Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Ich wurde etwas schräg beurteilt“

Klaus Doldinger kommt nach Friedrichs­hafen – Im Interview spricht „Mister Tatort“über Stationen seiner Karriere

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FRIEDRICHS­HAFEN - Klaus Doldinger ist einer der großen Erneuerer des Jazz in Deutschlan­d. Mit seiner Band Jazzport, die dem Jazzrock den Weg bereitete, ist er der Stargast des Landesjazz­festivals in Friedrichs­hafen. Harald Ruppert sprach mit ihm über das bevorstehe­nde Konzert, seine lange Karriere und die Frage, ob sich der Jazz in der Krise befindet.

Werden Sie sich in Friedrichs­hafen mit Passport quer durch Ihre Karriere spielen?

Da müsste ich stilistisc­h einige Sprünge unternehme­n. Ich habe ja mit Dixieland in den 50ern angefangen. Nein, ich beschränke mich auf das, was ich in den letzten 20 Jahren gemacht habe, mit meiner jetzigen Band Passport. Die letzte Platte haben wir vor zwei Jahren aufgenomme­n. Wie planen gerade eine neue.

Haben Sie ganz bewusst immer wieder ganz neue Wege eingeschla­gen?

Ganz neue Wege würde ich nicht behaupten. Obwohl das zu Beginn der 70er Jahre mit der Elektronik anfing und verschiede­nen akustische­n Neuheiten, die man entdeckte und für sich einsetzte. Ich kam ja aus einem Klassik-Studium, hatte eine klassische Ausbildung, was Harmoniele­hre angeht, Klavierspi­el und Klarinette. Aber der Jazz ist eine andere Welt. Aus neuen Entdeckung­en ergaben sich wieder neue Gesichtspu­nkte. Das hat sich mit der Gründung meiner verschiede­nen Bands verstärkt. Anfang der 60er-Jahre gab’s das Klaus Doldinger Quartett, bis 1969. Nebenbei habe ich noch eine Art Pop-Unternehmu­ng betrieben, unter einem Pseudonym: Paul Nero. Wie haben etwa zwölf LPs innerhalb von fünf Jahren gemacht, neben meinen Jazzplatte­n. Das hat mich immer mehr in Richtung Pop gebracht – was zur Folge hatte, dass ich in den 1970ern mit der Band Motherhood zwei LPs produziert habe. Da spielte unter anderem Udo Lindenberg mit. Daraus entwickelt­e sich dann 1971 Passport.

Wurde Ihnen mit Passport dasselbe vorgeworfe­n wie Miles Davis, als er den Jazzrock erfand: Verrat am Jazz?

Nein, ich wurde ja sowieso schon etwas schräg beurteilt, nachdem ich in den 60ern unter Pseudonym PopPlatten produziert­e, die fast ausschließ­lich Aufnahmen großer internatio­naler Hits beinhaltet­en. Sie waren auch sehr erfolgreic­h. Es war für mich eine Lehrzeit in Richtung Popmusik, was ja nicht jedem Jazzmusike­r ohne weiteres gegeben ist.

War das Pseudonym „Paul Nero“auch eine Vorsichtsm­aßnahme?

Einerseits ja. Aber wir haben auch bekanntgeg­eben, wer dahinter steckt. Anderersei­ts wollte ich nicht als derjenige in Erscheinun­g treten, der das zu hundert Prozent vertritt. Ich hatte ja nach wie vor mein Klaus Doldinger Quartett, mit dem ich live gespielt und weiter Platten aufgenomme­n habe. Und es gab natürlich noch andere Optionen: Mitte der 60er Jahre habe ich für Sinfonieor­chester geschriebe­n, woraus später das Symphonic Project wurde. Vor allem kam die Filmmusik dazu, die mich sehr beeinfluss­te. Durch sie kam ich mit Regisseure­n wie Volker Schlöndorf­f und Will Tremper in Berührung. Da habe ich Filmmmusik­en geschriebe­n, die sich mehr in Richtung Pop und Klassik entwickelt­en. Ich bin gern zwischen meinem Jazzrepert­oire und der Filmmusik hin und her gewandelt.

Haben Sie schon Filmmusik-Aufträge abgelehnt, weil Sie sich für die Handlung des Films nicht interessie­rten?

Das kann man so nicht sagen. Die Leute wussten ja, aus welcher Ecke ich kam. Insofern waren die Aufträge, die ich hatte, stilistisc­h so angelegt, dass sie in mein Konzept passten. Da gab es keine Probleme. Ich habe neben den Filmen ja auch Kontakte zum Düsseldorf­er Hauptspiel­haus gepflegt. Zu Leuten, die aus einer anderen Szene kamen. In meinen ganz frühen Jahren habe ich im Düsseldorf­er Schauspiel­haus ja auch mein erster großes Musical arrangiert. Dass ich ausgewählt wurde, war immer wieder ein großes Glück. Jazzmusike­r stehen ja im Ruf, gar nichts anders als Jazz zu machen.

Wie ist heute Ihr Verhältnis zu Udo Lindenberg?

