Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Falsche Polizisten: Angeklagter bricht sein Schweigen
Mutmaßlicher Mittelsmann einer Betrügerbande weist Vorwürfe zurück und bezichtigt Zeugen der Lüge
FRIEDRICHSHAFEN - Auch am siebten Tag der Berufungsverhandlung gegen den mutmaßlichen Mittelsmann einer internationalen Betrügerbande hat es am Landgericht Ravensburg am Mittwoch noch keinen Urteilsspruch gegeben. Dafür aber erstmals eine Erklärung des 28-jährigen Angeklagten, die er seinen Verteidiger verlesen ließ. Darin wies er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück und bezichtigte den Hauptbelastungszeugen der Lüge.
Bei dem Angeklagten soll es sich um den sogenannten Logistiker einer Bande von Betrügern handeln, die von der Türkei aus ältere Menschen in Deutschland anrufen, sich als Polizisten ausgeben und ihre Opfer dazu bringen, ihnen größere Geldsummen zu überlassen. Aufgabe des Logistikers ist es, im Auftrag der Hintermänner die Abholung des Geldes zu organisieren. Dies soll der 28-Jährige von einer Shisha Bar in Bremen aus getan haben. Richter und Schöffen am Amtsgericht Tettnang sahen es als erwiesen an, dass er in einem konkreten Fall in Friedrichshafen, wo es um 100 000 Euro ging, die beiden Geldabholer beauftragt hat. Das Tettnanger Urteil: eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten. Die Geldabholer waren zuvor bereits zu Bewährungsstrafen verurteilt worden.
Gegen das Urteil legten sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft Berufung ein, weshalb der Fall am Landgericht Ravensburg seit Juli erneut aufgerollt wird. Kurz vor Abschluss der Beweisaufnahme äußerte sich der Angeklagte nun erstmals selbst zu den Vorwürfen – in Form ei- ner von seinem Verteidiger verlesenen Erklärung. Darin bestritt er ausdrücklich, die Geldabholer beauftragt zu haben und lieferte eigene Erklärungen für verschiedene Indizien, die aus Sicht von Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft, Richter und Schöffen ein Gesamtbild ergeben hatten, das zusammen mit den detaillierten, belastenden Aussagen eines der beiden Geldabholer letztlich zum Schuldspruch geführt hatte. Ferner wies der Angeklagte darauf hin, dass diese angeblichen Indizien in keinem Zusammenhang mit der ihm vorgeworfenen Straftat stünden – und kritisierte, dass die Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen nicht ordentlich geprüft worden sei. In seiner ersten polizeilichen Vernehmung hatte der Geldabholer zunächst einen anderen Beteiligten als Auftraggeber genannt und erst nach einem Verteidigerwechsel den nun Angeklagten ins Spiel gebracht. Dessen Verteidiger argumentierte bislang so, dass vor al- lem die Aussicht auf eine mildere Strafe für sich selbst zu dieser belastenden Aussage geführt haben soll. Um die Glaubwürdigkeit des Zeugen zu erschüttern, beantragte er, einen weiteren Zeugen aus Bremen zu laden – gegen den übrigens in einem anderen Betrugsfall mit der Polizistenmasche ermittelt wird. Dieser Mann berichtete nun, dass er am Morgen der Geldabholung gemeinsam mit dem Belastungszeugen in Bremen ein Auto gemietet und ein anderes Mietfahrzeug zurückgegeben habe – was sich anhand der Unterlagen des Vermieters offenbar belegen lässt und den Aussagen des Belastungszeugen widerspricht. Dieser hatte ausgesagt, dass er an jenem Morgen vom Angeklagten abgeholt und auf der Fahrt zur Shisha Bar mit der Fahrt an den Bodensee beauftragt worden sei.
Fortgesetzt wird die Verhandlung am Landgericht Ravensburg am 6. September.