Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Drei Reservesta­ffeln ohne neutrale Schiedsric­hter

Personalma­ngel zwingt Schiedsric­htergruppe­n im Bezirk Bodensee zu Einsparung­en – Ärger schon in der Jugend

- Von Oliver Weishaupt

LEUTKIRCH - Die rückläufig­e Zahl aktiver Fußball-Schiedsric­hter in Deutschlan­d macht sich auch im Bezirk Bodensee bemerkbar. Einem Beschluss der Schiedsric­htergruppe­n Ravensburg, Friedrichs­hafen und Wangen zufolge werden Spiele in den Reservesta­ffeln der Kreisligen B II, B IV und B VI aufgrund von Personalma­ngel bis auf Weiteres nicht mehr besetzt. Die betroffene­n Vereine müssen für diese Spiele die Schiedsric­hter künftig selbst organisier­en.

Laut Josef Ringer, Bezirkssch­iedsrichte­r-Obmann und Obmann der SRG Wangen, habe sich die durch „enorme Probleme“in den Gruppen Ravensburg und Friedrichs­hafen auch im Bezirk Bodensee bereits angespannt­e personelle Situation dadurch verschärft, dass in der Wangener Gruppe mehrere Schiedsric­hter ausgestieg­en seien, „die über die Saison 60 bis 70 Reservespi­ele geleitet haben“. Da die in den drei genannten Staffeln aktiven Teams außer Konkurrenz spielen und kein Aufstiegsr­echt besitzen, sei die Entscheidu­ng gefallen, dort auf externe Schiedsric­hter zu verzichten.

Vieldiskut­ierte Thematik

Die betroffene­n Vereine reagierten – nicht verwunderl­ich – wenig begeistert. Bedeutet dies doch gehörigen Mehraufwan­d. Die Clubs sehen massive Probleme auf sich zukommen. Beim Staffeltag der Kreisliga B VI war die Thematik laut Staffellei­ter Bernhard Dorn der umfangreic­hste und meistdisku­tierte Tagesordnu­ngspunkt. Die Verantwort­lichen der Vereine müssen nun Freiwillig­e finden, die bereit sind, die Spiele der Reserveman­nschaft zu pfeifen. Erste Ansprechpa­rtner dürften häufig ehemalige Schiedsric­hter oder AH-Fußballer sein. Denkbar wären auch Absprachen zwischen zwei Vereinen, die Spiele des jeweils anderen zu pfeifen. Vereinsmit­glieder mit Interesse am Schiedsric­hterwesen haben nun schon vor der Ausbildung die Möglichkei­t, praktische Erfahrunge­n zu sammeln.

Groß ist vor allem die Sorge, dass den vom Gastgeber eingesetzt­en Schiedsric­htern die Entscheidu­ngshoheit und Unparteili­chkeit abgesproch­en wird. „Vereinssch­iedsrichte­r haben genau die gleichen Rechte und Pflichten wie ein aktiver Schiedsric­hter“, stellt Ringer klar. Ein Platzverwe­is zöge genauso eine Sperre für den Spieler nach sich wie nach einer Roten Karte durch einen neutralen Schiedsric­hter. Berechtigt­e Kritik üben Ringer zufolge Vereine wie der SV Aichstette­n, die ihr Soll an Schiedsric­htern, die pro Saison eine bestimmte Zahl an Spielen und Schulungen absolviere­n müssen, mehr als erfüllen. Denn auch sie leiden nun wie die Clubs, die zu wenige Schiedsric­hter stellen. Die personelle­n Engpässe werden auch dann nicht kurzfristi­g zu überwinden sein, wenn die Vereine genügend Mitglieder ab 14 Jahren überzeugen können, die Neulingsku­rse der SRGs ab Mitte September (Ravensburg) beziehungs­weise Anfang 2019 (Wangen, Friedrichs­hafen) zu absolviere­n. Zunächst müssen sich die Nachwuchss­chiedsrich­ter nämlich im Jugendbere­ich entwickeln.

Probleme im Nachwuchsb­ereich

Zum Leidwesen Ringers hört ein Großteil auf dem Weg dorthin innerhalb der ersten zwei bis drei Jahre aber bereits wieder auf. Einen der Hauptgründ­e sieht er im Verhalten vieler Beteiligte­r auf und vor allem neben dem Platz. „Die E-Jugend ist momentan unser größtes Problem“, sagt Ringer. Viel zu häufig würden in der Altersklas­se der Acht- bis Zehnjährig­en die Eltern und Großeltern gegenüber den jungen, unerfahren­en Unparteiis­chen negativ auffallen. In der SRG Wangen hörten laut Ringer in der vergangene­n Saison drei Schiedsric­hter nach Vorkommnis­sen bei E-Jugend-Spielen auf. „Wir bilden die Schiedsric­hter mit viel Zeitaufwan­d und Engagement aus, betreuen sie und versuchen, sie weiterzubr­ingen. Da ist es schade, wenn sie gleich wieder wegbrechen“, ärgert sich Ringer. Die jungen Schiedsric­hter würden verbal und zum Teil sogar auch körperlich attackiert.

Um den Negativtre­nd nicht weiter zu beschleuni­gen, müsse eine Sensibilis­ierung aller Beteiligte­r für das Schiedsric­hterwesen erfolgen. „Wir müssen an die Vernunft und an die Fairness appelliere­n“, fordert Obmann Ringer. Jeden Einzelnen müsse man bei Entgleisun­gen gegenüber dem Schiedsric­hter auf sein Fehlverhal­ten hinweisen. Für die Unbelehrba­ren hat Ringer noch einen Vorschlag parat: „Diejenigen, die am lautesten schimpfen, sollen es selbst einmal versuchen. Dann merken sie, dass das doch nicht so einfach ist.“

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FOTO: IMAGO Diskussion mit Schiedsric­htern gibt es bei fast jedem Fußballspi­el – im Profiberei­ch wie hier mit Benjamin Cortus beim Spiel des FC St. Pauli gegen den 1. FC Köln sowie im Amateurber­eich. Die Folgen in den unteren Ligen sind gravierend.

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