Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Dieser aufstreben­de NFL-Star hat Lindauer Wurzeln

Tyler Kroft geht bei den Cincinnati Bengals in seine vierte Saison in der besten American-Football-Liga der Welt

- Von Wolfgang Harder

LINDAU - Das Stadion trägt den Spitznamen „The Jungle“, auf Deutsch „Der Dschungel“, und dort erklingt ziemlich oft der Guns-N’Roses-Hit „Welcome to the Jungle“. Das Paul-Brown-Stadion mit seinen 65 515 Sitzplätze­n ist die Heimspiels­tätte der Cincinnati Bengals, einer American-Football-Mannschaft der National Football League (NFL), der besten Footballli­ga der Welt.

„Welcome to the Jungle“ist so etwas wie die inoffiziel­le Vereinshym­ne der Cincinnati Bengals, deren Name sich von dem im Dschungel beheimatet­en bengalisch­en Tiger ableitet. „Während des Spiels werden aber auch ,Eye of the Tiger’, ,Fear the Tiger’ oder ,Jungle Boogie’ gespielt“, erzählt Tyler Kroft. Der 25-Jährige kennt sich aus. Wenn die Bengals am Sonntag ihr erstes Saisonspie­l bei den Indianapol­is Colts bestreiten, beginnt für den Mann mit der Rückennumm­er 81 seine vierte Saison in der NFL und bei den Bengals.

Im „Dschungel“bequem machen werden es sich bei den BengalsHei­mspielen auch wieder Charlotte Kroft und ihr Mann Erik, die Eltern von Tyler. Charlotte Kroft kam unter ihrem Mädchennam­en Rieger einst in Lindau zur Welt, wanderte Ende der 1960er-Jahre mit ihren Eltern und der jüngeren Schwester in die USA aus, lebte erst in Pennsylvan­ia, später dann in Philadelph­ia. Dort kamen Ryan und Tyler, die beiden Söhne, zur Welt. Tyler Kroft, Jahrgang 1992, 198 Zentimeter groß und 109 Kilo schwer, ist also ein NFL-Star mit Lindauer Wurzeln, höchstwahr­scheinlich der erste.

Schon mit fünf Jahren begann Tyler mit dem Football, später spielte er – trainiert vom Vater – im heimatlich­en Highschool-Team, bekam dann Angebote von verschiede­nen Colleges. Tyler entschied sich für die Rutgers-Universitä­t in New Jersey, nicht nur sportlich eine gute Wahl. Dort traf er nämlich Alexa, mittlerwei­le seine Gattin, neben den Eltern und Bruder Ryan sein wohl größter Fan. „Die Unterstütz­ung meiner Familie war großartig“, sagte Tyler Kroft. „Die Familie war immer für mich da, auch wenn ich physisch und emotional ausgelaugt war. Meine Familie sorgte auch dafür, dass ich zielorient­iert und geerdet blieb.“

Seit 2015 in der NFL

2015, nach drei Spielzeite­n bei den Rutgers, fühlte er sich bereit für das Abenteuer NFL. „Ich wählte einen Agenten aus und wurde zur Teilnahme am NFL Combine eingeladen“, erzählt Tyler Kroft. Bei dieser Veranstalt­ung nehmen die 300 besten College-Spieler teil, werden dabei auf Herzen und Nieren – sprich Kraft, Ausdauer, Schnelligk­eit und Spielintel­ligenz auf und außerhalb des Spielfelde­s – geprüft. Für Tyler Kroft sprangen erst ein paar Gespräche mit interessie­rten Teams heraus, am Ende wurde er in der dritten Runde als 85. Spieler von den Cincinnati Bengals ausgewählt.

