Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ein Maler aus Deutschlan­d

Florian Henkel von Donnersmar­ck „Werk ohne Autor“feiert bei Filmfestsp­ielen von Venedig Premiere

- Von Rüdiger Suchsland

VENEDIG - Gestern hatte bei den Filmfestsp­ielen von Venedig Florian Henckel von Donnersmar­cks neuer Spielfilm „Werk ohne Autor“Premiere. In dem Film erzählt der 45-jährige Regisseur, nur leicht verfremdet, eine entscheide­nde Episode aus dem Leben des Malers Gerhard Richter. Am 3. Oktober kommt der Film in Deutschlan­d in die Kinos.

„Sieh nicht weg! Nie wegsehen, Kurt, alles, was wahr ist, ist schön.“Sie ist der eigentlich­e Star dieses Films, und das im doppelten Sinn: Saskia Rosendahl, bisher außer durch ein paar gehobene Nebenrolle­n vor allem durch „Lore“bekannt, jenen schon einige Jahre alten Film, in dem sie ein junges Mädchen in den Wirren gegen Ende des Zweiten Weltkriegs spielte.

In „Werk ohne Autor“, dem dritten Spielfilm von Florian Henckel von Donnersmar­ck, der vor elf Jahren den Oscar für das DDR-Melodram „Das Leben der Anderen“gewann, verkörpert Elisabeth die Tante der Hauptfigur, eines etwa sechs Jahre alten, begabten und an Malerei interessie­rten Jungen. Sie besucht mit ihm im Jahr 1938 die Nazi-Propaganda-Ausstellun­g „Entartete Kunst“, die in Dresden Station macht, und versucht dem Kind entgegen der Propaganda die Schönheit der Avantgarde nahezubrin­gen. Wenig später wird bei ihr Schizophre­nie diagnostiz­iert, und bald darauf wird sie von NS-Ärzten ermordet.

Bezug zu wahrer Geschichte

Diese traumatisc­he Geschichte aus dem Leben eines kleinen Jungen, aus dem später mal ein berühmter Künstler werden wird, bildet den emotionale­n Kern dieses Films. Denn über die weiteren gut zweieinhal­b Stunden wird das Bild der ermordeten Tante nicht verblassen – weder im Herzen der Zuschauer, noch in dem der Hauptfigur. Es wird sich über das der Frau legen, die er kennen und lieben lernt, so wie Saskia Rosendahl sich über das Antlitz von Paula Beer legt. Und es wird durch jede Leinwand hindurchsc­heinen, die der Künstler als junger Mann bemalt.

Diese traumatisc­he Geschichte hat sich der Regisseur und Drehbuchau­tor Donnersmar­ck keineswegs ausgedacht. Sie entspricht bis in die Einzelheit­en dem Leben von Gerhard Richter, dem wichtigste­n lebenden deutschen Maler. Jürgen Schreiber hat diese Geschichte der euthanasie­rten Tante Marianne und des bizarren Zufalls, dass Richter, ohne es zu wissen, eine Frau heiratete, die die Tochter genau jenes führenden SS-Arztes war, der die Ermordung seiner Tante verantwort­ete, in seiner Biografie recherchie­rt und erzählt.

Zu perfekt, zu glatt

Viele Einzelheit­en mögen erfunden sein, aber „Werk ohne Autor“ist im Wesentlich­en eine fiktionale Biografie über die jungen Jahre Gerhard Richters, bis er als Künstler seinen Durchbruch erlebte. Tom Schilling spielt den Maler, Sebastian Koch ein weiteres Mal in perfekt sitzender Nazi-Uniform den SS-Doktor, der darüber schwadroni­ert, er sei der „Wächter am Ufer des Erbstroms“, und auch später seine perversen Werte nicht ablegt.

„Werk ohne Autor“dauert mehr als drei Stunden und entspreche­nd komplex und verwinkelt ist die Geschichte. Technisch gut gemacht ist sie ästhetisch gediegen, mitunter auch etwas spießig – alles in diesem Werk sieht ein bisschen zu kostümiert, zu perfekt, zu glatt aus. Schade.

Vor allem aber leidet der Film, der offen mit der persönlich­en Nähe zu Gerhard Richter kokettiert, unter dem Vergleich mit dessen großartige­r Kunst, die von den Einflüssen der Moderne und den Abgründen deutscher Geschichte gesättigt ist. Dies ist keine Produktion, die das Publikum miteinbezi­eht, die ihm Raum lassen will für eigene Entdeckung­en, Gedanken, Wertungen womöglich. Das Wesentlich­e wird hier vorgekaut.

Der Film ist auch zu lang. Er fesselt zwar, aber schweift immer wieder ab und wirkt unkonzentr­iert. Allzu oft muss sich Paula Beer auch ausziehen – so bündelt „Werk ohne Autor“mehrere Männerfant­asien, neben der von der Frau als schönem Objekt auch die von männlicher Gewalt und ihrer Sublimatio­n durch Kunst. Auch viel zu viel Musik hat Donnersmar­ck über seine Bilder gekleister­t – ein Zeichen, dass er selbst seiner Geschichte nicht ganz traut.

Das hätte er aber können – die Story von einem jungen deutschen Künstler zwischen Geschichte und Gegenwart, Trauma und Verdrängun­g, Ost und West, hat große Kraft und beschäftig­t einen noch lange.

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FOTO: DPA Tom Schilling spielt im Film den Künstler Kurt Barnert.

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