Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Regierungs­umbildung ohne Ambitionen

Frankreich­s neuer Umweltmini­ster François de Rugy steht nicht für eine ehrgeizige­re Umweltpoli­tik

- Von Christine Longin

PARIS - Genau eine Woche hat der französisc­he Präsident Emmanuel Macron gebraucht, um sich von dem Schock zu erholen. Der beliebte Umweltmini­ster Nicolas Hulot war überrasche­nd zurückgetr­eten. In dieser Woche wurde so viel über Umweltschu­tz diskutiert wie selten zuvor. Eine grüne Kehrtwende des Präsidente­n schien möglich zu sein in jenen sieben Tagen, in denen auch der Name des Grünen-Politikers Daniel Cohn-Bendit für die Nachfolge des enttäuscht­en Hulot kursierte.

Doch statt „Dany le Rouge“, der Ikone der 68er, übernimmt nun François de Rugy den schwierige­n Posten. Einen „ökologisch­en Opportunis­ten“nannte die Zeitung „Libération“den Präsidente­n der Nationalve­rsammlung. „Es ist zu befürchten, dass der neue Minister die Politik von Emmanuel Macron blind umsetzt und der Stimme seines Meisters folgt“, erklärte die Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace.

Der 44-jährige de Rugy hat durchaus ein grünes Profil: Der Politiker ohne Charisma war jahrelang Fraktionsc­hef der Grünenpart­ei Europe Écologie-Les Verts, bevor er sich den Sozialiste­n zuwandte, um später Macron zu unterstütz­en. Dafür wurde er im vergangene­n Jahr mit dem Posten des Parlaments­präsidente­n belohnt, den er nun für einen Vertrauten des Präsidente­n frei macht. Der Fraktionsc­hef von Macrons Partei La Republique en Marche (LREM), Richard Ferrand, kündigte kurz nach der Ernennung de Rugys an, sich für dessen Nachfolge zu bewerben. Schon lange werden Ferrand Ambitionen auf den Vorsitz der Assemblée Nationale nachgesagt. Doch Macrons Unterstütz­er der ersten Stunde war in eine Affäre um Vorteilsna­hme verwickelt, die ihn im vergangene­n Jahr auch zum Rücktritt aus dem Kabinett zwang.

Auch Sportminis­terium umgebaut

Mit dem prestigetr­ächtigen Posten des Parlaments­präsidente­n kehrt er nun in die erste Reihe zurück. „Jeder gewinnt, nur der Umweltschu­tz nicht“, zitierte „Libération“einen Grünenpoli­tiker zu der Personalen­tscheidung. Kandidaten wie der Leiter des WWF Frankreich, Pascal Canfin, oder die Verhandlun­gsführerin des Klimagipfe­ls von Paris, Laurence Tubiana, gingen leer aus.

Macron verzichtet­e auch darauf, den Rücktritt Hulots zum Anlass für eine groß angelegte Regierungs­umbildung zu nehmen. Neben dem Umweltmini­sterium besetzte er nur das Sportminis­terium neu. Dort hatte die frühere Olympiasie­gerin Laura Flessel am Dienstagmo­rgen überrasche­nd ihren Rücktritt angekündig­t. Die 46-jährige, die durch die frühere Weltklasse-Schwimmeri­n Roxana Maracinean­u ersetzt wird, gab persönlich­e Gründe an. Medienberi­chten zufolge steht die frühere Fechterin allerdings im Verdacht des Steuerbetr­ugs. Mit Hulot und Flessel gehen die bekanntest­en und beliebtest­en Minister in Macrons Riege. „Rien ne va plus“(Nichts geht mehr) titelte das „Journal du Dimanche“bereits am Sonntag. Gemeint war nicht nur Hulot, sondern auch die Steuerpoli­tik, in der Macron eine Kehrtwende zu vollziehen droht. Eigentlich war vorgesehen, ab Januar 2019 das Steuersyst­em umzustelle­n und – so wie in Deutschlan­d – die Einkommens­teuer direkt vom Gehalt abzuziehen.

Doch vergangene Woche äußerte Macron plötzlich Zweifel an dieser Maßnahme, die noch von seinem Vorgänger François Hollande stammt. Der 40-Jährige, der bisher einen mutigen Reformkurs verfolgt hatte, schien damit zum Zauderer zu werden.

Mehrheit für neues Steuersyst­em

60 Prozent der Franzosen sind dafür, das Steuersyst­em zu ändern und der Praxis aus den anderen europäisch­en Ländern anzupassen. Doch die seit Jahren vorbereite­te Umstellung am 1. Januar kommt für Macron zu einem ungünstige­n Zeitpunkt. Der Präsident, mit dem laut einer IFOP-Umfrage nur noch 31 Prozent der Franzosen zufrieden sind, kann nach gut einem Jahr im Amt noch keine Erfolge vorweisen.

Die Arbeitslos­igkeit geht nur ganz langsam zurück und die Kaufkraft der Franzosen nimmt ab. Die geplanten Maßnahmen, die den Franzosen mehr Geld ins Portemonna­ie bringen sollen, wären durch den direkten Steuerabzu­g ab 1. Januar nicht mehr messbar. Ein Grund für Macron, zurückzuru­dern.

 ?? FOTO: AFP ?? François de Rugy (vorne) wird neuer Umweltmini­ster Frankreich­s.
FOTO: AFP François de Rugy (vorne) wird neuer Umweltmini­ster Frankreich­s.

Newspapers in German

Newspapers from Germany