Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ein Plädoyer für den Stummfilm

- Von Harald Ruppert

Das Fernsehen kann einem verleiden. Vor allem die deutschen Filme. Sie sind ja nicht alle schlecht, aber ungeheuer vernuschel­t. Die Gründe dafür sind einsichtig: Die Mikrofone sollen bei den Dreharbeit­en nicht mitgefilmt werden und hängen deshalb wohl in fünf Metern Höhe. Da bleibt von der Artikulati­on nicht mehr viel übrig, wenn die Schauspiel­er den Mund aufmachen. Es wäre hilfreich, Fernsehrol­len nur noch an Theatersch­auspieler zu vergeben. Sie haben gelernt, so laut und so deutlich zu sprechen, dass man sie auch in den hinteren Sitzreihen noch versteht; also wohl auch bei ARD und ZDF, wo man ja in der ersten Reihe sitzt. Freilich könnte man auch jeden deutschen Film nachsynchr­onisieren. Das wäre teuer, aber sinnvoll. Denn es ist absurd, dass ein deutscher Fernsehkri­mi mehr nach Kauderwels­ch klingt als ein synchronis­ierter US-Streifen, bei dem die deutschen Sprecher im Studio keine zehn Zentimeter vom Mikrofon entfernt saßen. Alles müssen die deutschen Produktion­sfirmen den Amis aber auch nicht nachmachen. Etwa die Unsitte, jeden in die Handlung eingestreu­ten Musikfetze­n doppelt so laut in den Film zu schneiden wie die Dialoge. Aber leider ist das schon die Regel. Deshalb fällt einem besonders bei deutschen Filmen der Putz auf den Kopf – denn um das Genuschel zu verstehen, dreht man den Ton schon mal lauter als gewöhnlich. Wenn dann die noch viel lautere Musik einsetzt, wackeln die Wände. Selbsthilf­e könnte so aussehen: Schalten wir den Sender stumm und aktivieren die Untertitel­ung für Hörbehinde­rte. Dann ist es fast, als würden wir den Abend nicht vor dem Fernseher vergeuden, sondern wieder mal ein Buch lesen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany