Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Scheitern bleibt ein Tabuthema
Niemand spricht in der Öffentlichkeit gerne über eine Niederlage. Wenn sie noch nicht verkraftet ist, schon gar nicht. Es war deshalb eine eigentümliche Kultur des Scheiterns, die vergangene Woche bei der ersten Fuckup-Night in der Zeppelin-Universität zelebriert wurde. Die Fuckup-Night ist ein Podium, auf dem junge Unternehmer von ihren Misserfolgen berichten. Scheitern dürfe in Deutschland kein TabuThema mehr sein, war im Umfeld dieses Abends zu hören. In den USA sei es ja auch kein Problem, wenn man eine Existenzgründung vergeige.
Das mag richtig sein. Dass in den Vereinigten Staaten mit Gescheiterten besonders gütig umgegangen wird, kann man aber trotzdem nicht sagen. In einem Land, das den Weg vom Tellerwäscher zum Millionär zum nationalen Mythos macht und das „Streben nach Glück“als Recht in der Verfassung niederschreibt, darf man zwar mal auf die Nase fallen. Man hat danach aber auch die Pflicht, wieder aufzustehen.
Also, Krönchen richten und weiter geht’s? Diese Kraft hat nicht jeder. Nur bleibt diese Seite der Medaille bei der Fuckup-Night natürlich ausgespart. Die Sprecher auf dem Podium richten sich an Studierende, die es zu etwas bringen wollen. Für die meisten von ihnen ist eine geschäftliche Niederlage nur eine hypothetische Möglichkeit. Sie haben ihr erstes Start-upUnternehmen noch gar nicht auf den Weg gebracht. Sie sind hier, um aus den Fehlern anderer zu lernen, nicht um sie selbst zu machen. Was es bedeutet, wenn die Karriere, das Vermögen und auch die Beziehung in die Binsen geht, weil das eigene Unternehmen keine Zukunft hat, wissen sie nicht.
Sie erfahren es aber auch nicht wirklich bei der Fuckup-Night, denn die Sprecher auf dem Podium haben die Niederlagen der Vergangenheit hinter sich gelassen. Das Scheitern ist ein Erfahrungsschatz, aus dem sie neue Perspektiven gewonnen haben. Damit wird das Scheitern in seiner Tiefe gestreift, aber nicht ausgelotet. Scheitern wird zur Trainingsstation auf dem Fitnesspfad des starken Ichs, das weiter seinen Erfolg im Auge hat. Kann man wirklich sagen, dass das Versagen auf diese Weise enttabuisiert wird? Eher nicht. Es ist gut, dass die Unternehmer, die bei der Fuckup-Night das Wort ergreifen, aus ihrem Tief herausgefunden haben. Aber als sie mitten in ihm steckten, hätten sie sich in einem Gottesdienst oder beim Therapeuten wohler gefühlt als bei der Fuckup-Night mit ihrem ironischen Zungenschlag.
Scheitern ist zunächst einmal kein Stück auf einer Wegstrecke. Es ist perspektivlos. Ein Zustand, in dem man nicht weiterweiß und nicht weiterkann. Solange dieser Kernbereich des Scheiterns öffentlich nicht wirklich berührt wird, selbst wenn vom Scheitern die Rede ist, bleibt die Enttabuisierung dieser Erfahrung eine unerledigte Aufgabe.
Die Kulturtipps der Woche: Am Donnerstag beginnt in Friedrichshafen das bis Sonntag dauernde zweite FAB-Festival im Kulturhaus Caserne. Höhepunkte sind Konzerte der Szene-Größe „Der Nino aus Wien“am Donnerstag um 21 Uhr, ein Konzert der Rockin’60s am Freitag um 20 Uhr und ein Festival von zehn Bands auf drei Bühnen am Samstag ab 19 Uhr. Im Bahnhof Fischbach stellt zudem die Band De-Phazz am Samstag um 20 Uhr ihr neues Album „Black White Mono“vor. Der Pianist Ulrich Murtfeld stellt sein klassisches Konzert am Samstag, 22. September, um 19.30 Uhr im Langenargener Münzhof unter das Motto „Abendklänge“. Er spielt Werke von Beethoven, Schumann, Debussy und Liszt. Unter dem Titel „Mikrokosmos“steht ein Konzertabend am Sonntag, 23. September, um 18 Uhr in der Kirche St. Nikolaus. Organist Nikolai Gersak improvisiert dabei zu einem Stummfilm. Gersaks Konzert ist Teil des Kunstprojekts „Himmelsschwärmer“.