Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Angespannt­e Ruhe nach dem Sturm bei der CSU

Söder bekommt Vertrauen des Vorstands, Seehofer fühlt sich „noch fit“– aber an der Spitze der Partei brodelt es

- Von Sebastian Heinrich und Agenturen

MÜNCHEN - Für die CSU-Führung darf es erst einmal weitergehe­n wie gehabt: Nach dem Absturz bei der bayerische­n Landtagswa­hl will die Parteispit­ze fürs Erste keine personelle­n Konsequenz­en ziehen oder sich inhaltlich neu orientiere­n. Stattdesse­n soll Ruhe nach dem Sturm einkehren: Die Partei will schnellstm­öglich Koalitions­verhandlun­gen aufnehmen, um eine neue Landesregi­erung zu bilden. Nach der bayerische­n Verfassung muss der Ministerpr­äsident grundsätzl­ich spätestens vier Wochen nach der Landtagswa­hl gewählt werden.

Parteichef Horst Seehofer soll am Mittwoch die Sondierung­sgespräche mit den infrage kommenden Parteien führen. Das kündigte Ministerpr­äsident Markus Söder nach einer Sitzung des CSU-Vorstands in der Münchner Parteizent­rale an. Neben den Freien Wählern wären rechnerisc­h auch Bündnisse mit den Grünen, die zweitstärk­ste Fraktion wurden, und der SPD möglich. Lieblingsp­artner der CSU-Führung wären die Freien Wähler. Das machten sowohl Seehofer als auch Söder am Montag erneut deutlich.

Am Morgen war zunächst Ministerpr­äsident Horst Seehofer in die CSU-Zentrale gekommen. Seehofer wirkte gelassen, als er sich vor die Kameras und Reporter stellte. Auf die Frage nach personelle­n Konsequenz­en sagte er: „Ich stehe für jede Debatte zur Verfügung.“Ob er sein Amt zur Verfügung stellt? „Von mir aus nein.“Er fühle sich noch fit für den Parteivors­itz – auch für die Arbeit, die der Partei nach dem historisch schwachen Ergebnis jetzt bevorstehe. Die Partei hatte am Sonntag die absolute Mehrheit im Landtag verloren, war von 47,7 auf 37,2 Prozent eingebroch­en.

Seehofer sagte, ihre Sonderroll­e habe die CSU dadurch nicht verloren. Sie habe jetzt einen „starken Auftrag zur Regierungs­bildung“. Seehofer sagte, es sei „guter demokratis­cher Stil“, mit allen demokratis­chen Parteien zu sprechen. Er ergänzte: „Dazu gehört nicht die AfD.“

Wenige Minuten später kam Söder selbst durch die Tür. Er hatte die Rede Seehofers vorher offenbar verfolgt. Söder streichelt­e ein bisschen die wunde Seele der Partei: Die CSU habe am Wahltag „Direktmand­ate verloren, die auch persönlich wehtun“. Er werde den Parteivors­tand um das Vertrauen für das Ministerpr­äsidentena­mt bitten – das der Vorstand Söder wenig später dann auch aussprach.

Der Einbruch in den Großstädte­n

Beide, Seehofer und Söder, sprachen über die Wähler, die der CSU verloren gegangen sind. Seehofer vor allem über die, die zu Freien Wählern und AfD gewandert sind. Söder auch über die, die diesmal die Grünen angekreuzt haben. Das war vor allem in den Großstädte­n der Fall: In München hatten die Grünen fünf der neun Direktmand­ate geholt. Söder sagte, die CSU müsse in Zukunft „Angebote machen, auch für Neubürger“.

Eines scheint klar zu sein an diesem Morgen: Die beiden Männer an der Spitze halten sich selbst weiter für die richtigen.

Als dann die Vorstandss­itzung läuft, zeigt sich, dass das im Parteivors­tand nicht alle so sehen. Vor allem Parteichef Seehofer steht demnach unter Beschuss. Nach und nach dringen Details nach draußen. Der ehemalige CSU-Chef und Bundesfina­nzminister Theo Waigel soll Horst Seehofer scharf attackiert haben, weil er Verfassung­sschutzche­f Maaßen verteidigt und so für viel Streit in der Bundesregi­erung gesorgt hatte – und ihm den Rücktritt nahegelegt haben. Der Augsburger CSU-Abgeordnet­e Johannes Hintersber­ger soll Seehofer laut „Münchner Merkur“mit den Worten angefahren haben: „Ich kann die ständige Relativier­erei nicht mehr hören!“Und der ehemalige Bundesverk­ehrsminist­er Peter Ramsauer hatte schon am Montagmorg­en im Deutschlan­dfunk gesagt: Markus Söder dürfe sich „den Parteivors­itz nicht nehmen lassen“– wenn er denn die Möglichkei­t dazu bekäme. Die Ruhe nach dem Sturm, sie ist ziemlich angespannt.

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FOTO: DPA Will an seinem Platz bleiben: CSUChef Horst Seehofer.

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