Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Schüler wollen Bildung statt Schulhofkosmetik
„Die drei apokalyptischen Schüler“schreiben Brief an Schule und Stadt – Anonyme Satire wird Unterrichtsthema
FRIEDRICHSHAFEN - Sie nennen sich „Die drei apokalyptischen Schreiber“und haben einen Brief anonym im Karl-Maybach-Gymnasium (KMG) aufgehängt. Darin bedanken sie sich für die Zustände rund um die Schulhofbaustelle und die Ausstattung der Schule. „Wir tun das, damit nach jahrelangen Versprechungen endlich etwas passiert“, sagen die drei Unbekannten gegenüber der Schwäbischen Zeitung. Der Schulleiter sieht den Brief „völlig gelassen“. Die angesprochenen Themen seien sehr wohl beschwerdewürdig.
Die Schüler schreiben von unzumutbaren Lernsituationen, schreiben in dem Brief von Lärm- und Staubbelastung und führen das im Gespräch mit der Schwäbischen Zeitung noch aus: „Man spürt im Unterricht die Vibrationen der Maschinen. Dabei kann sich im Unterricht niemand konzentrieren.“
Viel versprochen, wenig passiert
Was sie in ihrem Brief ironisch und mit viel Spott ansprechen, konkretisieren sie jetzt. Die Lernbedingungen an der Schule seien zunehmend schlechter geworden, die Baustelle, an der in den Ferien wenig, dafür jetzt umso mehr passiere, verhindere einen vernünftigen Unterricht. Die Baustelle aber sei eigentlich auch nur der Tropfen, der ihr Fass zum Überlaufen gebracht und der sie animiert habe, zu schreiben. Man habe der Schule über Jahre versprochen, die Fachräume besser auszustatten, von Medienwagen sei die Rede gewesen, nur geschehen sei gar nichts. Sie wollen statt der Schulhofkosmetik lieber vernünftige Grundlagen zum Lernen, für ihre Bildung.
Im Sommer sei der Unterricht unter dem Dach unerträglich und die Naturkunderäume wie auch die beiden einzigen Computerräume würden den Anforderungen ganz und gar nicht mehr gerecht werden.
Der Brief hat im KMG bereits Einzug in den Unterricht gefunden. Die Deutschlehrer befassen sich damit und nehmen ihn als Beispiel für Satire-Schriften. Bewegen wollten die drei Schüler, die nach wie vor anonym bleiben wollen, aber eigentlich viel mehr.
Schulleiter Christoph Felder hält den Brief für „stilistisch interessant“. Er mag es, wenn Schüler ihre Kritik äußern und sieht den Inhalt gelassen. „Das ist beschwerdewürdig, was da steht. Ich kann den Schülern ja nicht sagen, jetzt schwitzt halt mal nicht so“, sagt Felder und will die Themen, die in dem Brief angesprochen worden sind, nun im Unterricht ansprechen. „Wir müssen sehen, wie wir das ändern können.“Lediglich die Vorgehensweise kritisiert der Schulleiter. „Daran krankt unsere Gesellschaft. Anonym zu schreiben, das ist wie bei Trump. Der ist ein Feigling und hat den Arsch nicht in der Hose, zu dem zu stehen, was er sagt. Meine Schüler sollen offen reden können.“Inhaltlich schlägt sich Christoph Felder damit ein Stück auf die Seite der Schüler. Sie sollten vielmehr stolz sein, ihren Namen unter den Brief zu setzen, „sie haben ja nichts verbrochen. Diese Belehrung müssen sie sich gefallen lassen.“
Wollen anonym bleiben
Die Schüler wollen das nicht tun, sie fürchten – bei aller Zustimmung zu ihrer Kritik durch viele Lehrer und Schüler – trotzdem Repressalien seitens einiger anderer Lehrer. Sie hoffen stattdessen, dass sich das Thema nun entwickelt und man die Probleme tatsächlich löst. „Mit dieser Resonanz bis in die Tageszeitung haben wir jetzt nicht gerechnet“, grinst einer der Schüler. Aber das sei gut so, sagen sie. Sie wollen irgendwann Abi machen, wissen nicht, ob sie selbst noch in den Genuss von Verbesserungen kommen. Sie machen jetzt aber den Mund auf, „damit es künftigen Schülergenerationen besser geht“, sind sich die drei einig. Sie hätten nur geschrieben, was viele denken würden, was aber noch niemand so auf den Punkt gebracht habe.
In den Fachräumen seien die Wasserhähne verschimmelt, da sei kaum vernünftig zu arbeiten. Und moderne Technik höre oft beim Tageslichtprojektor auf, der dann nicht mehr funktioniere. Whiteboards, Beamer, Dokumentenkameras und Laptops für die Lehrer seien lange schon versprochen, nur nicht zu sehen.
Antworten der Stadt
Zu der Kritik befragt, gibt die Stadt als Schulträgerin eine Antwort. Die Umgestaltung des Pausenhofes sei mit der Schule abgestimmt und geplant. „Dass eine Baustelle ihre Zeit braucht, ist uns natürlich bekannt – und wir können auch nur um Verständnis werben: Jede Baustelle verursacht Lärm und Staub.“Auch die nötigen Verbesserungen in der sonstigen Infrastruktur der Schule seien bekannt. „Derzeit werden alle anstehenden Baumaßnahmen an und mit den Schulen intern abgestimmt. Derzeit verbessern wir übrigens die ITInfrastruktur an allen Schulen, nach einer Ausschreibung steht die Beschaffung von fast 300 Medienwagen, über 200 Beamern und über 70 Whiteboards für die Häfler Schulen an“, schreibt die Stadtverwaltung.
„Wir haben dem, was jeder denkt, nur eine Stimme gegeben. Und wenn jetzt etwas geschieht, dann ist das doch gut“, sagen „Die drei apokalyptischen Schreiber“und gehen zufrieden ihres Weges.
Lesen Sie den kompletten Brief: www.schwaebische.de/ kmg-brief