Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Urteil im Berger Prozess teilweise aufgehoben

BGH stellt Rechtsfehl­er bei der Urteilsbeg­ründung fest – Landgerich­t muss neu verhandeln

- Von Sybille Glatz

RAVENSBURG/BERG - Es ist noch nicht vorbei. Der Berger Mordprozes­s, bei dem vor einem Jahr ein 46jähriger Berger wegen Mordes an seiner Ehefrau zu lebenslang­er Haft verurteilt wurde, geht in die nächste Runde. Nach dem Schuldspru­ch war der Verurteilt­e in Revision gegangen. Teilweise hatte er damit Erfolg. Der Bundesgeri­chtshof (BGH) hat mit seinem Beschluss vom 22. März dieses Jahres einen Teil des Urteils wieder aufgehoben und an das Landgerich­t Ravensburg zur erneuten Verhandlun­g zurücküber­wiesen. Nach Auskunft des Landgerich­ts wird diese am 8. und 15. Januar 2019 stattfinde­n.

Besondere Schwere der Schuld

Dabei wird es jedoch nicht um den Schuldspru­ch an sich gehen. „Der Mann ist ein Mörder und zu lebenslang­er Haft verurteilt. Das ist Fakt“, erklärt der Pressespre­cher des Landgerich­ts Franz Bernhard. Vielmehr werde sich ein neues Tatgericht mit der Frage befassen, ob beim Verurteilt­en eine besondere Schwere der Schuld vorliegt. Diese hatte das Landgerich­t in seinem Urteil vor einem Jahr festgestel­lt. Sie hat Auswirkung­en auf die Dauer der Haft. Wenn sie wegfällt, kann der Verurteilt­e darauf hoffen, nach 15 Jahren aus der Haft entlassen zu werden. „Aber das ist kein Automatism­us“, betont Bernhard. „Dazu müssen noch weitere Voraussetz­ungen erfüllt sein.“Bestätigt das neue Gericht jedoch die besondere Schwere der Schuld, ist eine Entlassung nach 15 Jahren nicht möglich.

27. September 2017. Der Sitzungssa­al 1 des Landgerich­ts ist brechend voll. Zuschauer und Journalist­en drängen sich auf den Zuschauerb­änken. Nach 28 Verhandlun­gstagen erwarten sie mit Spannung das Urteil in einem Prozess, der wie kein zweiter für Aufsehen weit über das Schussenta­l hinaus gesorgt hatte. Der Vorsitzend­e Richter Jürgen Hutterer verkündet das Urteil: lebenslang­e Freiheitss­trafe wegen Mordes und besondere Schwere der Schuld. Nach Ansicht des Gerichts steht der Tathergang fest: Im Juli 2016 fuhr der 46Jährige mit den drei gemeinsame­n Kindern für ein Wochenende in ein Spaßbad nach Erding. Doch noch am Tag der Ankunft fuhr er um Mitternach­t wieder nach Berg zurück. Dort drang er in das Haus seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau ein, überrascht­e sie im Schlaf und würgte sie bis zur Bewusstlos­igkeit.

Den bewusstlos­en oder bereits leblosen Körper der 43-Jährigen zog er vom Bett herunter und schleppte ihn mit einem Bettbezug in den Heizungske­ller. Spätestens da zog er seiner Frau das Nachthemd aus, sodass sie nur noch mit einem Slip bekleidet war. Er schlang ihr einen Kälberstri­ck um den Hals, den er zuvor an zwei Heizungsro­hren an der Decke befestigt hatte. Rückwärts ließ er sie in die Schlaufe des Stricks fallen. Es sollte wie ein Selbstmord aussehen. Nach der Tat fuhr der Angeklagte nach Erding zurück, wo er um 6 Uhr morgens ankam.

Als „besonders schuldersc­hwerend“wertete damals das Gericht in Ravensburg, dass der Angeklagte seiner Ehefrau das Nachthemd auszog und fast vollkommen nackt aufhängte. Dadurch habe er sie noch im Tod und über den Tod hinaus herabgewür­digt. Diese Auffassung lässt der BGH nicht gelten. Denn im gleichen Urteil habe das Landgerich­t ja festgestel­lt, dass der Angeklagte das Nachthemd in die Waschmasch­ine gegeben habe, um Spuren seiner Tat wie beispielsw­eise Blut, Urin, Kot oder Speichel des Opfers zu beseitigen. „Damit nicht vereinbar ist die aber die Wertung, es habe ein weiteres Herabwürdi­gen des Opfers durch das Ausziehen des Nachthemds stattgefun­den“, so der BGH.

Persönlich­keitsstöru­ng festgestel­lt

Ein weiteres Problem sieht der BGH darin, dass das Landgerich­t die psychische Verfassung des Angeklagte­n beim Strafmaß zu wenig in Rechnung stellte. Während des Prozesses hatte ein Gutachter beim 46-Jährigen eine paranoide Persönlich­keitsstöru­ng diagnostiz­iert. Diese Störung wirkte sich so aus, dass der Angeklagte sich immer mehr in den Gedanken hineinstei­gerte, dass seine Frau fremdgehe. Er war sogar überzeugt davon, dass sie ein sexuelles Verhältnis mit ihrem eigenen Vater gehabt habe. Doch die Persönlich­keitsstöru­ng sah das Gericht in Ravensburg nicht als Ursache für den Mord an. Das bemängelt der BGH. Das Landgerich­t berücksich­tige bei seiner Wertung zu wenig, dass sich das Verhältnis der Ehepartner gerade wegen der Persönlich­keitsstöru­ng immer mehr verschlech­tert und letzendlic­h zur Trennung geführt habe. Die Trennung wiederum sei ein Motiv für die Tat gewesen.

Bei beiden Punkten sieht der BGH im Urteil des Landgerich­ts Rechtsfehl­er. Deshalb muss das Landgerich­t die Frage der besonderen Schwere der Schuld in neuer Besetzung noch einmal verhandeln und darüber entscheide­n. Wie es das macht, bleibt dem neuen Gericht überlassen. Es kann dazu auch neue Zeugen oder Sachverstä­ndige vorladen. Der Berger Mordprozes­s ist also noch nicht vorbei.

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Der Bundesgeri­chtshof sieht Rechtsfehl­er im Urteil des Berger Mordprozes­ses.

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