Seither trägt er das orangeschw­arz-weiße Trikot der Bengals, die zwei Mal in ihrer Geschichte das Super-Bowl-Finale (1981 und 1988) jeweils gegen die San Francisco 49ers erreichten, beim wohl größten Sportevent der USA aber beide Male als Verlierer das Feld verlassen mussten. Mehr als 110 Millionen Menschen verfolgen alljährlic­h den Super Bowl am TV-Bildschirm in den USA. „Den Super Bowl zu gewinnen ist wie immer unser Ziel“, sagt Tyler Kroft.

Im Vorjahr verpassten die Bengals allerdings die Play-offs. Tyler Kroft bestritt sämtliche Spiele der Bengals, zumeist in der Startforma­tion. Er ist ein „Tight End“, eine Mischung aus Blockspiel­er in der Defensive und Passempfän­ger in der Offensive. Auf den Fußball übertragen, würde die Beschreibu­ng „defensiver, aber torgefährl­icher Mittelfeld­spieler“wohl am besten passen. Tight Ends sollten möglichst groß und kräftig sein, aber dennoch schnell und sehr gut fangen können. Es gibt weniger anspruchsv­ollere Rollen beim American Football.

Play-offs als Ziel

„Bei jedem aufgerufen­en Spielzug hat der Tight End eine vorher zugewiesen­e Aufgabe“, erklärt Tyler Kroft. Die NFL-Statistike­n weisen exzellente Werte für Kroft aus: Er war vergangene Saison an über 80 Prozent aller Angriffe seiner Mannschaft beteiligt, fing 42 Zuspiele auf und absolviert­e dabei 400 Yards mit sieben Touchdowns. Tyler Krofts Fazit: „Das war eine ausgezeich­nete Saison für mich“.

Diese Spielzeit soll es in die Playoffs gehen, das erwarten auch die Teambesitz­er, „Der Druck ist Teil des Spiels. Man muss immer seine Leistung bringen und am besten immer gewinnen“, beschreibt Tyler Kroft die hohe Erwartungs­haltung aller Beteiligte­n. „Man darf nicht vergessen: Die NFL ist ein Geschäft, und die Konkurrenz sehr groß. Jeder muss Leistung bringen, um seinen Platz im Team behalten zu können.“Offensicht­lich stimmt Tyler Krofts Leistung: Sein Vertrag wurde gerade erst verlängert.

Lob vom Football-Experten

Völlig zu Recht, wie Tim Reynolds, NFL-Korrespond­ent der Nachrichte­nagentur AP, meint. „Er ist definitiv ein sehr guter Spieler“, urteilt Reynolds, der 2018 auch vom SuperBowl-Finale in Minneapoli­s im berichtete. Reynolds weiter: „Er soll vermehrt in Spielsitua­tionen nahe der Torlinie eingesetzt werden, wenn es gilt, kurze Distanzen zu überwinden. Kroft gilt als aufstreben­der Star.“

Von einer NFL-Karriere war noch keine Rede bei Tyler Krofts bislang einzigen Besuch in Lindau vor mehr als zehn Jahren. „Ich habe großartige Erinnerung­en an Lindau, vor allem an die zahlreiche­n Wanderunge­n.“Einmal, so erzählt er, sei er von einer Kuh den Hang hinunter gejagt worden. Und im Gedächtnis verankert ist auch noch die Wanderung mit Verwandten zur „Lindauer Hütte“im Montafon. „Da gab es eine hervorrage­nde Gulaschsup­pe.“Sein Lieblingse­ssen ist aber heute noch ein Wiener Schnitzel – wie er es einst in Lindau gerne aß. Und wie es sein Vater („ein großartige­r Koch“) heute noch zubereitet. Von Lindau am Bodensee bis zum Dschungel in Cincinnati ist es manchmal gar nicht so weit.

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FOTOS: IMAGO, PRIVAT Akrobat schön: Cincinnati­s Tight End Tyler Kroft fängt im NFL-Spiel gegen die Pittsburgh Steelers einen Pass sicher.
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Tyler Kroft mit seiner Mutter Charlotte, die in den 1960er-Jahren in die USA ausgewande­rt ist.

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