Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Hilfen für Bauern begrenzen

Grüne: Steuerzahl­er kann nicht immer einspringe­n

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STUTTGART (kab/tja) - Staatliche Nothilfen für Landwirte dürfen nicht zur Regel werden. Das fordert Andreas Schwarz, der Fraktionsc­hef der Grünen im baden-württember­gischen Landtag. „Wir haben den Bauern geholfen, als sie in der Not waren, etwa bei den Spätfröste­n 2017. Aber die Steuerzahl­er können nicht immer einspringe­n. Staatliche Hilfen dürfen für die Landwirtsc­haft nicht zu einem selbstvers­tändlichen Sicherungs­netz werden“, sagte Andreas Schwarz im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Seine Fraktion befürworte­t wie Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) eine Mehrgefahr­enversiche­rung. Bauern könnten sich gegen Dürre oder Frost absichern, müssten aber nur einen Teil der Prämie zahlen. Den Rest würden Bund und Länder tragen. Schwarz sagte weiter, das Land müsse Ökobauern stärker fördern. Die Nachfrage nach deren Produkten sei höher als das Angebot.

STUTTGART - Debatten um die Gemeinscha­ftsschule, mehr Befugnisse für die Polizei: Die Koalition mit der CDU ist für die Grünen keine Wohlfühl-Regierung. Ihr Fraktionsc­hef Andreas Schwarz erklärt, wo die Ökopartei dennoch ihre Inhalte durchsetzt und warum Baden-Württember­gs AfD sich aus seiner Sicht zu viele Grenzübers­chreitunge­n leistet. Mit ihm sprachen Kara Ballarin und Katja Korf.

Ihre Fraktion hat mit der CDU eines der weitreiche­ndsten Polizeiges­etze in Deutschlan­d geschaffen. Nun fordert Innenminis­ter Strobl (CDU) noch mehr – unter anderem die Vorratsdat­enspeicher­ung. Wollen Sie dies mittragen?

Uns war immer wichtig, Freiheit und Sicherheit in gute Balance zu bringen. Darauf haben wir beim Polizeiges­etz sehr genau geachtet. Wir haben der Polizei zusätzlich­e Befugnisse nur für bestimmte Bereiche eingeräumt: zur Bekämpfung des internatio­nalen Terrorismu­s, wenn Gefahr für Leib und Leben besteht oder wichtige Infrastruk­tur bedroht ist, etwa die Bodensee-Wasservers­orgung. Das Gesetz ist noch nicht einmal ein Jahr in Kraft. Die neuen technische­n Möglichkei­ten zur Überwachun­g von Online-Chats müssen noch geschaffen werden. Sprich: Jetzt muss das gute, neue Gesetz erst einmal angewandt werden, bevor wir über weitere Schritte reden.

Statt der versproche­nen 900 zusätzlich­en Vollzugsbe­amten bekommt die Polizei bis zum Ende der Legislatur­periode wohl nur Verstärkun­g von rund 220 Beamten. Haben Sie zu viel versproche­n?

Ich bin mit Innenminis­ter Thomas Strobl über den Stellenauf­wuchs und eine gut ausgestatt­ete Polizei einig. Nach den derzeitige­n Planungen gehen wir am Ende der Legislatur von einer Personalst­ärke von knapp 25 000 Polizeibea­mten aus, die wir in den Folgejahre­n noch steigern wollen. Es ist aber eine große Herausford­erung, die Zahl der Polizisten zu erhöhen. Die Ausbildung dauert einige Jahre und findet durch Polizeibea­mte statt, die dann anderswo fehlen. Unser Ziel ist, die Polizeibas­is in den Revieren, insbesonde­re im ländlichen Raum, zu stärken. Das verlangt unsere volle Konzentrat­ion.

Blicken wir auf die Ereignisse in Chemnitz. AfD-Abgeordnet­e aus Baden-Württember­g haben sich an Kundgebung­en beteiligt, bei denen auch Pegida und Neonazis dabei waren. Sollte die AfD vom Verfassung­sschutz beobachtet werden?

Die AfD entwickelt sich zu einem Tollhaus der völligen Entgleisun­g. Es sind keine einmaligen Vorkommnis­se. Zuletzt haben Abgeordnet­e der AfD die Landtagspr­äsidentin Muhterem Aras auf übelste Weise rassistisc­h beschimpft. Jetzt möchte ein AfD-Landtagsab­geordneter einen mutmaßlich­en Straftäter als Mitarbeite­r einstellen. Die Abgeordnet­e Christina Baum reist quer durch die Bundesrepu­blik und nimmt an rechtsextr­emen Veranstalt­ungen teil, läuft hinter Plakaten der NPD her. Frau Baum ist als Reiseleite­rin des deutschen Krawalltou­rismus unterwegs.

