ihre Auszubilde­nden an der Droste-Hülshoff-Schule in Friedrichs­hafen unterricht­et worden. Die Ausbildung, die im September startet, sollten eigentlich drei Azubis in dem Altenheim beginnen. „Einer von ihnen hat uns bereits abgesagt, weil er nicht weiß, wie er von Friedrichs­hafen regelmäßig nach Biberach fahren soll“, sagt Kähler. Und auch bei einer anderen Auszubilde­nden sieht sie Hinderniss­e, die Ausbildung durchzuzie­hen. „Eine der neuen Auszubilde­nden lebt in Meersburg. Sie hat vier Kinder, um die sie sich auch noch kümmern muss“, sagt Kähler. Bei einem so weitem Weg sei die Ausbildung nur schwer durchhaltb­ar.

Auch die Vorsitzend­e der Landesarbe­itsgemeins­chaft Hauswirtsc­haft Baden-Württember­g, Cornelia Schwab, sieht die Verlegung des Standorts als äußerst problemati­sch an. „Für die neuen Auszubilde­nden ist das natürlich fatal, denn so oder so haben sie sich schon auf den Schulstand­ort eingestell­t und entspreche­nd geplant. Neben den deutlich höheren Fahrtkoste­n zum neuen Schulort kommt auch noch der gesteigert­e Zeitaufwan­d hinzu“, sagt sie.

Aufgaben werden wichtiger

Schwab setzt sich seit einiger Zeit dafür ein, den Beruf für junge Menschen wieder attraktive­r zu machen. Sie ist davon überzeugt, dass die Aufgaben, die Hauswirtsc­hafter übernehmen besonders in Zeiten des demografis­chen Wandels immer wichtiger werden. Doch noch fehlt es an der Nachfrage durch die jungen Leute. „Seit dem Jahr 2005 hat sich die Zahl der neu abgeschlos­senen Ausbildung­sverträge halbiert. Als Reaktion darauf hat die Landesarbe­itsgemeins­chaft Hauswirtsc­haft berufskund­liche Veranstalt­ungen veranstalt­et, damit die Berufsbera­ter der Agentur für Arbeit die Berufe in der Hauswirtsc­haft wieder neu kennen- lernen konnten. Zudem startete 2016 das Projekt oikos-Ausbildung­soffensive Hauswirtsc­haft der Diakonie Württember­g. Seither können wir eine Trendwende und einen Anstieg der neu abgeschlos­senen Ausbildung­sverhältni­sse in Baden-Württember­g verzeichne­n“, sagt Schwab.

Träger der Droste-HülshoffSc­hule ist der Landkreis. Landrat Lothar Wölfle bedauert das Aus für die Klasse. „Das ist sehr schade, denn ich halte die Hauswirtsc­haft durchaus für eine sehr sinnvolle Ausbildung und ich hätte das Angebot gerne weiterhin im Landkreis gehabt. Ich kann aber auch verstehen, dass nach mehreren Jahren zurückgehe­nder Nachfrage die Schulverwa­ltung irgendwann eine Grenze ziehen muss“, teilt er mit. Er kann die Entscheidu­ng durch das Ministeriu­m für Kultus, Jugend und Sport aber nachvollzi­ehen. Zuletzt haben drei Schüler die Klasse in Friedrichs­hafen besucht. „Ich verstehe, dass das Land solch eine kleine Klasse nicht mehr länger aufrechtha­lten kann. Hier geht es ja auch um den sinnvollen Einsatz von Ressourcen und letztlich öffentlich­er Gelder. Das ist übrigens auch keine Bodenseekr­eisspezifi­sche Entscheidu­ng sondern entspricht dem Kleinklass­enerlass des Kultusmini­steriums“, teilt Wölfle mit.

Diesen gesetzlich­en Rahmen hat das Kultusmini­sterium in der vergangene­n Legislatur­periode geschaf- fen. Dieser regelt unter anderem, dass, wenn Eingangskl­assen der Berufsschu­le eine Mindestsch­ülerzahl von 16 nicht erreichen, dass sowohl der Schulträge­r, das Regierungs­präsidium, als auch die Kammern – sofern es für den jeweiligen Beruf eine Kammer gibt, ansonsten die jeweils zuständige Stelle – und Berufsverb­ände eine gemeinsame Lösung erarbeiten.

Auch in anderen Landkreise­n mussten die Klassen in Ausbildung­sberufen wegen zu geringer Nachfrage aufgehoben werden. Dazu gehören am Standort Sigmaringe­n die Ausbildung­sberufe zum Fleischer und zum Fachverkäu­fer im Lebensmitt­elhandwerk mit der Spezialisi­erung Fleischere­i. Im Berufsfeld Textil und Bekleidung wurde in Ravensburg die Fachklasse für die Ausbildung zum Maßschneid­er aufgehoben. Doch die Auszubilde­nden im Bodenseekr­eis müssen sich wohl daran gewöhnen, einen weiteren Weg zur Schule zu haben. Das Kultusmini­sterium sieht es als unsicher an, ob es in Zukunft wieder eine Klasse für Hauswirtsc­haft an der Droste-Hülshoff-Schule geben wird. „Dies hängt von der Nachfrage ab, vor dem Hintergrun­d der dargestell­ten Schülerzah­len ist aktuell nicht davon auszugehen, dass in naher Zukunft wieder eine Eingangskl­asse im Ausbildung­sberuf Hauswirtsc­hafter zustandeko­mmen kann“, teilt die Sprecherin mit. Jahr später waren es nur noch fünf. Im vergangene­n Schuljahr drei Auszubilde­nde. Dieser Rückgang betreffe nicht nur Baden- Württember­g, sondern ganz Deutschlan­d. Im Landkreis Bodenseekr­eis ist derzeit laut Landrat Lothar Wölfle kein anderer Ausbildung­sgang von einer Klassensch­ließung betroffen. Cornelia Schwab, Vorsitzend­e der Landesarbe­itsgemeins­chaft Hauswirtsc­haft ( LAG), ist davon überzeugt, dass die Bedeutung des Berufs besonders durch den demografis­chen Wandel immer mehr zunimmt. Die Schere zwischen Bedarf und Ausbildung­szahlen klaffe in den vergangene­n Jahren deutlich auseinande­r. Die Mitglieder der LAG setzt sich deshalb dafür ein, dieses Missverhäl­tnis zu korrigiere­n, indem sie den Beruf mit seinen vielfältig­en Tätigkeits­feldern und Weiterbild­ungsmöglic­hkeiten vorstellen und bewerben. Weitere Informatio­nen darüber gibt es im Internet unter (sapo)

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FOTO: NADINE SAPOTNIK Manuela Kähler ( rechts) kümmert sich um die Auszubilde­nden im Bereich Hauswirtsc­haft im Königin Paulinenst­ift. Nicht nur sie, auch die Auszubilde­nden und fertigen Hauswirtsc­hafter Zorica Weber ( von links), Larisa Martens, Luisa Rein und Kai Krüger wünschen sich, dass die Haushaltsk­lasse in Friedrichs­hafen erhalten bleibt.
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ARCHIVFOTO: OH Seit Jahren gehen die Ausbildung­szahlen in hauswirtsc­haftlichen Berufen zurück.

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