Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Mister Turners Gespür für Kunst
„Mr. Turner – Meister des Lichts“(Mo., Arte, 20.15 Uhr) –
Hollywood wäre sicher anders mit dem Stoff umgegangen und hätte einen seiner smarten Stars als Künstlerhelden gewählt.
Der knurrende Griesgram Timothy Spall in der Rolle des englischen Malers William Turner (1775-1851) ist nicht dem Glamour, sondern der Wahrhaftigkeit verpflichtet. In diesem europäischen Kinostück, 2014 mit einer Riege britischer Schauspieler gedreht, ist der Realismus manchmal kaum auszuhalten. Man sieht alles ganz genau: die gelben Zähne, die Spucke auf der Leinwand, den Ausschlag im Gesicht der gebeugten Haushälterin Hannah, die beiläufig vom leicht fiesen Meister befummelt wird. Umso berührender wirkt die Schönheit, die Turner mit seiner Kunst feiert. Regisseur Mike Leigh zeigt in seinem brillanten Spielfilm, wie dieses Genie lebte und was ihn inspirierte. Er zeigt die Kleinlichkeiten des Alltags und den goldenen Schimmer über Flandern, die kalte Sonne an der englischen Küste, im Dunst verschwimmende Formen. Und er präsentiert viele Turner-Gemälde, so kühn und frisch, als seien sie gerade erst entstanden. Lange vor der Moderne hatte Turner seine Art der Abstraktion entdeckt. Dass die gelackten Kollegen der Royal Academy ihn als Kleckser verhöhnten, ließ ihn ebenso kalt wie das Gejammer betrogener Frauen. Sie waren für ihn nur Statisten, Strichfiguren in einer Welt des Lichts.