Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Fahrlässige Tötung: Freispruch in zweiter Instanz
Bei einem Unfall in Daisendorf stirbt ein Radler – Neues Gutachten entlastet verurteilten Autofahrer
KONSTANZ/DAISENDORF (naa) Das Landgericht Konstanz hat einen 59-Jährigen aus dem westlichen Bodenseekreis in zweiter Instanz vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Das Amtsgericht Überlingen hatte ihn im Februar in erster Instanz für schuldig befunden. Ein Jahr zuvor hatte er in Daisendorf mit seinem VW-Bus einen Radler angefahren. Der 54-Jährige starb an den Verletzungen, die er durch den Unfall erlitten hatte.
Der Unfall ereignete sich an der Einfahrt zum Rewe-Markt. Aus Richtung Meersburg kommend, wollte der 59-Jährige auf der Meersburger Straße nach links zum Supermarkt abbiegen und ordnete sich dementsprechend ein. Weil er die Lichter eines Fahrzeugs sah, das den ReweParkplatz gerade verlassen wollte, stoppte er, fuhr dann mit seinem VW-Bus aber wieder langsam an. Dann hörte er den Knall.
Wie sich herausstellte, hatte er einen dunkel gekleideten Radfahrer übersehen, der vermutlich ohne Licht relativ schnell die Meersburger Straße hinunter fuhr. In der Dunkelheit, bei Regen und starken Windböen, war die Sicht zu diesem Zeitpunkt schlecht. Beim Zusammenstoß wurde der 54-jährige Radfahrer über die rechte Seite des Kleintransporters geschleudert. Aufgrund schwerer Kopfverletzungen verstarb er noch an der Unfallstelle. Er hatte keinen Helm getragen.
Für den 59-Jährigen war danach nichts mehr wie zuvor: „Ich habe den Mann sterben sehen“, sagte er jetzt in der Berufungsverhandlung am Landgericht Konstanz. Das Auto hat er verkauft. „Ich konnte da nicht mehr einsteigen.“Zu der psychischen Belastung, zumindest eine Mitschuld am Tod eines Menschen zu tragen, kam die strafrechtliche Verfolgung. Gegen einen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft hatte er Einspruch eingelegt, sodass es im Frühjahr zu einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Überlingen kam.
Radler muss schnell gewesen sein
Ein Sachverständiger stellte damals fest, dass der Zusammenstoß bei entsprechender Aufmerksamkeit vermeidbar gewesen wäre. Dass der Radfahrer bei Dunkelheit sowie heftigen Regen- und Graupelschauern in dunkler Kleidung und ohne Licht unterwegs war, hatte er in seine Einschätzung miteinbezogen. Der Richter sprach eine Verwarnung aus und behielt sich die Verhängung einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 45 Euro für die Dauer eines Jahres vor. Als Auflage sollte der 59-Jährige 2000 Euro Geldbuße bezahlen.
Gegen diese Entscheidung wurde sowohl vom Angeklagten, der jetzt ein Gegengutachten vorlegte, als auch von der Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Nach einer neuen Beweisaufnahme mit drei Zeugen und nun zwei SachverständigenGutachten wendete sich das Blatt. Der zweite Gutachter, der die Strecke mit einem Gefälle von sieben Prozent unter ähnlichen Bedingungen selbst abgefahren war, kam zu einem anderen Schluss. Der als sehr sportlicher und fast verwegener Rennradfahrer beschriebene, tödlich verunglückte 54-Jährige müsse deutlich schneller unterwegs gewesen sein, hieß es. Allein schon mit leichtem Treten habe der zweite Sachverständige bei seinem Selbstversuch eine Geschwindigkeit erreicht, die über der lag, die der erste Gutachter berechnet hatte. Und bei der man noch rechtzeitig hätte reagieren können.
Laut Zeugenaussagen hatte der 54-Jährige auf der abschüssigen Strecke aber ein wenig stärker in die Pedale getreten. Somit soll er bei den miserablen Sichtverhältnissen einfach zu schnell gewesen sein, um rechtzeitig gesehen zu werden. Unter Einbeziehung weiterer Indizien kam die Berufungskammer jetzt zu dem Schluss, dass dem 59-Jährigen keine Pflichtverletzung nachzuweisen sei. Auch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hatte diesmal für einen Freispruch plädiert.