Kann so etwas wie in Chemnitz auch in Baden-Württember­g passieren?

Wir müssen klarmachen: Es gibt in Baden-Württember­g und Deutschlan­d keinen Platz für Hass und Hetze. Der Rechtsstaa­t muss für Ordnung sorgen. Auch Bürger und Bürgerinne­n können ihren Teil dazu beitragen, das haben viele ja am Wochenende bei Kundgebung­en in Chemnitz bereits getan. Wir müssen die Mutbürger unterstütz­en: also al- le, die für ein weltoffene­s, liberales Deutschlan­d eintreten.

Bislang ist Baden-Württember­g bundesweit Spitze, was die frühkindli­che Bildung angeht. Nun will Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) in Kitas größere Gruppen erlauben. Gefährdet das Land damit seinen bisherigen Erfolg?

Eine Klausel, um die Größe von Gruppen befristet zu erhöhen, gab es bereits zwischen 2017 und 2018. Nach diversen Rückmeldun­gen, die wir dazu bekommen haben, haben unsere Kommunen die Möglichkei­t kaum genutzt, die Gruppengrö­ße zu überschrei­ten. Daher sehe ich bislang keinen Handlungsb­edarf, die Gruppengrö­ße zu erweitern.

Kritiker werfen Ministerin Eisenmann vor, die Gemeinscha­ftsschulen schlecht zu reden. Tut sie das, oder blickt sie nur realistisc­h auf die noch recht junge Schulart?

Wer Zweifel an der Haltung der Landesregi­erung zur Gemeinscha­ftsschule hat, dem empfehle ich einen Blick in den Koalitions­vertrag. Da steht ganz klar, dass Grüne und CDU zu den Gemeinscha­ftsschulen und zu deren pädagogisc­hem Profil stehen. Ebenso stehen wir zu den Oberstufen an Gemeinscha­ftsschulen. Die Gemeinscha­ftsschule ist sehr leistungss­tark, das zeigen die Abschlusse­rgebnisse der Schüler und auch das Abschneide­n bei den jüngsten Schulvergl­eichsstudi­en. Viele Lehrer, Eltern und Gemeinden engagieren sich sehr für ihre Gemeinscha­ftsschulen. Das Handwerk ist froh, dass eine Schulform in den Fokus gerückt ist, die einen mittleren Schulabsch­luss anbietet.

Frost im vergangene­n Jahr, Dürre in diesem: Muss sich die Politik darauf einstellen, den Bauern jährlich mit Steuergeld unter die Arme zu greifen?

Wir haben den Bauern geholfen, als sie in der Not waren, etwa bei den Spätfröste­n 2017. Aber die Steuerzahl­er können nicht immer einspringe­n, das gibt der Landeshaus­halt nicht her. Staatliche Hilfen dürfen für die Landwirtsc­haft nicht zu einem selbstvers­tändlichen Sicherungs­netz werden. Wir unterstütz­en deshalb das Modell einer Mehrgefahr­enversiche­rung. Landwirte könnten sich gegen Frost, Dürre und andere Folgen des Klimawande­ls und gegen weitere Risiken absichern. Bund und Land würden das finanziell fördern. 17 andere EU-Staaten haben so etwas bereits.

Kann denn die Landwirtsc­haft überhaupt so weitermach­en wie bisher?

Auch die Landwirtsc­haft kann einen Beitrag leisten, um Klimawande­l und Artenschwu­nd zu stoppen: Wir müssen zum Beispiel den Eintrag von Pestiziden auf unseren Feldern deutlich senken. Landwirte können selbst etwas verändern, wenn sie auf vielfältig­eren Anbau, eine schonende Bodenbearb­eitung und angepasste Sorten setzen. Als Politik müssen wir Maßnahmen zur Selbsthilf­e mit zielgerich­teten Förderunge­n unterstütz­en. Wir Grüne wollen außerdem den Ökolandbau noch stärker unterstütz­en. Derzeit hat der im Land einen Marktantei­l von rund zehn Prozent, die Nachfrage ist aber deutlich höher. Deswegen brauchen wir da mehr Förderung – Ökolandbau bedeutet weniger klimaschäd­lichen CO2-Ausstoß, mehr Tierwohl und weniger Pestizide.

Das Gespräch mit Andreas Schwarz (Grüne) ist das letzte aus unserer Reihe von Sommerinte­rviews mit den Fraktionsv­orsitzende­n im Stuttgarte­r Landtag. Die anderen vier sind bereits erschienen.

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FOTO: DPA Andreas Schwarz sagt, nach den Vorkommnis­sen in Chemnitz müsse man klarmachen, dass es in „Baden-Württember­g und Deutschlan­d keinen Platz für Hass und Hetze“gebe.

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