Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Angespannte Ruhe nach dem Sturm bei der CSU
Söder bekommt Vertrauen des Vorstands, Seehofer fühlt sich „noch fit“– aber an der Spitze der Partei brodelt es
MÜNCHEN - Für die CSU-Führung darf es erst einmal weitergehen wie gehabt: Nach dem Absturz bei der bayerischen Landtagswahl will die Parteispitze fürs Erste keine personellen Konsequenzen ziehen oder sich inhaltlich neu orientieren. Stattdessen soll Ruhe nach dem Sturm einkehren: Die Partei will schnellstmöglich Koalitionsverhandlungen aufnehmen, um eine neue Landesregierung zu bilden. Nach der bayerischen Verfassung muss der Ministerpräsident grundsätzlich spätestens vier Wochen nach der Landtagswahl gewählt werden.
Parteichef Horst Seehofer soll am Mittwoch die Sondierungsgespräche mit den infrage kommenden Parteien führen. Das kündigte Ministerpräsident Markus Söder nach einer Sitzung des CSU-Vorstands in der Münchner Parteizentrale an. Neben den Freien Wählern wären rechnerisch auch Bündnisse mit den Grünen, die zweitstärkste Fraktion wurden, und der SPD möglich. Lieblingspartner der CSU-Führung wären die Freien Wähler. Das machten sowohl Seehofer als auch Söder am Montag erneut deutlich.
Am Morgen war zunächst Ministerpräsident Horst Seehofer in die CSU-Zentrale gekommen. Seehofer wirkte gelassen, als er sich vor die Kameras und Reporter stellte. Auf die Frage nach personellen Konsequenzen sagte er: „Ich stehe für jede Debatte zur Verfügung.“Ob er sein Amt zur Verfügung stellt? „Von mir aus nein.“Er fühle sich noch fit für den Parteivorsitz – auch für die Arbeit, die der Partei nach dem historisch schwachen Ergebnis jetzt bevorstehe. Die Partei hatte am Sonntag die absolute Mehrheit im Landtag verloren, war von 47,7 auf 37,2 Prozent eingebrochen.
Seehofer sagte, ihre Sonderrolle habe die CSU dadurch nicht verloren. Sie habe jetzt einen „starken Auftrag zur Regierungsbildung“. Seehofer sagte, es sei „guter demokratischer Stil“, mit allen demokratischen Parteien zu sprechen. Er ergänzte: „Dazu gehört nicht die AfD.“
Wenige Minuten später kam Söder selbst durch die Tür. Er hatte die Rede Seehofers vorher offenbar verfolgt. Söder streichelte ein bisschen die wunde Seele der Partei: Die CSU habe am Wahltag „Direktmandate verloren, die auch persönlich wehtun“. Er werde den Parteivorstand um das Vertrauen für das Ministerpräsidentenamt bitten – das der Vorstand Söder wenig später dann auch aussprach.
Der Einbruch in den Großstädten
Beide, Seehofer und Söder, sprachen über die Wähler, die der CSU verloren gegangen sind. Seehofer vor allem über die, die zu Freien Wählern und AfD gewandert sind. Söder auch über die, die diesmal die Grünen angekreuzt haben. Das war vor allem in den Großstädten der Fall: In München hatten die Grünen fünf der neun Direktmandate geholt. Söder sagte, die CSU müsse in Zukunft „Angebote machen, auch für Neubürger“.
Eines scheint klar zu sein an diesem Morgen: Die beiden Männer an der Spitze halten sich selbst weiter für die richtigen.
Als dann die Vorstandssitzung läuft, zeigt sich, dass das im Parteivorstand nicht alle so sehen. Vor allem Parteichef Seehofer steht demnach unter Beschuss. Nach und nach dringen Details nach draußen. Der ehemalige CSU-Chef und Bundesfinanzminister Theo Waigel soll Horst Seehofer scharf attackiert haben, weil er Verfassungsschutzchef Maaßen verteidigt und so für viel Streit in der Bundesregierung gesorgt hatte – und ihm den Rücktritt nahegelegt haben. Der Augsburger CSU-Abgeordnete Johannes Hintersberger soll Seehofer laut „Münchner Merkur“mit den Worten angefahren haben: „Ich kann die ständige Relativiererei nicht mehr hören!“Und der ehemalige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer hatte schon am Montagmorgen im Deutschlandfunk gesagt: Markus Söder dürfe sich „den Parteivorsitz nicht nehmen lassen“– wenn er denn die Möglichkeit dazu bekäme. Die Ruhe nach dem Sturm, sie ist ziemlich angespannt.