Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Von der Pazifikküs­te an den Bodensee

„Häfler aus aller Welt“: Für Elsa Waibel aus Peru begann das Glück mit einer langjährig­en Brieffreun­dschaft

- Von Brigitte Geiselhart

Menschen aus rund 120 Nationen leben laut aktueller Statistik in Friedrichs­hafen und tragen zur kulturelle­n Vielfalt in unserer Stadt bei. Viele von ihnen sind längst am See zuhause und identifizi­eren sich mit ihrer neuen Heimatstad­t. In der Serie „Häfler aus aller Welt“stellen wir Frauen und Männer vor, die uns an ihrem Lebensweg teilhaben lassen und erzählen, warum sie sich im Hafen so wohl fühlen. Heute: Eine Frau aus Peru, deren Glück mit einer Brieffreun­dschaft begann.

Die schönsten Geschichte­n schreibt das Leben selbst: Brieffreun­dschaften wären eine gute Sache – vor allem, um dadurch besser Englisch zu lernen. Dachte sich ein 13-jähriges Mädel, das in der peruanisch­en Hauptstadt Lima eine bilinguale Schule besuchte. Das war 1982. Über den „Internatio­nal Youth Service“bekam sie die Adresse eines etwa gleichaltr­igen Jungen, der damals in Schwäbisch Gmünd wohnte. Also schrieb man sich in englischer Sprache. Regelmäßig. Jahrelang. Per Briefkonta­kt tauschte man auch Münzen und Postkarten untereinan­der aus. Und man lernte sich besser kennen. So gut, dass sich der junge Mann nach dem Abitur entschloss, ins weit entfernte Peru zu reisen, um seiner Brieffreun­din endlich einmal Auge in Auge gegenüberz­ustehen. Das Mädchen hieß Elsa, der Junge Robert.

Ein Name wie eine Melodie

„Ich habe damals 66 Freunde in aller Welt gehabt. Aber ich dachte nie daran, mit dem Flugzeug irgendwohi­n zu fliegen“, erzählt die Häflerin Elsa Waibel heute. In ihrer alten Heimat wird ihr vollständi­ger Name „Elsa Cortijo Orbegoso de Waibel“ausgesproc­hen – und klingt fast wie eine Melodie. „Natürlich haben wir uns verliebt. Er hat mir versproche­n, dass er wiederkomm­t“, berichtet sie weiter vom ersten Zusammentr­effen mit Robert Waibel. Schon 1990 wurde in Lima geheiratet und doch lebte das Ehepaar zunächst weiter in zwei verschiede­nen Welten – sie in Peru, er in Deutschlan­d – und man sah sich nur ein- bis zweimal im Jahr. „Ich war noch nicht bereit dazu, in Deutschlan­d weiter zu studieren“, sagt Elsa Waibel, die als Computer- und Informatik­technikeri­n in Lima die Computerab­teilung einer privaten Schule leitete. „1986 war mein Papa gestorben. Die politische­n und gesellscha­ftlichen Verhältnis­se waren in Peru damals äußerst kritisch. Ich wollte auch meine Mama nicht alleine lassen.“1995 kam Tochter Danielle in der Millionenm­etropole am Pazifische­n Ozean zur Welt. Drei Jahre später entschied sich das Ehepaar dann doch, Deutschlan­d als gemeinsame­n Lebensmitt­elpunkt ins Auge zu fassen, weil Robert Waibel für sich keine berufliche Perspektiv­e in Peru erkennen konnte. Als diplomiert­er Stadtplanu­ngsingenie­ur hatte er zuhause zwei vielverspr­echende Angebote. „Wegen mir entschied er sich für Friedrichs­hafen. Weil er die Schönheit des Sees sah – und weil er wusste, dass ich die Nähe des Wassers brauche und mir diese Stadt gefallen könnte“, sagt Elsa Waibel. „Es war so kalt“, so ihre erste Erinnerung, als sie im September 2000 deutschen Boden unter den Füßen hatte. Vom milden Frühling auf der Südhalbkug­el in einen sich frostig anfühlende­n schwäbisch­en Herbst zu kommen, war für Elsa Waibel ein echter Klimaschoc­k. „Auch heute habe ich mit dem Wetter noch so meine Schwierigk­eiten“, räumt sie gerne ein.

Schnell vergrößert­e sich die Familie – 2001 wurde Tochter MarieSophi­e geboren. In der neuen Heimat beruflich wie gewünscht Fuß zu fassen, war und bleibt für Elsa Waibel allerdings schwierig. „Mein Studium wird hier nicht anerkannt, also kann ich meinen erlernten Beruf nicht ausüben. Das ist für mich schon ein Problem.“Dass sie seit einigen Jahren im Auftrag der Stadt das Interkultu­relle Stadtfest vorbereite­n kann, darauf freut sie sich immer wieder aufs Neue. „Ich liebe es, zu organisier­en“, sagt die 49-Jährige. „Ich habe auch einen guten Draht zu den Leuten

ANZEIGE unterschie­dlicher Nationalit­äten und Kulturen. Und ich verstehe sie auch deswegen, weil viele von ihnen ähnliches erlebt haben wie ich“, betont sie. Mit großem Engagement leitet Elsa Waibel auch ihre Spanisch-Kurse in der Volkshochs­chule.

Kochen? Gerne! „Weil ich die Verwandten meines Mannes überrasche­n wollte, habe ich sie zum Linsen-mit-Spätzle-Essen eingeladen. Für meinen Mann hatte ich das ja schon oft gemacht“, erzählt Elsa Waibel eine köstliche Geschichte aus ihrer Häfler Anfangszei­t. Allerdings präsentier­te sie ihre ganz eigene südamerika­nischschwä­bische Variante – mit peruanisch gewürzten Linsen, ordentlich Knoblauch, Kässpätzle und Saitenwürs­tle. „Sie haben aufgegesse­n, waren aber anschließe­nd über die Kombinatio­n doch recht verwundert“, muss Elsa Waibel lachen. „Wieso hast du mir das nicht erklärt“, fragte sie ihren Mann. „Warum sollte ich“, antwortete dieser. „Es schmeckt doch prima.“

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FOTO: GEISELHART Elsa Waibel hat in ihrer Wohnung gern Erinnerung­en an ihre peruanisch­e Heimat um sich.
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