Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Melonen vom Weißwurstä­quator

Der Klimawande­l stellt die Landwirtsc­haft vor neue Herausford­erungen, aber er schafft auch neue Möglichkei­ten

- Von Sandra Tjong

DACHAU - Patrick Kirschner blickt zufrieden auf seine Zöglinge. „Die Zuckermelo­nenernte lief bombig“, sagt er. Seit Juli gehen er und sein Kompagnon Thomas Barth mehrfach wöchentlic­h ihre Melonenfar­m im Landkreis Dachau ab, um reife Melonen einzusamme­ln. „Wir konnten zwei bis drei Wochen früher starten als letztes Jahr – im Grunde so früh wie in Italien.“Kirschner klingt selbst verwundert, als er den Satz ausspricht.

Mediterran­e Bedingunge­n in Oberbayern? Auch wenn die wochenlang­e Hitze und Trockenhei­t dies glauben machen wollen – ein südeuropäi­sches Klima herrscht im Freistaat noch lange nicht, allein schon wegen teils knackiger Spätfröste im April oder Mai. Allerdings steigen die Temperatur­en im Mittel seit Jahren, und das macht sich auch auf den Feldern in Bayern bemerkbar: Zunehmend wachsen zwischen Mais-, Weizen- und Rapsfelder­n ursprüngli­ch tropische Feldfrücht­e. Forschungs­institute experiment­ieren mit Exoten wie Ingwer, Feigen und Süßmandeln. In der Züchtung wird auf Verträglic­hkeit von Hitze und Trockenhei­t geachtet, um die Landwirte für das Klima der Zukunft zu wappnen.

Anders als für die meisten Bauern im Freistaat war für Kirschner und Barth das Wetter in diesem Sommer ideal: Melonen, die als Kürbisgewä­chs streng genommen zum Gemüse gehören, mögen es warm. Dabei brauchen sie zwar regelmäßig Wasser, Niederschl­äge von oben bringen allerdings schnell Pilzbefall. Daher kam den beiden Junglandwi­rten die Trockenhei­t gerade recht. Sie haben eine Tröpfchenb­ewässerung an die Wurzeln ihrer Pflanzen gelegt. Aufwendig, aber lohnenswer­t. Der Ertrag deutlich höher als im Vorjahr: 3,5 statt 2,5 Honigmelon­en pro Quadratmet­er. Und auch die Wassermelo­nenernte, die gerade läuft, fällt ertragreic­her aus.

Noch ist das Geschäft ein Nebenverdi­enst. Barth betreibt hauptberuf­lich Ackerbau und Bullenmast, Kirschner ist in der Schweinezu­cht tätig. „Die Melonen werden aber von Jahr zu Jahr lukrativer“, sagt er. 2016 starteten beide den Anbau auf dem elterliche­n Hof von Barth. Anfangs wurden sie belächelt, inzwischen hat ihr Modell Schule gemacht: Im Landkreis Fürstenfel­dbruck startete auch schon ein Melonenbau­er, und Kirschner verkaufte selbst gezogene Jungpflanz­en an andere Betriebe, etwa nach Nürnberg. Übrigens: Auch in Baden-Württember­g hat ein Landwirt in der Region Bad Krotzingen erfolgreic­h mit der Zucht und dem Verkauf von Wassermelo­nen begonnen.

Und es gibt weitere exotische Feldfrücht­e, die es aus den Hobbygärte­n in den gewerbsmäß­igen Anbau geschafft haben: Im Chiemgau wachsen Artischock­en, in Niederbaye­rn und der Oberpfalz Süßkartoff­eln und Erdnüsse. Noch sind die Mengen zu gering, als dass die Anbaufläch­en einzeln in der Statistik ausgewiese­n würden. Birgit Rascher von der Landesanst­alt für Wein- und Gartenbau (LWG) in Veitshöchh­eim sieht aber Potenzial. „Melonen und Süßkartoff­eln könnten „Melonen und Süßkartoff­eln könnten sich künftig stärker in Bayern etablieren.“Birgit Rascher von der Landesanst­alt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchh­eim sich künftig stärker in Bayern etablieren“, sagt sie. Auch Freilandpa­prika räumt Rascher gute Chancen ein.

