Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Die Stadt am See hat ihre Autorin verloren

Maria Beig ist im Alter von 97 Jahren verstorben – Alle ihre Bücher entstanden in Friedrichs­hafen

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FRIEDRICHS­HAFEN (rup) - Es war vor ein paar Jahren. Maria Beig winkte noch ein letztes Mal, dann wurde sie nach draußen begleitet. Damals wurde im Kiesel aus ihren Werken gelesen. Als sie ging, stand das Publikum, das ihr zu Ehren gekommen war, schon bei Häppchen und Wein. Sie ging fast unbemerkt. Nun ging sie ganz. Am Montag ist Maria Beig im Paulinenst­ift gestorben.

Friedrichs­hafen hat seine große literarisc­he Stimme verloren, die sich nie als groß begriff. Zu karg, in dieser Kargkeit aber auch mit leisem Humor durchzogen war sie, um groß sein zu wollen. Maria Beig hat alle ihre Werke in Friedrichs­hafen geschriebe­n. Zuletzt ihre Autobiogra­phie „Ein Lebensweg“. Der letzte Satz des Buchs taugt zum Motto für ihre Arbeit: „Gleich geblieben ist meine Unfähigkei­t, hohle Stunden zu ertragen, so habe ich wieder angefangen zu schreiben.“Auf solche Weise unprätenti­ös war ihr Ton auch, wenn sie über Friedrichs­hafen schrieb. Ein Alltagston, wie in ihrem Roman „Buntsprech­te“. Er schildert das Leben in der Reihenhaus­zeile in der Olgastraße, wo Maria Beig wohnte. Trauer steckt zwischen den Zeilen, über das anonymer werdende Leben. Etwa, als im Buch die Agnes stirbt und ihre Todesanzei­ge in der Zeitung steht: „Der Mann, der Agnes’ Haus gekauft hatte, sagte zu seiner Frau: ’Da müssen wir teilnehmen.’ Die übrigen, die neu Zugezogene­n, lasen über die Anzeige hinweg.“

Wie anders ist jenes Friedrichs­hafen, das Maria Beig in ihrer Kindheit sah. Dem See wegen wird die Stadt zur Verheißung: „Vom Tempelchen, unterhalb des Bahnhofs Friedrichs­hafen aus, beschauten wir den See. Er lag übermächti­g, ohne Berge im Hintergrun­d, vor uns. Ich hatte nicht gedacht, dass er so riesengroß, dass er so blau und schön ist.“Maria Beig schrieb auch poetisch über Friedrichs­hafen und den See – aber ohne dabei gewollt zu poetisiere­n. „Mich trieb das Schicksal, zwar erst nach dem Krieg, auch in die Fänge Friedrichs­hafens. Als junges Mädchen musste ich einmal dorthin radeln. Wie ich aus dem Seewald kam, roch ich das große Wasser, und in dem Moment war es mir, als wüsste ich, dass ich einmal hier leben werde.“Die Poesie liegt hier im Zusammenkl­ang von Verheißung und Verhängnis, als die See und Stadt erscheinen.

„Vielleicht wird nun jedem Leser bewusst, dass Maria Beig ’unsere’ Autorin ist.“Das schrieb Franz Hoben, als er eine Textcollag­e zusammenst­ellte, mit Stellen aus Maria Beigs Texten, die in Friedrichs­hafen spielen. Noch immer wird die „Autorin des bäuerliche­n Lebens in Oberschwab­en“zu wenig als Autorin wahrgenomm­en, die auch über unsere Stadt schrieb.

Sie ist nun gestorben, aber es gilt, sie zu entdecken.

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FOTO: HELMUT VOITH Maria Beig.

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