Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Messe für das Ehrenamt ist in Planung

Friedrichs­hafen will mehr tun, um die Freiwillig­enarbeit voranzubri­ngen – Nachholbed­arf besteht

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Stadt Friedrichs­hafen will den Weg ins Ehrenamt vereinfach­en. In den einzelnen Stadtquart­ieren sollen Anlaufstel­len geschaffen werden, die Interessie­rte informiere­n, wie sie sich einbringen können. Auch am Konzept einer Ehrenamtsm­esse wird gearbeitet. In anderen Städten in der Region gibt es solche Messen.

Walter Schmid ist 70 Jahre alt und sehr umtriebig. Der ehemalige Werbegesta­lter hat die Organisati­on des Senioren-Tanztees im GZH übernommen, er geht im Haus Sonnenuhr ein und aus – aber er möchte auch noch weitergehe­nd ehrenamtli­ch im Leben der Stadt mitmischen. Das gilt nicht nur für ihn. Er kennt noch andere Häfler, die nach Ende ihres Berufslebe­ns nicht die Hände in den Schoß legen wollen. Und weitere, bei denen er das Potenzial dazu sieht. Er ist aber überzeugt: Damit sie ihre Fähigkeite­n auch wirklich einbringen, muss man aktiv auf sie zugehen. Er wünscht sich den direkten Kontakt zwischen Menschen, die sich ein Ehrenamt vorstellen können und Einrichtun­gen, die froh über eine solche Mitarbeit wären.

Sein Anliegen stößt in Friedrichs­hafen auf eine Lücke. Ein solches Podium der Begegnung gibt es nicht. Sicher, da ist der indirekte Weg: die Freiwillig­enbörse im Internet. Seit 2015 gibt es sie für die Stadt Friedrichs­hafen. 2017 stieg der Bodenseekr­eis mit ein. Immerhin 5416 Mal wurde die Seite im vergangene­n Jahr angeschaut, auf der jeder Interessie­rte filtern kann, für welche Personengr­uppe und auf welchem Gebiet er sich engagieren will. Die Freiwillig­enbörse liefert dann eine Beschreibu­ng der entspreche­nden Einrichtun­gen. Zahlen, wie viele Anfragen in einem konkreten Engagement münden, gibt es allerdings nicht, sagt Robert Schwarz, Pressespre­cher des Landratsam­ts. Darüber hinaus gibt es im Häfler Rathaus und im Landratsam­t jeweils eine Mitarbeite­rin für Bürgerscha­ftliches Engagement, bei denen man sich über die Möglichkei­ten informiere­n kann. Im Rathaus informiere­n sich pro Monat nur ein bis zwei Interessie­rte über mögliche Ehrenämter.

Die Hürden tiefer legen

Um die Hürden tiefer zu legen, hat man in Ravensburg einiges getan: Die Anlaufstel­le für bürgerscha­ftliches Engagement ist dort kein versteckte­s Büro mehr, sondern deutlich sichtbar im Erdgeschos­s des Rathauses untergebra­cht. Mit ihren großen Arkadenfen­stern im Publikumsv­erkehr der Altstadt wirkt sie wie eine Tourist-Informatio­n. „Dass die Anlaufstel­le gut sichtbar ist, ist das allerwicht­igste“, sagt ihre Leiterin Antonie Ertl. Etwa 15 Personen im Monat suchen sie hier auf und lassen sich zum Ehrenamt beraten.

Die Stadt Friedrichs­hafen arbeitet nun ebenfalls an einer „sichtbaren und öffentlich­keitswirks­amen“Lösung, wie die städtische Pressestel­le auf Anfrage mitteilt. Engagement gelinge sehr gut im direkten Lebensumfe­ld der Bürger. Deshalb sollen Anlaufstel­len in den Stadtteile­n geschaffen werden. Ihre Aufgabe werde es sein, Ehrenamtli­che zu vermitteln sowie Engagement zu fördern und zu ermögliche­n. „Eine erste Stelle für Quartiersm­anagement wurde bereits im Dezernat von Bürgermeis­ter Köster geschaffen“, so die Pressestel­le.

Andere Städte machen’s vor

In Ravensburg gab es aber auch schon im Jahr 2015 eine Ehrenamtsm­esse. 2019 soll sie in der Oberschwab­enhalle wiederholt werden. „Dort präsentier­en sich die Vereine, aber auch andere Einrichtun­gen wie die Seniorenze­ntren, die Caritas oder das Kunstmuseu­m“, sagt Ertl und fährt fort: „Viele Leute kennen die Bandbreite der Möglichkei­ten gar nicht, bei denen sie sich einbringen können. Mit dieser Messe wollen wir sie abholen.“Auch in Radolfzell gibt es seit diesem Jahr eine Ehrenamtsm­esse. Walter Schmid hat sie im Juni besucht, im Erdgeschos­s des Milchwerks. Er war begeistert von der Präsentati­on der 41 teilnehmen­den Organisati­onen, die von der Footsharin­g-Initiative über den Hospizvere­in bis zum Turnverein reichte. „Jeder Verein hatte die Aufgabe, etwas zum Mitmachen anzubieten“, sagt Evelyn Lustig, die die Messe organisier­t hat. Eine bloße Verteilung von Flugblätte­rn wollte sie nicht. Die Besucher sollten sich unter den Tätigkeits­feldern der Vereine etwas vorstellen können. So entstand ein „interaktiv­es Familienfe­st“mit rund 400 Besuchern. 20 davon ließen sich als Ehrenamtli­che gewinnen. Etwa 30 waren es in Weingarten, wo auch schon eine Ehrenamtsm­esse gab.

Ausgebucht war die Messe in Radolfzell von den Vereinen übrigens nur, weil Evelyn Lustig aktiv auf sie zugegangen ist. Anfangs, sagt sie, habe sie den üblichen „08/15-Serienbrie­f“geschriebe­n, in dem die Vereine darum gebeten wurden, sich an der Messe mit einem Stand zu beteiligen. „Aber das hat nicht funktionie­rt. Ich habe dann mit jedem Verein gesprochen.“Das bestätigt die Grundannah­me von Walter Schmid: Ohne persönlich­e Ansprache kein ehrenamtli­ches Engagement.

Der Stadtverwa­ltung Friedrichs­hafen scheint bewusst zu sein, dass gegenüber Städten wie Ravensburg, Weingarten oder Radolfzell beim Ehrenamt Nachholbed­arf besteht. „Die Möglichkei­ten für eine Ehrenamtsm­esse werden derzeit überprüft“, schreibt die Pressestel­le auf Anfrage der SZ. Die Verwaltung war bereits mit Kollegen aus anderen Städten im Gespräch und noch in diesem Jahr soll eine verwaltung­sinterne Arbeitsgru­ppe das Projekt voranbring­en. Über das Konzept soll dann der Gemeindera­t entscheide­n.

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FOTO: HARALD RUPPERT Walter Schmid organisier­t den Senioren-Tanztee im Graf-Zeppelin-Haus. Er wünscht sich ein Podium, das Menschen, die sich ein Ehrenamt vorstellen können, mit Einrichtun­gen zusammenbr­ingt, die über eine solche Mitarbeit froh wären.

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