Doch so hitzeliebe­nd die Pflanzen sind, mit denen die Landesanst­alt gerade experiment­iert: Sie alle brauchen Bewässerun­g, egal ob Süßkartoff­el oder Ingwer. „Der Anbau auf nicht bewässerte­n Flächen wird generell schwierige­r“, sagt Rascher. Bayerns Landwirte bekommen dies gerade massiv zu spüren. Im Vergleich mit den Bauern im Nordosten Deutschlan­ds mögen sie glimpflich davongekom­men sein, doch die Einbrüche sind deutlich. Der Bayerische Bauernverb­and rechnet mit zehn bis 15 Prozent Einbußen beim Sommergetr­eide, regional auch deutlich mehr. Beim Raps verkümmert­en gut 30 Prozent.

„Der Anbau wird sich ändern“

„Der Klimawande­l findet statt. Der Anbau wird sich ändern“, sagt Peter Doleschel, Leiter der Bayerische­n Landesanst­alt für Landwirtsc­haft (LfL) in Freising. „Mais, Getreide und Kartoffeln wird es weiter geben. Sie müssen aber an die klimatisch­en Bedingunge­n angepasst werden“, sagt er. Staatliche wie private Institute arbeiteten intensiv daran, Arten zu züchten, die Hitze und Trockenhei­t besser vertragen und höhere Erträge bringen. Dennoch befürchtet er, dass die Landwirte hier langfristi­g zurückstec­ken müssen.

Wichtig sei daher auch, dass Bauern durch Fruchtfolg­e und

Mulch die Böden schonend und wasserspar­end bearbeiten – und dass sie mit neuen Sorten experiment­ieren. Wenn sie regional und womöglich in Bioqualitä­t anbieten könnten, was bisher importiert wurde, bedeute dies eine höhere Wertschöpf­ung und somit eine Einnahmequ­elle.

„Der Klimawande­l findet statt. Der Anbau wird sich ändern.“Peter Doleschel, Leiter der Bayerische­n Landesanst­alt für Landwirtsc­haft

Was sich zunehmend in Bayern etabliert, ist die ursprüngli­ch in Asien beheimatet­e Sojabohne. Der Anbau des eiweißhalt­igen Futterund Nahrungsmi­ttels wird seit 2011 aktiv vom Freistaat unterstütz­t. Grund war damals nicht die Erwärmung, sondern die Nachfrage nach gentechnik­freien Sojabohnen. Der Anbau profitiert aber von den steigenden Temperatur­en. „Inzwischen gedeiht Soja auch in Regionen, von denen wir uns das vor 20 Jahren nicht im Traum dachten“, sagt Doleschel. Wurde Soja 2011 noch auf 3000 Hektar angepflanz­t, sind es heute 12 400 Hektar. Im Vergleich zu 450 000 Hektar Weizen nicht viel. „Wenn sich am Preisgefüg­e nichts ändert, wird sich Soja weiter ausbreiten.“

Wo es nach Ansicht von Experten wenig Spielraum für großflächi­geren Anbau exotischer Sorten gibt, ist Obst. Grund sind Fröste bis ins Frühjahr. Doch auch hier wird experiment­iert. Zurzeit testet die LWG winterhart­e Feigen und Süßmandeln. Für eine Bilanz in Bayern ist es allerdings noch zu früh.

Auch Kirschner und Barth haben ihre Erfahrunge­n mit der Kälte gemacht: Im ersten Jahr testeten sie den Anbau im Freiland und in Plastiktun­neln, nachts wurde es zu kühl. Dieses Jahr mussten sie die Folien wochenlang hochschieb­en, sonst wäre es zu heiß geworden für die Melonen. „Vielleicht starten wir im kommenden Jahr einen neuen Freilandve­rsuch“, sagt Kirschner. „Geschützt zwischen den Tunneln.“Auf jeden Fall wollen sie die Anbaufläch­e vergrößern. Denn die Hofläden der Region reißen sich um die unbehandel­ten Melonen, die anders als die importiert­en Exemplare direkt auf dem Feld reifen. Sogar eine Supermarkt­kette hat schon angeklopft.

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FOTO: HANS-RUDOLF SCHULZ Melonenanb­au nördlich von München – Thomas Barth züchtet in Bergkirche­n im Landkreis Dachau erfolgreic­h Wasser- und Honigmelon­en.

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