Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
KressCendo führt zur aufgehenden Sonne
Ola Gjeilos Messe mit Chorkonzert in der Kressbronner Festhalle
KRESSBRONN - Keiner der Zuhörer, die am Samstagabend beim Chorkonzert von KressCendo die Festhalle gefüllt haben, hat sich wohl dem Zauber von Ola Gjeilos Messe entziehen können. Gebannt lauschte man dem harmonischen Zusammenwirken von Chor und Streichorchester, eingehüllt in ein faszinierendes Farbenspiel, das den Sonnenaufgang – so der Titel der Messe – nachzuvollziehen suchte.
Alle Bedenken wegen zeitgenössischer Musik durfte man getrost über Bord werfen bei dieser 2008 in Oslo uraufgeführten Messe des norwegischen Komponisten, der in komplexen Klängen doch eine so klare und emotionale Musik schafft, die den Zuhörer hineinnimmt in eine Sphäre des Wohlklangs, der Harmonie, in die Stille des Weltraums, in die Freude der aufgehenden Sonne, die Licht und Wärme schenkt. Mit Extraapplaus begrüßten die Zuhörer nach der Pause das in blaues Licht getauchte Orchester, den darüber stehenden Chor, hinter dem ein Rot bereits die Dämmerung ankündigte.
Lichtinseln entlang der Wände und Strahler zur Decke setzten zusätzliche Akzente. Sphärisch setzte nach ersten Streichertakten der Chor ein, an- und abschwellend, Laute formend, ehe das „Kyrie“ausgesprochen wurde. Hohe Soprane führten ins Gloria ein, minimalistisch vom Orchester begleitet. Tröstlich erhob sich das Licht, freudig und tänzerisch erklang das „Laudamus Te“, fortissimo das „Domine Deus, rex coelestis“, ein Rot erfasste nun die ganze Halle. Staccato und Sechzehntelnoten führten hinein in die Welt, die Männerstimmen eröffneten mit einem Choral das Credo, das mitnahm in eine dramatische Aufwärtsbewegung. In sanften Schwingungen atmete das Sanctus, wunderbar unterstrich eine Solovioline den Frieden des Agnus Dei, voller Hoffnung endete das Amen. Eine tiefe Erfahrung des Göttlichen, die der bestens vorbereitete KressCendo-Chor unter der Leitung von Stefan Marinov atmosphärisch interpretiert hat, harmonisch unterstrichen vom Orchester, das die Stimmung ebenso mittrug.
Bei solch einem Höhepunkt konnte der vorangehende erste Teil des Konzerts nur eine behutsame Hinführung sein, wobei Edvard Griegs Orchestersuite op. 40 „Aus Holbergs Zeit“mit ihren fünf Sätzen unmittelbar in die nordische Welt führte. Grieg greift hier auf die Bach-Händel-Zeit zurück und lässt doch die „nordische“Stimmung hören, die Weite atmen. Schwermut und Anmut, ländlichen Tanz und neckisch koboldhaftes Spiel brachten die einzelnen Sätze. Vorromantische und romantische Klänge bis heute schenkten die Lieder, die Nikolas Evers am Flügel begleitete. Kultiviert war schon der Auftakt mit Mendelssohnund Schumannliedern, bezaubernd volksliedhaft Morten Lauridsens Chorlied „Dirait-on“zum Text von Rainer Maria Rilke. Berührend war Lorenz Maierhofers volksliedhaftes Chorlied „Es ist früh spät geworden“, zuletzt kam das Orchester hinzu zu Alan Menkens stimmungsvollem Song „Go the Distance“aus dem Disney-Film „Hercules“. Mit einem Klaviersolo durfte sich zuvor Pianist Nikolas Evers profilieren: Mit lyrischem Wogen und gebotener Leidenschaft gestaltete er Chopins Ballade Nr. 1 g-Moll op. 23. Ein umjubelter, nachhaltig wirkender Abend.