Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
„Es gibt etablierte Bordelle in Friedrichshafen“
Vorträge und Podiumsdiskussion zum Thema Menschenhandel und Zwangsprostitution
FRIEDRICHSHAFEN - Mit zwei Vorträgen und einer Podiumsdiskussion zum Thema „Menschenhandel und Zwangsprostitution“in der Black Box der Zeppelin Universität (ZU) hat die Aktion begonnen, die die junge Fotografin und Journalistin Lena Rainer ins Leben gerufen hat. Anwesend waren viele interessierte Gäste, Vertreterinnen der Friedrichshafener Frauenfragen und die Schülerinnen von der Realschule St. Elisabeth, die sich fotografieren ließen, mit dem Vermerk: „not for sale“.
„Ich hoffe sehr, dass Friedrichshafen zum Vorbild wird, und dass dieses Thema in die Öffentlichkeit kommt“, sagte Rainer. Sowohl beim Vortrag von Gereon Wagener von der Bono-Direkthilfe gegen Menschenhandel, als auch bei den Berichten von Inge Bell, einer Menschenrechtsaktivistin, deren Thema die Prostitution der Frauen aus Osteuropa war, stellte sich die Frage: „Wie konnte es sein, dass junge Frauen und sogar Mädchen verkauft wurden, um missbraucht zu werden?“
In einem Filmbeitrag erzählte eine Frau aus Nepal: „Sie haben mein Leben kaputt gemacht“. Ihre Eltern hatten sie an ein Bordell verkauft. „Menschenhandel ist eine Art moderner Sklaverei und betrifft alle Länder“, so Wagener. Mit dem Vortrag von Inge Bell rückte das Thema in Richtung Europa. „Wissen wir, wie viele Mädchen in Deutschland zwangsprostituiert sind?“, fragte die Journalistin und fügte hinzu, dass die Durchleuchtung der Szene schwierig sei. Nach einem globalen Einblick ging es in der anschließenden Podiumsdiskussion unter der Leitung von Stephanie Nau, der Gleichstellungsbeauftragten der ZU, um Menschenhandel und Prostitution in Friedrichshafen.
„Es gibt durchaus etablierte Bordelle in Friedrichshafen, sagte Veronika Wäscher-Göggerle, die Frauenund Familienbeauftragte der Stadt. Sie rief auf, das Bewusstsein für dieses Thema zu verändern und sagte: „Solange es Prostitution in dieser legalen Form in Deutschland gibt, wird niemals Gleichberechtigung herrschen“. Aus dem Publikum kamen rege Diskussionsansätze, warum und wieso Prostitution Gewalt gegen Frauen ist. Die anwesende Stadträtin Christine Heimpel (Grüne) plädierte dafür, die Stelle der Sozialarbeiterin der Stadt für diesen Bereich schnell zu besetzen.
„Die Zukunft wäre, die Frauen zum Ausstieg aus der Prostitution zu bewegen“, sagte Wäscher-Göggerle. „Streetwork“, die Arbeit der Stadt in diesem Bereich sei nahe am Thema, das Problem sei jedoch die Ortsunbeständigkeit der Frauen aus diesem Milieu.
Ab 16. Oktober werden die Plakate mit den Mädchenporträts auf Großflächen in der Stadt zu sehen sein. Am 18. Oktober, dem europäischen Tag gegen Menschenhandel, wird um 12.30 Uhr symbolisch das Plakat am Stadtbahnhof in Anwesenheit der beteiligten Mädchen enthüllt.