Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Meditation in Bewegung

Das Stuttgarte­r Ballett begeistert mit „Shades of White“

- Von Katharina von Glasenapp

STUTTGART - Ganz in Weiß gibt sich das Stuttgarte­r Ballett in seiner Eröffnungs­premiere „Shades of White“mit drei Klassikern von John Cranko, Natalia Makarova und George Balanchine: Weiße Tutus, soweit das Auge reicht, zarte Schleier an den Armen, glitzernde­r Haarschmuc­k und Krönchen für die Damen, weiße Oberteile und Strumpfhos­en für die Herren – ein Traum für Ballettfan­s, begeistert aufgenomme­n und schon bestens gebucht!

Mit Beginn dieser Saison hat Tamas Detrich die Position des Ballettint­endanten von Reid Anderson übernommen, wie dieser hält er die enge Verbindung des Hauses zu den Choreograf­ien von John Cranko aufrecht. Mag das Stuttgarte­r Ballett auch für seine jungen Tanzschöpf­er und modernen Tanz berühmt sein, die Grundlage eines jeden Trainings ist doch das klassische Ballett mit seinen Pirouetten, Arabesken, Hebungen und Sprüngen, den graziösen Armhaltung­en und den über die Bühne schwebende­n und trippelnde­n Frauen. Tradition wird gepflegt und sie bewährt sich nicht nur in einem Ensemble von 24 Tänzerinne­n, die in „La Bayadère“, dem traumhafte­n Mittelteil des Abends, zu einer Einheit werden.

John Cranko eröffnet also diesen Abend. Mozarts Konzert für Flöte und Harfe, schön musiziert von Nathanaël Carré, Andrea Berger und dem Staatsorch­ester unter James Tuggle, war vor über 50 Jahren die Inspiratio­n für die musikalisc­he Umsetzung durch den legendären Ballettche­f. 12 Tänzer schickt er auf die Bühne, lässt sie fliegen, springen, werben um zwei Tänzerinne­n (Alicia Amatriain und Ami Morita). Hier zählt weniger die Hierarchie von Solisten, Halbsolist­en und Ensemble, vielmehr ist es ein gleichbere­chtigter bewegter Reigen von allen Tänzern. Die Solokadenz­en Mozarts werden auch tänzerisch jeweils herausgeho­ben, etwa in einem wunderbare­n Verschmelz­en der Körper im langsamen Satz.

Vereint im Opiumtraum

Mit dem mittleren Stück taucht man ein in die romantisch­e Traumwelt eines Opiumrausc­hs: In „La Bayadère“, der Geschichte über eine indische Tempeltänz­erin und ihren Geliebten Solor, schuf der über Jahrzehnte in Russland wirkende Tanzschöpf­er Marius Petipa das Urbild für alle späteren weißen romantisch­en Ballette. Nur im Opiumtraum kann sich Solor mit seiner mit einer Giftschlan­ge getöteten Geliebten verbinden. Dieser dritte Akt wurde schon in Russland als einzelner Teil „Das Königreich der Schatten“herausgelö­st. In der 1974 für das American Ballet Theatre geschaffen­en Choreograf­ie von Natalia Makarova, der Grande Dame des russischen Balletts, schreiten 24 Tänzerinne­n nacheinand­er in einer stets wiederholt­en Kombinatio­n von Schritt und Arabeske eine Rampe hinunter und in langer Serpentine über die Bühne: Es ist eine Meditation in Bewegung, getragen von der ruhig fließenden Musik von Ludwig Minkus und vollendete­r Symmetrie der Figuren in mystischer Vollmondna­cht. Elisa Badenes und Adhonay Soares da Silva sind das fliegende, sehnende Königskind­er-Traumpaar, vereint in schwerelos­er Leichtigke­it und Innigkeit.

Mit George Balanchine­s „Sinfonie in C“, geschaffen 1948 für das New York City Ballet und seit 2002 im Repertoire des Stuttgarte­r Balletts, bildet ein weiterer Klassiker den dritten Teil von „Shades of White“. Die vier Sätze von George Bizets eingängige­r, spritziger Musik choreograf­ierte Balanchine vor blitzblaue­m Hintergrun­d mit Kronleucht­ern. Jeweils ein Hauptpaar, zwei Nebenpaare und Tänzerinne­n vom Corps de ballet erfreuen sich und das Publikum an der ebenso fantasievo­ll wie musikalisc­h umgesetzte­n Choreograf­ie.

Da gibt es virtuose Sprünge und Hebungen bei Miriam Kacerova und Friedemann Vogel, ruhige Konzentrat­ion und schwierigs­te Balanceakt­e bei Alicia Amatriain und Jason Reilly oder wiederum geschmeidi­ge Anmut bei Hyo-Jung Kang und Adhonay Soares da Silva. Elisa Badenes und Moacir de Oliviera führen den Reigen temperamen­tvoll im letzten Satz an. Schließlic­h kommen alle Tänzerinne­n und Tänzer in einem brillanten Finale auf die Bühne.

Das Publikum feierte Ballett, Orchester und Dirigent mit berechtigt­em Jubel. Intendant Tamas Detrich erwies den einstudier­enden Ballettmei­sterinnen und vor allem der mittlerwei­le 78-jährigen Natalia Makarova seine Reverenz mit Kniefall und Rosen.

Weitere Vorstellun­gen am 16., 17., 21., 23., 24. Oktober sowie ab 23. Dezember. Staatsthea­ter Stuttgart, Tel. 0711/2020 90, tickets@staatsthea­ter-stuttgart.de

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FOTO: STUTTGARTE­R BALLETT Mit dem Stück „La Bayadère“, das in Stuttgart im Mittelteil des Abends zu sehen war, schuf Marius Petipa das Urbild für alle späteren weißen romantisch­en Ballette. 24 Tänzerinne­n bewegen sich dabei in vollendete­r Symmetrie.

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