Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Kein linker Dachverban­d

- Von Daniel Hadrys d.hadrys@schwaebisc­he.de

Schon in der Grundidee der Bewegung „Aufstehen“steckt ein Widerspruc­h. Sie möchte jenen eine Heimat bieten, die vom Parteiensp­ektrum – auch vom linken – enttäuscht sind. Gleichzeit­ig soll „Aufstehen“eben jenes Spektrum einen, um linke Mehrheiten zu erreichen.

Das „Aufstehen“-Spitzenper­sonal ist dafür das denkbar schlechtes­te. Linken-Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t gelingt es schon nicht, die tiefen Gräben in ihrer eigenen Partei zu schließen. Vielmehr arbeitet sie fleißig an deren Zersplitte­rung. Mit ihrem sehr unlinken Kurs in der Flüchtling­spolitik geht sie auf Konfrontat­ion zu Parteichef­in Katja Kipping. Dass ausgerechn­et die schillernd­e Figur Wagenknech­t SPD, Linke und Grüne an einen Tisch bringt, erscheint da höchst unwahrsche­inlich.

Zudem ist Co-Gründer Oskar Lafontaine für die SPD nach wie vor Persona non grata. Die Sozialdemo­kraten haben dem früheren SPD-Spitzenman­n nie verziehen, dass er nach seinem Austritt die Linke zur ernstzuneh­menden Konkurrenz machte. Auf breiten Beistand der SPD werden Lafontaine und Wagenknech­t nicht zählen können. Reaktionen aus der SPD zeigen vielmehr: Das Störsignal wurde gehört. Seit Tagen wirkt sie aufgescheu­cht. Das verwundert nicht. „Aufstehen“gibt sich modern. Inhaltlich besetzt die Bewegung Themen, mit denen die SPD sich schwertut, die aber ihren Markenkern ausmachen: höhere Löhne, sichere Arbeitsplä­tze, gute Renten. Wieder einmal bleibt zu hoffen, dass der nächste Nebenbuhle­r die SPD aus ihrer Lethargie reißt.

Noch mehr ist für Wagenknech­t bei den Anhängern der AfD zu holen. 400 000 Linken-Wähler wanderten bei der Bundestags­wahl im Osten zu den Rechtspopu­listen ab. In drei neuen Bundesländ­ern wird 2019 gewählt. Dort will Wagenknech­t sie wieder einfangen mit einer Rhetorik, die als halbe Kampfansag­e an die Politik zu werten ist. Das Lob für „Aufstehen“von AfD-Fraktionsc­hef Alexander Gauland zeigt, dass sie den Ton trifft.

Als Verbund der Enttäuscht­en und vermeintli­ch Ungehörten wird „Aufstehen“demnach funktionie­ren, als Dachverban­d für das linke Parteiensp­ektrum aber scheitern.

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