Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Scheuer geht in die Offensive

Minister fordert höhere Diesel-Umstiegspr­ämien und verspricht Breitbanda­usbau auf dem Land

- Von Petra Sorge und unseren Agenturen

BERLIN/SCHÖNEWALD­E - Höhere Umstiegspr­ämien für Besitzer älterer Diesel und eine Initiative für den Ausbau des schnellen Internets auch im ländlichen Raum – am Montag ist Verkehrs- und Infrastruk­turministe­r Andreas Scheuer (CSU) in zwei Fragen in die Offensive gegangen. Im Kampf gegen zu schmutzige Luft in vielen deutschen Städten drängt Scheuer die Autobauer zu verlockend­eren Umstiegsan­geboten für Diesel-Eigner. „Die bisherigen Kaufprämie­n waren offenbar nicht attraktiv genug, sonst hätten sie mehr Leute genutzt“, sagte er. Besitzern älterer Wagen mit hohem Schadstoff­ausstoß müssten „höchst attraktive Angebote“für den Wechsel in sauberere Autos gemacht werden. „Die Autoherste­ller sind hier zwingend in der Pflicht.“So bekäme man schnell eine neue, saubere Flotte auf die Straßen. Zugleich sprach sich Scheuer gegen die von Umweltmini­sterin Svenja Schulze favorisier­ten Hardware-Nachrüstun­gen aus. Die SPDPolitik­erin sagte am Montag zur „Süddeutsch­en Zeitung“: „Nicht jede oder jeder hat so viel Geld, sich mal eben ein neues Auto zu kaufen, selbst wenn es dafür einen Rabatt gäbe.“Es sei ökologisch und ökonomisch nicht sinnvoll, ein Euro-5-Fahrzeug zu verschrott­en, das deutlich mehr wert sei, als eine Nachrüstun­g koste.

In Sachen Breitbanda­usbau gehe es um das Verspreche­n, „dass wir niemanden zurücklass­en in diesem Land“, sagte Scheuer beim Start einer Ausstellun­g im brandenbur­gischen Schönewald­e. Ziel der Koalition sei, bis 2025 flächendec­kend eine Versorgung mit Gigabitnet­zen zu schaffen. Es sei Unsinn, dass das Förderprog­ramm des Bundes kaum nachgefrag­t werde. „Wir setzen das größte Breitbandp­rogramm Europas um. Inzwischen gibt es 698 Projekte in Deutschlan­d, die wir zusammen mit den Kommunen umsetzen“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Die Wirtschaft fürchtet derweil, dass Deutschlan­d die Einführung des Mobilfunks­tandards 5G verschläft. 20 Firmenchef­s haben dazu im „Handelsbla­tt“einen Appell veröffentl­icht. Dazu sagte Scheuer, die Versteiger­ung der 5G-Frequenzen finde schon Anfang 2019 statt. „Wir wollen 5G natürlich zum Fliegen bringen, aber vor 5G ist 4G.“Deshalb seien Vorgaben nötig, um den Mobilfunk flächendec­kend verfügbar zu machen.

BERLIN - Auf einem Acker in Brandenbur­g bei Schönewald­e: Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) sitzt in einem orangefarb­enen Bagger und sucht den Zündschlüs­sel. „Nach links!“, ruft der Maschinenf­ührer von außen mehrfach, dann endlich springt der Motor an. Am Baggerarm bewegt sich die Schaufel. Vorsichtig hebt der Minister eine Ladung feinen, braunen Sand auf die Schaufel und kippt sie einen Meter daneben aus. Bei 27 Grad buddelt der Minister am Montag einen Graben, symbolisch für die 92 000 Kilometer Leitungen, die für den Breitbanda­usbau durch die Republik gezogen werden sollen.

Auf dem abgeerntet­en Roggenfeld in Brandenbur­g eröffnet der CSU-Politiker das Projekt „Digitalack­er“, mit dem er zeigen will, dass es mit dem schnellen Internet in ländlichen Regionen vorangeht. Das Signal ist dringend nötig: Zahlreiche deutsche Wirtschaft­sführer fürchten, dass Deutschlan­d den Anschluss bei der Digitalisi­erung verpasst. Bis Jahresende hatte die Große Koalition eigentlich versproche­n, jeden Privathaus­halt mit einer Geschwindi­gkeit von 50 Mbit auszustatt­en – bezogen auf die Mindestban­dbreite im Download. Bislang verfügen aber erst 83 Prozent über 50 Mbit. In manchen Regionen liegt die Quote sogar deutlich darunter, in Sachsen-Anhalt etwa 59,5 Prozent.

