Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wenn die Miete einfach ausbleibt

Hirschegge­r kommt erst durch Räumungskl­age wieder in die eigene Immobilie

- Von Julia Freyda

ALTSHAUSEN - Laut einer PrognosStu­die fehlen in Baden-Württember­g 88 000 Wohnungen – nicht nur in den Großstädte­n, sondern auch in wirtschaft­sstarken ländlichen Gebieten wie dem Landkreis Ravensburg. An diesem Mangel hat Gerold Beil keine Zweifel, aber nach seinen jüngsten Erfahrunge­n mit einem Mieter in Altshausen ist ihm auch die Lust vergangen, seinen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Nicht nur die Miete ist ausgeblieb­en, sondern das Haus auch noch renovierun­gsbedürfti­g.

Im Herbst 2011 hat der Hirschegge­r die rund 50 Jahre alte Immobilie erworben und renoviert, eines der Badezimmer vollkommen neu hergericht­et. Im Juni 2012 ist ein Paar mit seinen vier überwiegen­d schon erwachsene­n Kindern eingezogen. „Die Miete kam zwar nicht immer pünktlich, aber dafür hatte ich noch Verständni­s“, berichtet Beil. Bis die Zahlungen aber ab November des vergangene­n Jahres komplett ausblieben. Anfang 2018 wurde er dann stutzig, weil bei ihm als Eigentümer ein Pfändungsb­escheid eintrudelt­e und auch die Bank sich wegen der Zahlungssc­hwierigkei­ten erkundigte. Denn die Bewohner des Mietobjekt­s waren auch bei Strom, Wasser, Abwasser und Müllabfuhr schon Monate im Verzug.

Ab dann hat der Hirschegge­r den Eigentümer­verein Haus und Grund eingeschal­tet, sich Rechtsbera­tung geholt. Mit einer Räumungskl­age hatte er vor Gericht zwar Erfolg, aber eine Räumung mit Gerichtsvo­llzieher wurde mehrfach verschoben. Letztendli­ch ist die Familie doch von sich aus ausgezogen, hat Anfang August die Schlüssel für rund 200 Quadratmet­er Wohnfläche übergeben.

Als Gerold Beil dann erstmals Grundstück und Haus betrat, war er erschütter­t. Der Garten war zugewucher­t und verwildert, Scheiben des Gewächshau­ses zerbrochen. Durch das Haus selber zieht sich ein muffiger Geruch. Die Gurte von Rollläden liegen abgerissen auf dem Boden, die Küche ist versifft, Türen der Einbauschr­änke sind ausgerisse­n. „Die Küche war zwar alt, aber voll funktionst­üchtig. Jetzt müssen wir sie auf jeden Fall rausreißen“, sagt Beil. Am schlimmste­n aber traf es den Eigentümer in Bade- und Schlafzimm­er: Schwarzer Schimmel an Decke und Wänden. „Hier scheint wohl nie gelüftet worden zu sein“, vermutet Beil. An den Waschbecke­n im renovierte­n Bad sind die Siphons durchgeros­tet. Seit der Schlüsselü­bergabe ist er fast täglich im Haus, um im Garten für Ordnung zu sorgen und im Gebäude mit Reparature­n zu beginnen. Jedes Mal reißt er die Fenster auf, aber noch immer hängt ein leicht muffiger Geruch in den Zimmern.

20 000 Euro Sanierungs­kosten

Zu den Mietschuld­en summieren sich bislang rund 2500 Euro Gerichtsko­sten. An erforderli­chen Sanierungs­kosten rechnet Beil mit rund 20 000 Euro. „Nach dieser Erfahrung bin ich mehr als ernüchtert, Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Der Im Bad ist die Decke verschimme­lt.

Mieter soll zahlungsun­fähig sein, am Ende bleiben wir noch auf allen Kosten sitzen“, sagt der Hirschegge­r. Die Immobilie will er trotzdem herrichten und voraussich­tlich wieder vermieten. „Ein Leerstand macht ja auch keinen Sinn. Aber die ganze Sache ist frustriere­nd.“

Für den Ortsverein Weingarten von Haus und Grund gehören solche Fälle zum Tagesgesch­äft. Von kleinen Störungen in der Nachbarsch­aft bis hin zum Mietnomade­n hat der Verein pro Jahr rund 2000 persönlich­e Beratungst­ermine mit seinen mehr als 2200 Mitglieder­n. In einem Fall wie von Gerold Beil ist die Räumungskl­age die einzige juristisch­e Möglichkei­t. „Das dauert bei uns in der Region rund ein halbes Jahr und dann kann es sich noch etwas hinziehen, bis die Räumung vollzogen wird“, berichtet ein juristisch­er Berater des Vereins. Dabei müsse dem Eigentümer aber bewusst sein, dass er auch die Kosten vorstrecke­n muss und keine Sicherheit hat, sie zurückzube­kommen. „In solchen Fällen ist es nachvollzi­ehbar, dass die Eigentümer sehr frustriert sind“, sagt der Berater. Daher empfehle er auch, schnell tätig zu werden und etwa bei ausbleiben­den Mieten nicht noch zu hoffen, dass die Lage sich schon noch bessern werde. „Das tut sie in den meisten Fällen nicht, sondern verschlimm­ert sich eher. Da bleibt der Eigentümer am Ende nur auf mehr Mietverlus­t sitzen“, sagt der Berater. Ein Fall wie der von Gerold Beil komme recht häufig vor. „Extreme Fälle von sogenannte­n Mietnomade­n sind in der Region die Ausnahme. Aber dass das Geld für die Miete nicht mehr reicht oder auch von vornherein klar war, dass zu knapp kalkuliert wurde, passiert immer wieder.“

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FOTO: JULIA FREYDA

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