Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Wie man sich vor „Fake News“schützt
Bei der „Ted-X-Bodensee“-Konferenz geht es um Grenzen, deren Überwindung – Und um einen Fisch
FRIEDRICHSHAFEN - Einen besseren Ort als die Fähre zwischen Friedrichshafen und Romanshorn hätte es für die „Ted-X-Bodensee“-Konferenz am Samstagnachmittag kaum geben können. Denn auf dem Bodensee gibt es keine Grenzen. Der perfekte Raum also, um über sie zu sprechen. Getan haben das sieben Referenten, die sich in ihren Vorträgen mit Grenzsituationen auseinandersetzten. Einer von ihnen hatte sogar eine Warnung mit im Gepäck. Und empfahl seinen Zuhörern eine Impfung.
Denn Lügen und Unwahrheiten, die können wie ein Virus wirken. Sie befallen das menschliche Gehirn und verbreiten sich in Windeseile, spürbare Symptome sind Donald Trump, Brexit und Pegida. Wie man sich vor sogenannten Fake News schützen kann, darüber sprach Michael Scheyer, der als Video-Redakteur bei der Schwäbischen Zeitung in Ravensburg arbeitet.
Doch zunächst erklärte er seinen Zuhörern, dass ihre Intelligenz sie nicht davor schützt, auf Unwahrheiten hereinzufallen. Denn das Gehirn versuche, so energiesparend wie möglich zu arbeiten. „Was in unser Weltbild passt, das nehmen wir sehr schnell an, ohne es zu hinterfragen“, sagte Scheyer. Schwieriger werde es mit Informationen, die nicht in unser Weltbild passen. „Wir sagen sehr viel schneller: ,Habe ich es mir doch gedacht’ als ,Da habe ich mich wohl geirrt’“, erklärte der Journalist.
Wer sich schützen will, der sollte ein gesundes Misstrauen gegen den eigenen Verstand hegen. Und sich darüber im Klaren sein, dass die sozialen Medien voller unterschiedlicher Interessensvertreter sind, die uns in unserer Meinung beeinflussen wollen. Zu den wenigen Ausnahmen gehören da die Medien, die durch Abonnenten finanziert sind, so die These Scheyers. Denn zwar werden auch sie von Interessensvertretern bezahlt – nur sind ihre Lobby die Leser selbst.
Mit der Grenze zwischen Mensch und Maschine beschäftigte sich der Designer Gerhard Reichert, als er den Roboter Cimon entwarf. Cimon wurde erst kürzlich zu Alexander Gerst in die ISS geschickt, er soll den Astronauten unterstützten, ihm aber auch eine Art Freund und Kompagnon sein. „Damit haben wir Weltraumgeschichte geschrieben“, sagte Reichert. Denn Cimon ist ein besonders kluger Roboter: „Er lernt permanent dazu und wird irgendwann Emotionen erkennen können“, sagte Reichert. Doch ein zu menschlicher Computer macht Angst, das haben Studien ergeben. Aus diesem Grund sieht Cimons Gesicht nicht aus wie das eines Menschen, es ist absichtlich grafischer gehalten. Ansonsten hat Cimon die Form und Größe eines Fußballs, ganz ohne Ecken und Kanten – und ist deswegen das einzige Gerät, das sich frei in der Raumstation bewegen darf.
Dass Menschen, die weder lesen noch schreiben können, sehr oft an ihre Grenzen geraten, das konnte sich das Publikum der „Ted-X“-Konferenz sicherlich vorstellen. Manch ein Analphabet benutzt sogar einen falschen Gips, um nicht schreiben zu müssen, erzählten Tobias Müller und Nico Bernklau. Die beiden ehemaligen Studenten der dualen Hochschule in Ravensburg hatten sich in ihrer Abschlussarbeit mit Analphabetismus und Design beschäftigt. Herausgekommen ist das Projekt „Illitera“, bei dem Analphabeten ihre eigenen Schrift entwickelten. „Damit wollten wir ihnen die Angst vor der Schrift nehmen“, erklärten die beiden jungen Männer. Und das hat offenbar geklappt: Denn aus „Illitera“ist ein Buch entstanden, das die Workshopteilnehmer motiviert, lesen zu lernen.
An die Grenzen des eigenen Körpers gerät, wer fastet. Und genau diese Grenzerfahrung braucht ein Mensch, der Veränderungen in Gang setzen will. Davon überzeugt ist Leo Wilhelmi, Geschäftsführer einer Fastenklinik. „Ein Fastentag hat unendlich viele Stunden, weil ich ihn nicht strukturiere mit Essen“, sagte er. So könne man mit Fasten immer wieder neue Ebenen erreichen – körperlich und geistig.
TED – Ein Phänomen aus den USA
Mit dem Thema Visionen beschäftigt sich Magdalena Kusserow, Psychologiestudentin an der Universität Konstanz. „Eine Vision kommt aus der Zukunft und energetisiert die Gegenwart“, sagte sie. Wachsen und leben würden Visionen von Taten, so wie ein Garten von seinen Blumen.
Und dann war da noch ein Hecht. Der Schweizer Miles Koeder lebt seine Vision bereits. Seit er ein kleiner Junge war, ist er von den Fischen fasziniert. Vor mehr als zehn Jahren hat er das Kunstprojekt „Koeder“ins Leben gerufen, mit dem er seine gezeichneten Hechte auf der ganzen Welt verbreiten will. Mittlerweile fahren die Fische auf Autos durch verschiedene Länder, manche Menschen haben sie sogar tatowiert.
Ein paar Wochen wird es noch dauern bis die Vorträge, die am Samstag gehalten wurden, auf der offiziellen „TED-Talks“-Webseite erscheinen. Für die Redner ist das eine Ehre, denn vor allem in den USA sind diese Talks, bei denen es um Technologie, Entertainment und Design geht, sehr bekannt. Ted-X-Konferenzen sind deren deutschen Ableger. Veranstalter Klaus Reichert hat bereits neun Talks rund um den Bodensee organisiert – und hört jetzt auf, um sich neuen Projekten zu widmen. Zum weinenden Auge kommt die Freude über den besonderen Ort der letzten Talks. „Das Schiff war ein krönender Abschluss.“