Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Baldo und Balu schützen die Herde vor dem Wolf
Landwirtschaftsmeisterin Simone Lederer aus Horgenzell hält ostfriesische Milchschafe – Hunde unterstützen sie
HORGENZELL - „Herdenschutzhunde im Einsatz“heißt es auf einem Schild am Rand einer Streuobstwiese nahe Horgenzell. Dahinter liegen einige Schafe im Schatten. Nicht nur Schafe: Treten Neugierige näher, erheben sich zwei weiße Fellbündel und kommen wachsam an den Zaun. Die beiden jungen Pyrenäen-Berghunde Baldo und Balu bewachen die Herde. Wenn die Hunde ausgewachsen sind, sollen sie die Schafe vor Wölfen schützen, sagt Simone Lederer. Die 27-jährige Landwirtschaftsmeisterin aus Horgenzell hält ostfriesische Milchschafe. Aus der Milch macht sie Käse und Joghurt.
Noch sind Baldo und Balu erst sieben Monate alt. Wirklich vor dem Wolf schützen können sie ihre Herde erst, wenn sie zwei Jahre alt sind, sagt Lederer. Die Schäferin hat keine Zeit zu verlieren. Für sie steht fest: „Der Wolf ist schon da.“In Ostrach und im Donautal wurden bereits Wölfe gesichtet, im Schwarzwald haben sie schon Schafe gerissen – alles nicht weit weg. Im Winter hat Simone Lederer in Fronhofen mit Wanderschäfern gesprochen: „Die haben den Wolf alle schon gesehen.“
Ihre Pyrenäen-Berghunde hat die Schäferin bei einem Züchter in Mecklenburg-Vorpommern gekauft. Ihr ist wichtig, dass Baldo und Balu als Herdenschutzhunde zertifiziert und geprüft sind. Herdenschutzhunde arbeiten immer in Zweierteams. Baldo und Balu leben in und mit der Schafherde. „Die Schafe sind ihre Familie“, erklärt Simone Lederer. „Die würden sie immer verteidigen.“Wenn Spaziergänger an der Weide vorbeigehen, laufen die Hunde nur wachsam innen am Zaun mit. „Wenn allerdings ein fremder Hund in den Pferch springen würde, dann wär Rambazamba“, sagt die Schäferin. „Oder wenn ein fremder Mensch reingeht und eins der Schafe packt.“
Die beiden Herdenschutzhunde sind nicht die einzigen Hunde in Simone Lederers Betrieb. Hündin Lynn hat eine ganz andere Aufgabe: Als Hütehund dirigiert sie die Schafe überall da hin, wo die Schäferin ihre Herde haben will. Etwa wenn eine Weide abgefressen ist und die Schafe an einen neuen Standort wechseln. Oder wenn es abends in den Melkstand geht. Simone Lederer hat einen mobilen Melkstand, mit dem sie dorthin fährt, wo die Schafe gerade weiden.
Ostfriesische Milchschafe gelten als Dreinutzungsrasse: Sie liefern Milch, Fleisch und Wolle. Nur rund 200 Betriebe in Deutschland setzen auf diese widerstandsfähige Rasse, sagt die Schäferin. Meist sind es Kleinbetriebe mit zehn bis 30 Schafen. In ihrer eigenen Herde hat sie 19 Mutterschafe. Sie tragen Namen wie „Liebe“, „Schlappi“, „Birke“oder „Sieglinde“. Der Bock heißt Rassi.
Für Simone Lederer beginnt das Schäferjahr, wenn im Februar die Lämmer auf die Welt kommen. Anders als in vielen anderen Schafbetrieben dürfen sie zunächst bei ihren Müttern bleiben. In den ersten Wochen haben die Lämmer die Milch für sich allein. Danach wird geteilt: Die Lämmer verbringen den halben Tag auf der Kinderweide, sodass die Schäferin die Mutterschafe melken kann. Später, wenn die Lämmer größer sind, melkt Simone Lederer die ganze Milch. Die hofeigene Käserei ist bis in den späten Herbst hinein in Betrieb. Danach werden die Schafe trockengestellt. Das heißt, sie werden nicht mehr gemolken. Über den Winter können sie Kraft sammeln für die nächste Saison.
Und was wird aus den Lämmern? Die weiblichen Lämmer vergrößern die Herde. Die Bocklämmer lässt Simone Lederer ab Oktober schlachten, das Fleisch wird auf Bestellung verkauft. Verkauft wird auch die Wolle der Schafe. Ostfriesische Milchschafe gibt es mit weißem, schwarzem oder geschecktem Fell. Die Schäferin hat alle drei Varianten in der Herde. Ihre Schafe werden zweimal im Jahr geschoren, im Februar und im Juli.
Traum vom Schlachthaus
Seit 2015 hält Simone Lederer Milchschafe, seit 2017 hat sie die Käserei. Leben kann die Landwirtschaftsmeisterin von ihrem eigenen Betrieb noch nicht. Sie arbeitet zusätzlich halbtags woanders. Aber irgendwann will sie ihren Schafbetrieb hauptberuflich führen. Mit einer größeren Herde. Und zusätzlich zur Käserei will sie dann auch ein eigenes Schlachthaus haben. Den Sachkunde-Nachweis zum Schlachten hat sie schon.
Und warum hat die Landwirtschaftsmeisterin gerade einen Betrieb mit Milchschafen gegründet? Und das in einer Zeit, in der andere Schäfer wegen der Ausbreitung der Wölfe um ihre Existenz fürchten? „Das mit den Milchschafen war schon immer mein Traum“, sagt sie. „Und Träume muss man verwirklichen.“
Joghurt, Frischkäse und eingelegte Käsewürfel von Simone Lederers Milchschafen gibt es bei der Bäckerei Maier in Horgenzell, in Trauneckers Hofladen in Ravensburg-Mocken, bei der Bäckerei Hausmann in Weingarten, in den Dorfläden in Wolpertswende und Unterankenreute sowie im Edeka in Oberteuringen.