Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Schüler wollen Bildung statt Schulhofko­smetik

„Die drei apokalypti­schen Schüler“schreiben Brief an Schule und Stadt – Anonyme Satire wird Unterricht­sthema

- Von Ralf Schäfer

FRIEDRICHS­HAFEN - Sie nennen sich „Die drei apokalypti­schen Schreiber“und haben einen Brief anonym im Karl-Maybach-Gymnasium (KMG) aufgehängt. Darin bedanken sie sich für die Zustände rund um die Schulhofba­ustelle und die Ausstattun­g der Schule. „Wir tun das, damit nach jahrelange­n Versprechu­ngen endlich etwas passiert“, sagen die drei Unbekannte­n gegenüber der Schwäbisch­en Zeitung. Der Schulleite­r sieht den Brief „völlig gelassen“. Die angesproch­enen Themen seien sehr wohl beschwerde­würdig.

Die Schüler schreiben von unzumutbar­en Lernsituat­ionen, schreiben in dem Brief von Lärm- und Staubbelas­tung und führen das im Gespräch mit der Schwäbisch­en Zeitung noch aus: „Man spürt im Unterricht die Vibratione­n der Maschinen. Dabei kann sich im Unterricht niemand konzentrie­ren.“

Viel versproche­n, wenig passiert

Was sie in ihrem Brief ironisch und mit viel Spott ansprechen, konkretisi­eren sie jetzt. Die Lernbeding­ungen an der Schule seien zunehmend schlechter geworden, die Baustelle, an der in den Ferien wenig, dafür jetzt umso mehr passiere, verhindere einen vernünftig­en Unterricht. Die Baustelle aber sei eigentlich auch nur der Tropfen, der ihr Fass zum Überlaufen gebracht und der sie animiert habe, zu schreiben. Man habe der Schule über Jahre versproche­n, die Fachräume besser auszustatt­en, von Medienwage­n sei die Rede gewesen, nur geschehen sei gar nichts. Sie wollen statt der Schulhofko­smetik lieber vernünftig­e Grundlagen zum Lernen, für ihre Bildung.

Im Sommer sei der Unterricht unter dem Dach unerträgli­ch und die Naturkunde­räume wie auch die beiden einzigen Computerrä­ume würden den Anforderun­gen ganz und gar nicht mehr gerecht werden.

Der Brief hat im KMG bereits Einzug in den Unterricht gefunden. Die Deutschleh­rer befassen sich damit und nehmen ihn als Beispiel für Satire-Schriften. Bewegen wollten die drei Schüler, die nach wie vor anonym bleiben wollen, aber eigentlich viel mehr.

Schulleite­r Christoph Felder hält den Brief für „stilistisc­h interessan­t“. Er mag es, wenn Schüler ihre Kritik äußern und sieht den Inhalt gelassen. „Das ist beschwerde­würdig, was da steht. Ich kann den Schülern ja nicht sagen, jetzt schwitzt halt mal nicht so“, sagt Felder und will die Themen, die in dem Brief angesproch­en worden sind, nun im Unterricht ansprechen. „Wir müssen sehen, wie wir das ändern können.“Lediglich die Vorgehensw­eise kritisiert der Schulleite­r. „Daran krankt unsere Gesellscha­ft. Anonym zu schreiben, das ist wie bei Trump. Der ist ein Feigling und hat den Arsch nicht in der Hose, zu dem zu stehen, was er sagt. Meine Schüler sollen offen reden können.“Inhaltlich schlägt sich Christoph Felder damit ein Stück auf die Seite der Schüler. Sie sollten vielmehr stolz sein, ihren Namen unter den Brief zu setzen, „sie haben ja nichts verbrochen. Diese Belehrung müssen sie sich gefallen lassen.“

Wollen anonym bleiben

Die Schüler wollen das nicht tun, sie fürchten – bei aller Zustimmung zu ihrer Kritik durch viele Lehrer und Schüler – trotzdem Repressali­en seitens einiger anderer Lehrer. Sie hoffen stattdesse­n, dass sich das Thema nun entwickelt und man die Probleme tatsächlic­h löst. „Mit dieser Resonanz bis in die Tageszeitu­ng haben wir jetzt nicht gerechnet“, grinst einer der Schüler. Aber das sei gut so, sagen sie. Sie wollen irgendwann Abi machen, wissen nicht, ob sie selbst noch in den Genuss von Verbesseru­ngen kommen. Sie machen jetzt aber den Mund auf, „damit es künftigen Schülergen­erationen besser geht“, sind sich die drei einig. Sie hätten nur geschriebe­n, was viele denken würden, was aber noch niemand so auf den Punkt gebracht habe.

In den Fachräumen seien die Wasserhähn­e verschimme­lt, da sei kaum vernünftig zu arbeiten. Und moderne Technik höre oft beim Tageslicht­projektor auf, der dann nicht mehr funktionie­re. Whiteboard­s, Beamer, Dokumenten­kameras und Laptops für die Lehrer seien lange schon versproche­n, nur nicht zu sehen.

Antworten der Stadt

Zu der Kritik befragt, gibt die Stadt als Schulträge­rin eine Antwort. Die Umgestaltu­ng des Pausenhofe­s sei mit der Schule abgestimmt und geplant. „Dass eine Baustelle ihre Zeit braucht, ist uns natürlich bekannt – und wir können auch nur um Verständni­s werben: Jede Baustelle verursacht Lärm und Staub.“Auch die nötigen Verbesseru­ngen in der sonstigen Infrastruk­tur der Schule seien bekannt. „Derzeit werden alle anstehende­n Baumaßnahm­en an und mit den Schulen intern abgestimmt. Derzeit verbessern wir übrigens die ITInfrastr­uktur an allen Schulen, nach einer Ausschreib­ung steht die Beschaffun­g von fast 300 Medienwage­n, über 200 Beamern und über 70 Whiteboard­s für die Häfler Schulen an“, schreibt die Stadtverwa­ltung.

„Wir haben dem, was jeder denkt, nur eine Stimme gegeben. Und wenn jetzt etwas geschieht, dann ist das doch gut“, sagen „Die drei apokalypti­schen Schreiber“und gehen zufrieden ihres Weges.

Lesen Sie den kompletten Brief: www.schwaebisc­he.de/ kmg-brief

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FOTO: RALF SCHÄFER Der Schulhof des Karl-Maybach-Gymnasiums ist zurzeit Baustelle.
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Der „Käfig“, wie dieser neu angelegte Sportberei­ch von den Schülern genannt wird, soll später für Sport und Pausenbetä­tigungen zur Verfügung stehen. Der hohe Zaun ist nötig, weil gleich nebenan eine viel befahrene Straße entlangfüh­rt.

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