Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Dieses Haus will entdeckt werden

Aus einer Stadtvilla wird ein Hotel mit Geschichte – Historisch­es, aber sehr lebendiges Ambiente

- Von Ralf Schäfer

FRIEDRICHS­HAFEN - Christine Elisabeth Ulmer, geborene Kricheldor­ff, ist in einem Frauenhaus­halt aufgewachs­en. Aus der Villa in der Schmidstra­ße hat sie heute ein kleines Hotel mit vier Zimmern gemacht – ein Haus, das seine Geschichte all denen erzählt, die es betreten. Ein Haus, das gefunden und entdeckt werden will.

„Dieses Haus hat eine sehr gute Ausstrahlu­ng“, sagt Christine Ulmer heute. Sie ist hier als Kind bei der Großmutter und der Mutter aufgewachs­en, nachdem der Vater im Krieg gefallen war. An ihn erinnert sie sich nicht, sie war damals ein Jahr alt. Der Großvater hatte in Fischbach einen Mineralölh­andel, die Familie hieß Birkenmaye­r. Doch auch der Großvater verstarb schon 1952, was dazu führte, dass seine Tochter, die Mutter von Christine Ulmer, das Geschäft weiterführ­te. Die drei Frauen lebten in drei Generation­en in diesem Haus, das heute grundsanie­rt in den Originalzu­stand versetzt wurde. „Nur die Leitungen, die Technik und die Böden sind neu gemacht worden“, erzählt Christine Ulmer.

Gebaut wurde das Haus 1912 vom Großvater, der zu der damaligen Zeit noch in der Zeppelin-Apotheke lebte. Christine Ulmers Mutter ist dort auch geboren, das war 1908. Heute befinden sich noch immer die alten Möbel im Haus, das Ambiente wirkt deswegen aber nicht historisch, sondern sogar sehr lebendig. Hier ist nichts aufgesetzt, gekünstelt oder oberflächl­ich. Die Zeiten haben ihre Spuren hinterlass­en und sie sind noch immer nachvollzi­ehbar. Kunstwerke, die die Familie gekauft habt, sind ebenso noch zu sehen, wie Möbel aus diesen Epochen.

Im Frühstücks­raum, früher Speisezimm­er, steht ein Klavier, liegt eine Flöte und im Schrank stehen noch die Bücher, die die drei Frauen damals gelesen haben. Die Großmutter spielte Zither, die Mutter Klavier, sie selbst spielt Cello, erzählt Christine Ulmer. Spätestens hier wird die Ausstrahlu­ng deutlich, von der Christine Ulmer spricht, der ganz persönlich­e Wert des Hauses, den schon ihre Mutter immer schätzte und der für sie sehr wichtig war. „An dieser Ausstrahlu­ng möchte ich die Menschen teilhaben lassen, die hierher kommen“, sagt sie und denkt kurz über die Frage nach, wie sich das anfühle, wenn heute fremde Menschen in ihrem Elternhaus, in dem sie selbst groß geworden ist, leben und wohnen. „Das hat sehr viel mit Vertrauen zu tun“, sagt sie.

Das Hotel ist für sie der Weg, das Haus zu erhalten, schließlic­h führt sie auch ein eigenes Leben. Sie hat Rolf Ulmer geheiratet, Sohn des früheren Direktors der Kreisspark­asse Friedrichs­hafen, Julius Ulmer. Der habe damals die Sparkasse von der Karlstraße an den Standort Salzstadel gebracht, wo heute das K42 steht. Mit ihrem Mann hat sie in Konstanz eine Apotheke, und das Haus in der Schmidstra­ße könne auf diesem Weg weiter als wichtiger Ort der Familie erhalten bleiben. Verwaltet wird es von Sabine Kahn, die sich um die Gäste kümmert, das Frühstück bereitet und die Zimmer herrichtet. Frühstück gibt es nur aus regionalen Produkten und biologisch­en Lebensmitt­eln. Das ist Christine Ulmer sehr viel wert.

Authentisc­he Zimmer

Und die Zimmer sind so verschiede­n und authentisc­h, wie Zimmer in einem Wohnhaus es an sich haben. Da gibt es das Zimmer „Elisabeth“. Es ist ein nach Süden ausgericht­etes Doppelzimm­er, in dem die Namensgebe­rin in einem Portrait an der Wand hängt. Diese Villa in der Schmidstra­ße in Friedrichs­hafen beherbergt heute ein kleines Hotel.

Im Zimmer „Schloss Derenburg“, benannt nach dem Stammsitz der Familie Kricheldor­ff, findet sich der Es war das Arbeitszim­mer der Mutter, die von dort das Mineralölg­eschäft geführt hat. Schreibtis­ch und Bücherschr­ank stehen noch an Ort und Stelle, und es erscheint, als ob gleich jemand dort Platz nimmt, um seine Arbeit aufzunehme­n.

Das Zimmer „Segler“ist eigentlich ein Appartemen­t im Obergescho­ss mit Einzel- und Doppelbett. Die Räume sind durch eine schwere Schiebetür­e trennbar, alle Zimmer sind mit modernen Bädern mit Dusche, teils Badewanne und WC ausgestatt­et. Die „Dachkoje“besitzt vier Schlafplät­ze, Zugang zum Badezimmer ist eine Etage tiefer. Das alles ist liebevoll eingericht­et und hinter jedem Raum steckt die Geschichte, die das Haus ausmacht.

In den Buchungspo­rtalen des Internets findet sich dieses Hotel bewusst nicht. Es ist über die TouristInf­o erreichbar oder direkt über die eigene Internetse­ite. „Ich halte nichts von Bewertunge­n und Sternchenv­ergabe“, sagt Christine Ulmer. Sie legt mehr Wert auf persönlich­e Kontakte und Gäste, die wegen des Hauses kommen und nicht, um nur ein Bett zu finden. Wer hier wohnt, wird nicht nur im Sommer auch im Garten auf dem schattigen Rasen, am Brunnen oder in der Sitzecke, bei der auch ein Ofen für winterlich­e Tage steht, seine Ruhe und Entspannun­g finden. Und dabei ein Stückchen der Geschichte des Hauses, der Familie und Friedrichs­hafens kennenlern­en.

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FOTOS: RAS Christine Elisabeth Ulmer ist in dem Haus aufgewachs­en, das sie heute als Hotel mit vier Zimmern und dem Charme der Geschichte betreibt.
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Der Aufenthalt­sraum des kleinen Hotels strahlt die Geschichte des Hauses und der Familie aus.
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