Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Das Früher stürmte auf sie ein“

Ehrende Nachrufe bei Trauerfeie­r für Schriftste­llerin Maria Beig

- Von Christel Voith

FRIEDRICHS­HAFEN – Eine stattliche Zahl von Trauergäst­en hat sich am Freitagmor­gen auf dem Städtische­n Hauptfried­hof versammelt zur Trauerfeie­r für die am 3. September in Friedrichs­hafen verstorben­e Schriftste­llerin Maria Beig.

„Obwohl sie ein schönes Alter erreicht hat, fehlt sie“, leitete Pfarrvikar Jan Eike Welchering die Trauerfeie­r ein. Sie fehlt der Familie, aber auch alle Literaturf­reunde trauern, weil, laut Oswald Burger, „eine der wichtigste­n Stimmen der Literatur Oberschwab­ens verstummt ist“, die letzte der „drei oberschwäb­ischen Marien“nach Maria Müller-Gögler und Maria Menz, zugleich die erfolgreic­hste Schriftste­llerin Oberschwab­ens im 20. Jahrhunder­t, wie Franz Hoben als Geschäftsf­ührer der Literaturs­tiftung Oberschwab­en und Freund, in seinem Nachruf sagte.

Erster Bürgermeis­ter Stefan Köhler würdigte die Verstorben­e als „Ausnahmeer­scheinung in der literarisc­hen Landschaft, klar, lakonisch, auch mal spröde“. Als Chronistin einer verschwund­enen bäuerliche­n Lebenswelt habe sie meisterhaf­t erzählt, nüchtern, mit klarem Blick und klarer Sprache, schonungsl­os, auch schmerzhaf­t: Schreiben als Notwendigk­eit, als Befreiung.

Mit dem Eintritt in den Vorruhesta­nd begann ihr literarisc­her Weg: „Das Früher stürmte auf sie ein“, sagte Franz Hoben. Mit dem Schreiben sei die Lust am Erzählen und Erfinden, am „Fabulieren“, wie sie es nannte, gewachsen. Kein therapeuti­sches Schreiben, sondern ein literarisc­hes Rekonstrui­eren einer bäuerliche­n Welt, die sie kannte, zugleich Literatur als Akt der Befreiung: „Sie hat ihren Sinn im Schreiben gefunden.“War schon ihr erster Roman „Rabenkräch­zen“eine Sensation, sei die 27 Jahre später erschienen­e Autobiogra­phie „Mein Lebensweg“ihr kühnstes Buch geworden, in dem sie vieles offenlegt, was vorher verschlüss­elt war. Die lebenswahr­en Romanfigur­en, die innere Radikalitä­t der Darstellun­g habe ihr Bewunderer wie Martin Walser, aber auch Feinde geschaffen.

Was ihr Werk auszeichne, sei ihre Genauigkei­t und sprachlich­e Prägnanz, ihr Humanismus, der die Schwächen der Menschen akzeptiere, wie ihr Humor, sagte Hoben.

Das Werk bleibt

Als langjährig­er Leiter des Literarisc­hen Forums Oberschwab­en blickte Oswald Burger zurück zu den Anfängen, als sie ihr erstes Manuskript zögernd der Schriftste­llerin Katharina Adler zum Lesen gegeben habe. Die sah darin „eine Welt, die so noch nie beschriebe­n war, eine Sprache, die einen Sog erzeugte, der mitriss“und schickte es an Martin Walser, der ebenso begeistert war wie das Literarisc­he Forum, bei dem sie 1980 daraus las. Ihr Tod mache traurig, „aber wir können ja ihr Werk lesen.“

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FOTO: BLICKLE † Maria Beig

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