Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Die perfekte „Work-Life-Balance“gefunden
„Häfler aus aller Welt“: Familie Kordic aus Australien genießt in ihrer neuen Heimat auch die kurzen Wege
FRIEDRICHSHAFEN - Menschen aus rund 120 Nationen leben laut aktueller Statistik in Friedrichshafen und tragen zur kulturellen Vielfalt in der Stadt bei. Viele von ihnen sind längst am Bodensee zuhause und identifizieren sich mit ihrer neuen Heimatstadt. In der Serie „Häfler aus aller Welt“stellen wir Frauen und Männer vor, die uns an ihrem Lebensweg teilhaben lassen und erzählen, warum sie sich im Hafen so wohlfühlen. Heute: eine Familie aus Down Under, die sich in ihren neuen Lifestyle verliebt hat.
Dass Leute von Deutschland nach Australien auswandern, ist ja nicht ganz so ungewöhnlich. Es funktioniert aber auch andersherum – und sogar sehr gut. Bestes Beispiel dafür sind Kristine und Phil Kordic und ihre beiden Kinder Alison und Tom. Sie haben die Metropole Perth im Westen des fünften Kontinents gegen ein vergleichsweise beschauliches Städtchen eingetauscht – und fühlen sich rundum glücklich dabei. „In Australien konzentriert sich vieles auf die großen Städte. Dort herrscht auch ein sehr schnelles, hektisches Leben“, erzählt die 48jährige Kristine. „Wir sind deshalb nicht nach Europa oder Deutschland, sondern gezielt nach Friedrichshafen und an den Bodensee gezogen. Uns gefällt einfach dieser für uns neue Lifestyle.“
Ideengeber war in diesem Fall Phil Kordic. Als Maschinebauingenieur arbeitete er bei MTU Australien, was ihn geschäftlich öfters mal in den Hafen führte. „Ich habe mich jedes Mal sofort zuhause gefühlt“, erinnert sich der 45Jährige. Zweimal wurde er auf diesen Geschäftsreisen von seiner Frau begleitet – auch sie war gleich begeistert. „Vielleicht können wir eines Tages hier leben?“Dieser Überlegung stellte man sich – und bekam bald die Gelegenheit dazu. „In Friedrichshafen war eine für mich passende Stelle ausgeschrieben. Und so haben wir uns die Chance, eine neue Lebenserfahrung zu machen, nicht entgehen lassen“, sagt Phil. Im September 2012 zog die Familie um, wohnt heute im eigenen Häuschen in Meistershofen – und freut sich über den freundschaftlichen Kontakt zu den neuen Nachbarn. „Sie passen auf unseren Kater Wilbur auf, wenn wir mal weg sind“, kommt Kristine Kordic ins Plaudern. „Und an dessen Geburtstag wird jedes Jahr am 1. Mai mit Kuchen gefei- ert.“Auch dass man den trennenden Zaun zwischen beiden Grundstücken längst entfernt hat, spricht Bände. „Einen guten Job zu bekommen und gleichzeitig in einer verhältnismäßig kleinen Stadt zu leben, das funktioniert hier prima – in Australien ist das kaum möglich“, so die Erfahrung von Phil Kordic, der mit seiner Ingenieurstätigkeit bei MTU im Vertrieb für Schiffsmotoren sehr zufrieden ist. Aber auch für seine Frau haben sich die gewünschten beruflichen Türen aufgetan. Die Informatikerin arbeitet als Dozentin an der Zeppelin-Universität und der Dualen Hochschule Baden-Württemberg – und darüber hinaus als Grundschullehrerin an der Suisse International School (SIS).
Statt früher eine volle Autostunde in Kauf zu nehmen, fährt der Familienvater heute in fünf Minuten mit dem Fahrrad zur Arbeit. Die Mutter findet in ihrer Freizeit beim Joggen durch die Obstanlagen den „allerbesten Platz zum Laufen“, die zehnjährige Tochter Alison ist Klassensprecherin im Karl-Maybach-Gymnasium, der achtjährige Sohn Tom geht derzeit noch auf die SIS-Grundschule. Die Kinder haben genügend Gelegenheit, um ganz in der Nähe Leichtathletik zu treiben, Tennis zu spielen oder anderen sportlichen oder kulturellen Hobbys nachzugehen. Im Winter hat man - nicht zuletzt auch dank der kurzen Wege nach Österreich und in die Schweiz - das Skifahren als neue Leidenschaft entdeckt. Kurzum: Die ganze Familie hat die für sie perfekte „Work-Life-Balance“gefunden.
Selbstredend, dass die beiden Kinder längst perfekt Deutsch reden. Die Erwachsenen tun sich damit noch etwas schwerer – auch wenn’s zweimal pro Woche zum Deutschkurs in die Volkshochschule geht. „Manchmal nervt es mich schon ein bisschen, dass ich immer wieder für meine Eltern dolmetschen muss“, sagt Alison mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Keine Angst, das wird schon noch.