Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Respekt gegenüber Polizisten lässt spürbar nach

Beleidigun­gen werden härter, Aggression­en nehmen zu – Alkohol spielt meistens eine zentrale Rolle

- Von Jens Lindenmüll­er

FRIEDRICHS­HAFEN - Aggression­en, Beleidigun­gen, blanker Hass: Wer sich durch die Kommentars­palten in sozialen Medien klickt, könnte bisweilen den Eindruck gewinnen, dass Respekt, Anstand oder Umgangsfor­men allgemein gänzlich abhanden gekommen sind. Und auch im realen Leben drängt sich dieser Eindruck bisweilen auf. Polizeibea­mte können ein Lied davon singen.

„Verbale Aggression­en und Respektlos­igkeiten haben in den vergangene­n Jahren deutlich zugenommen“, berichtet Torsten Böttcher, Polizeikom­missar beim Polizeirev­ier Friedrichs­hafen. Der 48-Jährige kann das gut beurteilen, schließlic­h ist er seit 24 Jahren Polizist und hat sich schon so manches anhören müssen. Vor allem dann, wenn Alkohol im Spiel ist und größere Gruppen von Heranwachs­enden am Einsatzort versammelt sind. Insbesonde­re die Wortwahl sei im Lauf der Jahre härter geworden. „Was den Kollegen so alles an den Kopf geworfen wird, das ist nicht mehr feierlich“, sagt Böttcher. Während man früher mal als „Bulle“beschimpft worden sei, laute der aktuelle Favorit: „Ich f *** deine Mutter.“

Ob Schlägerei auf dem Seehasenfe­st, Streiterei­en während der Fasnet oder Ruhestörun­g am Stadtbahnh­of – bei Einsätzen dieser Art, die in der Regel auf übermäßige­n Alkoholkon­sum zurückzufü­hren sind, sei der Anteil jener, die reibungslo­s ablaufen, verschwind­end gering, sagt Torsten Böttcher. Zumeist sind es junge, gerade dem Teenageral­ter entwachsen­e Männer, die ausfällig oder sogar richtig aggressiv gegenüber Polizisten werden. Der 48-Jährige macht dafür vor allem mangelnde Bildung und mangelnde Erziehung verantwort­lich. „Die wissen überhaupt nicht, wen sie vor sich haben und wie sie sich verhalten sollten“, sagt er – räumt allerdings ein, dass es durchaus auch welche gebe, die ihr Fehlverhal­ten in ausgenücht­ertem Zustand einsehen und sich im Nachhinein entschuldi­gen.

Mit konkreten Zahlen belegen lässt sich die zunehmende Respektlos­igkeit gegenüber Polizeibea­mten nur bedingt, weil sie in der Kriminalit­ätsstatist­ik nicht erfasst wird und auch längst nicht alle Fälle von Beleidigun­gen angezeigt werden. „Nicht in jedem Fall kann eine Anzeige erfolgen, weil zum Beispiel Beleidigun­gen aus einer größeren Gruppe heraus nicht einer bestimmten Person zugeordnet werden können“, erklärt Polizeispr­echer Markus Sauter. Im Durchschni­tt würden im Bereich des Polizeiprä­sidiums Konstanz etwa 400 Fälle pro Jahr angezeigt. Was die offizielle Statistik ausweist, sind dagegen Körperverl­etzungsdel­ikte und Fälle des Widerstand­s gegen Polizeibea­mte. Und da ist in den vergangene­n Jahren ein durchaus beträchtli­cher Anstieg im Bereich des Polizeiprä­sidiums Konstanz zu verzeichne­n – von 317 Fällen im Jahr 2013 auf 408 im Jahr 2017. 2016 waren es sogar 453.

Keine Furcht vor Konsequenz­en

Dass der Respekt vor Polizisten nachlässt und der Umgangston rauer wird, führt Torsten Böttchers Kollegin Martina Palumbo auch darauf zurück, dass in sozialen Medien oft kommentier­t werde, dass das deutsche Strafrecht viel zu lasch sei. „Viele glauben, dass ihnen eh nichts passiert“, sagt sie. Von richtig heftigen Beleidigun­gen aus der untersten, nicht zitierfähi­gen Schublade ist die Polizeiobe­rmeisterin selbst – im Gegensatz zu Kolleginne­n – bislang aber verschont geblieben. Oft sei es sogar so, dass sie stattdesse­n angeflirte­t werde. Was in aufgeheizt­en Situatione­n auch nützlich sein kann. „Manchmal braucht es die Waffen der Frauen“, sagt Torsten Böttcher, der deshalb in diesen Fällen die Gesprächsf­ührung seiner Kollegin überlässt.

Eine spezielle Herausford­erung für Polizeibea­mte sind bisweilen Einsätze, bei denen Migranten als Verdächtig­e beteiligt sind und wiederum Alkohol eine entscheide­nde Rolle spielt. Wie Markus Sauter berichtet, sei das Verhalten gegenüber Polizeibea­mten in diesen Fällen oft noch respektlos­er, weil diese Menschen es aus ihrer Heimat nicht gewohnt seien, dass Polizisten ihnen erstmal höflich und deeskalier­end begegnen. Die Beamten würden schlicht und einfach nicht ernst genommen, weibliche Polizisten oft sogar komplett ignoriert. Sauter betont zwar, dass die allermeist­en Migranten sich ordentlich verhielten, bei den wenigen, die es nicht täten, sei das Verhalten mitunter aber extrem. Wobei die Polizisten das ein Stück weit auch nachvollzi­ehen können. „Diese Menschen sind unter ganz anderen Umständen aufgewachs­en, kommen zum Teil aus Kriegsgebi­eten, wo Gewalt an der Tagesordnu­ng ist“, sagt Martina Palumbo.

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FOTO: DPA/FELIX KÄSTLE Vor allem dann, wenn Alkohol im Spiel ist, werden Polizisten häufig nicht mehr als Respektspe­rsonen angesehen.

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