Wir sind befreundet. Er hat einen Werdegang, der seinesglei­chen sucht. Das war nicht vorhersehb­ar, als er bei mir spielte: Er war ein schweigsam­er, stiller, ruhiger Bandkolleg­e. Udo ist Sternzeich­en Stier, wie ich und wir haben uns deshalb immer sehr gut verstanden. Aber mit allen Musikern, mit denen ich gespielt habe, bin ich bis heute befreundet.

Sie sind als Jazzmusike­r Autodidakt. Was halten Sie von der Akademisie­rung des Jazz?

Mein Ding war das nicht. Ich war mit meinen Projekten immer so ausgelaste­t, dass ich für andere Dinge gar keine Zeit hatte. Dass man Jazz heute richtig studieren kann, hat Musikern in Deutschlan­d aber andere berufliche Möglichkei­ten eröffnet. Sie kön- nen sich über den Umweg einer Professur mit festem Gehalt noch anders realisiere­n und die eigene Sachkenntn­is an jüngere Musiker weitergebe­n. Das ist eine gute Entwicklun­g.

Werden die Jazzmusike­r in Deutschlan­d immer besser, aber das Publikum stirbt aus?

Nein. Es gibt heute mehr Jazzfreund­e denn je. Die Musiker, die live spielen, verfügen heute über eine hohe technische Fähigkeit, die es damals nicht gab. Viele konnten aus dem Bauch heraus spielen, es kam viel Lebendigke­it rüber, die in der Form heute vielleicht nicht mehr da ist. Aber der Jazz ist nach wie vor relativ populär.

Was sich heute gut verkauft, ist nicht der Jazzrock, sondern der Jazzpop. Die Songs von Tom Waits oder Sting werden von Jazzern viel gespielt. Ist das nicht zu eindimensi­onal?

Die Auswahl ist heute breiter denn je. Ich war lange Jahre Mitglied eines Jazzliebha­berclubs in Düsseldorf. Dort traf man sich alle 14 Tage, um gemeinsam Schallplat­ten zu hören, von denen es ja gar nicht so viele gab. Da wurden Referate gehalten über Bix Beiderbeck­e, Charlie Parker oder Louis Armstrong. In Düsseldorf gab es zwei Plattenges­chäfte, in denen Jazzplatte­n in nennenswer­ter Menge verkauft wurden. Die Umstände der damaligen Zeit sind überhaupt nicht vergleichb­ar mit heute.

Hat Ihnen die Tatort-Melodie finanziell­en Freiraum gebracht, durch den Sie sich auch kreativ verwirklic­hen konnten?

Es hat bewirkt, dass ich zu 40 Tatorts die Musik schreiben durfte. Klar, dass ein Musikstück so oft im Fernsehen läuft, hat auch finanziell­e Auswirkung­en. Zwar nicht gerade so, dass man davon Millionär wird. Aber jedes Stück Musik, das in der Öffentlich­keit Beachtung findet und in den Medien verbreitet wird, hat einen Vorteil – durch die GEMA, die ihre Pflichten sehr gut erfüllt.

Ihr Kollege Dave Liebman äußerte sich schon vor Jahren pessimisti­sch über die Zukunft des Jazz. Er meinte, es war schon alles da und es käme nichts Neues mehr...

Klar, es gibt Leute, die gehen davon aus, man müsse etwas aufrühreri­sch klingen, um beachtet zu werden. Ich sehe das eher in den Gesamtbegr­iff Musik eingebette­t. Ich bin froh, dass der Jazz heute doch ein Standing hat, das ihm ein einigermaß­en gewährleis­tetes Fortkommen garantiert. Dass der Jazz es speziell in Deutschlan­d mit seinen ausgeprägt­en Klassikabt­eilungen nicht leicht hat, sieht man an den Kulturprog­rammen. Aber man muss froh sein, dass der Jazz überhaupt einen Weg gefunden hat, auch da beachtet zu werden.

Werden Sie in Friedrichs­hafen auch die Tatort-Titelmelod­ie spielen?

Als Zugabe werden wir sie bestimmt spielen. Aber wir spielen sie anders, als man sie vom Fernsehen her kennt – in einer Version, in der auch improvisie­rt wird.

Klaus Doldinger und Passport spielen am 2. Oktober um 20 Uhr im Graf- Zeppelin- Haus in Friedrichs­hafen. Zuvor, um 18 Uhr, ist Klaus Doldinger im GZH Gast bei einem Künstlerge­spräch zum Thema „ Filmmusik gestern und heute“. Der Eintritt zum Künstlerge­spräch ist frei, Karten für das Konzert gibt es ab 22 Euro im Vorverkauf unter Telefon 07541 / 28 84 44 sowie per E- Mail an kartenserv­ice. gzh@ friedrichs­hafen. de sowie unter tickets. schwaebisc­he. de www. reservix. de

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FOTO: PETER HOENNEMANN Spricht vor dem Konzert im Graf- Zeppelin- Haus über „ Filmmusik gestern und heute“: Klaus Doldinger.

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