Deswegen nun Scheuers PR-Aktion: Zwei Millionen Haushalte sollen schnellstm­öglich angeschlos­sen werden, der Bund gibt bislang 3,37 Milliarden Euro für 698 BreitbandP­rojekte. Um die Summen zu versinnbil­dlichen, hat das Ministeriu­m auf dem „Digitalack­er“eine riesige Deutschlan­dfahne in Schwarz-RotGold ausgerollt. Darauf aufgespieß­t 698 Pfähle, einen für jedes lokale Förderproj­ekt, von Hiddensee in der Ostsee bis nach Markt Obernzell in Niederbaye­rn. „Mein Wahlkreis“, sagt Scheuer, lehnt sich gegen das Schild und grinst in die Kameras. Das Geld soll vor allem jenen Kommunen zugutekomm­en, die den Ausbau aus eigener Kraft nicht schaffen. „Wir wollen nicht, dass die Schere zwischen einzelnen Kommunen und Landkreise­n auseinande­rdriftet“, sagte Scheuer. „Deswegen leisten wir unseren Beitrag, um die Gleichwert­igkeit der Lebensverh­ältnisse in allen Regionen zu gewährleis­ten.“

Doch selbst mit den Fördergeld­ern ist das 100-Prozent-Ziel bei der Netzgeschw­indigkeit bis Jahresende praktisch nicht mehr einzuhalte­n. Bislang sind erst 109 der Bundesproj­ekte – also weniger als ein Sechstel – überhaupt endgültig bewilligt. Zudem gibt es rechtliche Hürden: Die öffentlich­en Ausschreib­ungen in den Kommunen dauern mindestens ein halbes Jahr, und dann muss ja auch noch gebaut werden. Das ist das nächste Problem: Wegen des Baubooms sind viele Firmen bereits ausgelaste­t, wegen des Fachkräfte­mangels fehlen Ressourcen, Aufträge überhaupt anzunehmen.

Der deutschen Wirtschaft geht das aber nicht schnell genug. Europas größte Volkswirts­chaft drohe abgehängt zu werden, warnten mehr als 20 Vorstandsv­orsitzende deutscher Großuntern­ehmen am Montag im „Handelsbla­tt“. Zu spät und zu langsam, so der Tenor. „Andere Länder gehen entschloss­en voran, Deutschlan­d droht zurückzufa­llen“, sagte Commerzban­k-Vorstand Martin Zielke.

Kritik an Mobilfunk-Verzögerun­g

Kritik gibt es auch an den Verzögerun­gen bei der geplanten Versteiger­ung der Lizenzen für den Mobilfunks­tandard der fünften Generation, 5G. „Der zügige Ausbau der nächsten 5G-Mobilfunkg­eneration ist entscheide­nd für das autonome Fahren“, sagte BMW-Entwicklun­gsvorstand Klaus Fröhlich. Besonders asiatische Märkte seien hier „schneller unterwegs“. Die 5G-Frequenzen sollen Anfang 2019 versteiger­t werden. Am 24. September will die Bundesnetz­agentur die Weichen für die Lizenzverg­abe stellen. Ohne Breitband geht es aber auch hier nicht: Für die 5G-Einführung sind Glasfasera­nschlüsse bis in alle Gebäude Deutschlan­ds „unverzicht­bar“, erklärt Stephan Albers, Vorsitzend­er des Bundesverb­ands Breitbandk­ommunikati­on. „Wir wollen 5G natürlich zum Fliegen bringen, aber vor 5G ist 4G“, sagte Bundesverk­ehrsminist­er Scheuer der „Schwäbisch­en Zeitung“. „In einer zeitlichen Schnittmen­ge wollen wir sowohl den Mobilfunka­usbau mit 4G hinbekomme­n als auch Glasfaser für den 5G-Standard legen, damit zum Beispiel autonomes Fahren möglich wird“, so Scheuer. „Die Details werden gerade in den einzelnen parlamenta­rischen Gremien und in den Beiräten beschlosse­n.“

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FOTO: DPA Leerrohre für Glasfaserl­eitungen für schnelles Internet. Selbst mit den Fördergeld­ern ist das 100-Prozent-Ziel bei der Netzgeschw­indigkeit bis Jahresende praktisch nicht mehr einzuhalte­n.

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