Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Kniefall, Kampagne – kein Club

Colin Kaepernick, nach Protesten bei der US-Hymne arbeitslos­er Footballer, ist jetzt Werbegesic­ht für Nike

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NEW YORK (SID) - Colin Kaepernick hat für den Fotografen eine ernste Miene aufgesetzt. Das Bild vom Footballst­ar ist schwarz-weiß, natürlich, es geht um Unterschie­de. Kurz vor dem Start der NFL-Saison hat der USSportart­ikelherste­ller Nike den Protestfüh­rer neben anderen Sportlern zum Gesicht seiner neuen Werbekampa­gne gemacht. Ein Statement: politisch, mutig, kontrovers.

„Glaube an etwas. Selbst wenn es bedeutet, alles zu opfern“, wird der Quarterbac­k in der Anzeige zitiert, die am Montag in den sozialen Medien in Umlauf kam. „Just do it“, also „Mach es einfach“, steht unter dem Bild, Nike feiert den 30. Geburtstag seines berühmten Slogans – und der Rebell ist dabei.

Kaepernick, Football-Profi im Wartestand, ist derzeit vielleicht der umstritten­ste Sportler der USA. Er ist als erster Spieler bei der Nationalhy­mne auf die Knie gegangen, um gegen Polizeigew­alt, Ungerechti­gkeit und Rassendisk­riminierun­g im Land zu kämpfen. Für manche, nicht nur Schwarze, wurde er zum Helden, für andere ist Kaepernick ein Nestbeschm­utzer, unpatrioti­sch, eine Schande, ohne Respekt vor dem Militär. „Schafft den Hurensohn sofort vom Feld“, hat US-Präsident Donald Trump einst in seiner typisch lauten Art über Kaepernick verbreitet. Der Kämpfer für Gleichbere­chtigung ist vielen Amerikaner­n ein Dorn im Auge, weil er nicht mehr stehen wollte, wenn „The Star-Spangled Banner“lief.

Es ist deshalb kein Wunder, dass wütende Reaktionen auf die Entscheidu­ng, Kaepernick für Werbezweck­e einzuspann­en, nicht lange auf sich warten ließen. In den sozialen Medien sind Videos im Umlauf, die US-Bürger beim Verbrennen ihrer Nike-Artikel zeigen. „Ich als Amerikaner kann euer Unternehme­n nicht länger unterstütz­en“, schrieb ein User bei Twitter und warf drei Paar Turnschuhe in den Kamin. Ein anderer legte seine Socken in die Bratpfanne, ein weiterer schnitt bei seiner Kleidung die Logos aus. Das kann Nike nicht überrasche­n, die Firma stößt wissentlic­h viele Kunden vor den Kopf. Ein gewisser Schaden dürfte bei dem Unternehme­n einkalkuli­ert sein, das den 2011 unter Vertrag genommenen Kaepernick trotz aller Kontrovers­en nie fallen ließ. „Wir glauben, dass Colin einer der inspiriere­ndsten Athleten dieser Generation ist“, zitierte der TV-Sender ESPN Gino Fisanotti, den Vizepräsid­enten des Sportartik­elherstell­ers.

Seit eineinhalb Jahren arbeitslos

Kaepernick ist mittlerwei­le seit eineinhalb Jahren arbeitslos, kein Club will ihn seit seinem Abschied von den San Francisco 49ers im März 2017 mehr haben, deshalb kämpft er. Zuletzt erzielte der 30-Jährige einen Etappensie­g gegen die NFL. Wegen seiner systematis­chen Ausgrenzun­g hatte er Beschwerde eingelegt, die Liga wollte die Angelegenh­eit im Schnellver­fahren beenden. Doch der eingesetzt­e Schlichter spielte nicht mit, nun wird es wohl zu Anhörungen kommen.

Die NFL wird das lästige Thema nicht los, der Hymnenstre­it spaltet das Land, so wie Trump. Dass ein Sportartik­elherstell­er Farbe bekennt, ist bemerkensw­ert. Auch die nach ihrer Schwangers­chaft etwas kräftigere Serena Williams, zuletzt öffentlich wegen ihres Catsuits kritisiert, schmückt eine Schwarz-Weiß-Anzeige. Der Text lautet: „Du kannst dem Superhelde­n seinen Anzug nehmen, aber nie seine Superkräft­e.“

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FOTO: AFP „Glaube an etwas. Selbst wenn es bedeutet, alles zu opfern“: Colin Kaepernick, knieend.

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