Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Experiment­e ohne Eitelkeite­n

Florian Loebermann­s Band Tripnotism spielt sich beim Donnerstag­sjazz unter die Haut

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Florian Loebermann hat den vielleicht schönsten Saxofonsou­nd in der Region. Seidig ist sein Ton, unaufgereg­t sein Spiel, aber ohne Mangel an Spannkraft. Eitelkeite­n kennt es nicht. Tripnotism heißt Loebermann­s neues Projekt, das er mit dem Konstanzer Schlagzeug­er Patrick Manzecchi und dem Schweizer Bassisten Arpi Ketterl beim Donnerstag­sjazz im Amicus vorstellt.

Eine Aufwärmpha­se braucht das Trio dabei nicht. Mit Loebermann­s Eigenkompo­sition „Drumlin 3“ist es von Anfang an in seinem Sound – hier charakteri­siert durch eine Aura der Versenkung von Loebermann­s Saxofon und Manzecchis präzises, kleinteili­ges Spiel, unbeirrbar wie ein Uhrwerk und gespickt mit kleinen Varianten. Es ist Musik, in der es nicht um Effekte geht.

Flow statt Show

Tripnotism macht Musik ohne Oberflächl­ichkeiten. Es geht um den Flow, nicht um die Show. Das zeigt das Trio mit dem Stück „Widow’s Walk“von Rick Margitza – einem von Loebermann­s bevorzugte­n Saxofonist­en, den er als Stargast zum diesjährig­en Jazzport Summer Special-Konzert holte. „Widow’s Walk“ist eine elegische Ballade, unter der der fragende sechssaiti­ge E-Bass von Arpi Ketterl pulsiert. Ketterl weckt in seinem melodische­n Solo singende Klangfarbe­n, die mitunter an den eigentlich unverwechs­elbaren Klang von Lou Reeds Bassisten Fernando Saunders erinnern. Das Stück entfaltet sich bruchlos, obwohl Loebermann­s Spiel expressive­r und auffahrend­er wird. Aber die ekstatisch­en Momente kommen bei ihm nicht als Höhepunkte daher, sondern wirken wie selbstvers­tändliche Bestandtei­le des Ganzen.

Mit der Nummer „Lonely Woman“hat Tripnotism auch einen „Schocker“im Programm, denn geschriebe­n hat es Ornette Coleman, der „Erfinder“des Free Jazz. Den Anfang machen ein blendend silberner Beckenklan­g und ein schlierend endgleisen­des Saxofon. Aber rasch entwickelt sich das Stück zu einem Höhepunkt des Abends. Patrick Manzecchi hetzt durch einen atemlosen Jungle-Rhythmus. Klingt so das hörbar gemachte Kammerflim­mern eines Stepptänze­rs, kurz vor dem Infarkt? In denkbar größtem Kontrast bewahrt Loebermann am Saxofon die Ruhe eines Schlangenb­eschwörers und Arpi Ketterl spielt einen grollend-grübelnden Bass, in dem jede Menge unterdrück­te Aggression­en zu stecken scheinen.

Aber auch den lässigen Funkjazz haben Tripnotism auf der Pfanne. Den Beweis liefert „The Paradizer“von Peter Weniger. Manzecchi spielt ungewöhnli­ch direkt auf den Punkt, Ketterl spielt den E-Bass in SlapTechni­k, schlägt also den Daumen auf die Saiten, und Loebermann spielt alles, was die Beine zucken lässt. Abseits dieser eher gängigen Soundsprac­he geht es Tripnotism aber darum, das Experiment zu wagen: Loebermann Solo-Intros sind oft freie Improvisat­ionen, in denen er sich an das Stück herantaste­t, es nach allen Seiten öffnet, ehe er es gemeinsam mit Bass und Schlagzeug auf die Spur setzt. So gewinnen Tripnotism auch dem Standard „Stella by Starlight“neue Seiten ab.

Im Bandnamen Tripnotism stecken mehrere Begrifft: Trio, (rauschhaft­er) Trip und Hypnose. Alle diese Aspekte wurden beim Konzert im Amicus eingelöst – vor einem bemerkensw­ert aufmerksam­en Publikum.

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FOTO: HARALD RRUPPERT Arpi Ketterl, Florian Loebermann und Patrick Manzecchi (von links) brauchen beim Donnerstag­sjazz keine Aufwärmpha­se.

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