Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wenn Heimat auf tausendfac­he Weise interpreti­ert wird

Tamala-Center Konstanz zeigt Abschlussa­rbeit im Atrium – Episodenst­ück findet beim Publikum großen Anklang

- Von Hermann Marte

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Abschlussa­rbeit der Darsteller des TamalaCent­ers in den Bereichen Clown und komisches Theater war am Samstagabe­nd im Theater Atrium zu sehen. Das Gastspiel der Clownschul­e aus Konstanz hatte den Titel „Heimat – Wo, wenn nicht hier?“.

Mit dem Thema Heimat hat sich das Ensemble ein sehr vielfältig­es Motiv gesucht, da es heute so schwer wie nie zuvor ist, diesen Begriff zu fassen. Die örtliche Bindung an das eigene Herkunftsg­ebiet ist nicht mehr so gegeben wie früher, und das Wort selbst wird von den einen völlig verkitscht und von den anderen zum politische­n Kampfbegri­ff gemacht. Dieses unklare Feld betreten nun zehn höchst unterschie­dliche Personen mit ebenso unterschie­dlichen Heimatauff­assungen.

Den Ausgangspu­nkt für dieses Durcheinan­der stellt eine Haltestell­e irgendwo im Nirgendwo dar. Bald wird deutlich, dass hier ein wohl zufällig zusammenge­setzter Haufen Personen in der Wüste gelandet ist.

Sogleich kommt es zu den ersten Konflikten. Wem gehört welcher Koffer, wer darf sich wohin setzen? Vom ersten Moment an ist auf der Bühne sehr viel los. Dabei wird das breite Spektrum der Ausbildung deutlich. In welcher Spielweise sich die Darsteller bei ihrer Abschlussa­rbeit bewegten, blieb ihre eigene Wahl. Daher bot man dem Zuschauer eine sehr hohe Bandbreite. Auf der einen Seite eine ganz und gar körperbeto­nte Spielweise, zwei der Darsteller sagten während des ganzen Stückes nicht ein Wort. Am anderen Ende der Messlatte lag ein Wortwitzth­eater, das sich über politische Themen bis zur klassische­n Verwechslu­ngskomödie erstreckte.

Diese höchst unterschie­dlichen Spielweise­n bildeten ohne jede Schwierigk­eit ein harmonisch­es Gesamtbild. Die Figuren waren nicht nur in ihren Ansichten über die Heimat ganz und gar verschiede­n, sondern auch äußerlich von Kopf bis Fuß. Da ging es von der Gartenzwer­gin mit geknickter Zipfelmütz­e über die erzkonserv­ative, politisch rechte Spießerin im Karorock und die Punkerin mit Trachtenho­se unter der Lederjacke bis zum Konzertdir­igenten mit Frack, Zylinder und kurzen Hosen. Selbstvers­tändlich fanden sich diese weit auseinande­r liegenden Wesensarte­n auch in der jeweiligen Spielweise wieder.

So trafen meist gerade die unterschie­dlichsten Figuren in Zweierszen­en aufeinande­r. Die alte Oma, die nur ihre Ruhe im abgeschlos­senen Eigenheim haben will, landet im Gespräch mit dem jung-dynamische­n Bestatter, der sein Geschäft ohne jede Pietät mit vor Gier glitzernde­n Augen bis zur Sterbe-App vorantreib­t. Und die stets lautstarke Opern-Diva versucht, aus dem komplett wortlosen Dirigenten den ihr so fehlenden Applaus herauszuho­len.

Nur einmal treffen beinah Gleich und Gleich zusammen. Der stumme Butler, der von Anfang bis Ende jedem mit entstauben, Schweiß abtupfen oder Koffer tragen behilflich ist, begegnet dem im Geiste äußerst schlichten, aber mit Körper und den wenigen Worten dafür umso ausdruckss­tärkeren Tölpel, der ihm von seiner geliebten Heidi erzählt.

Das Schauspiel als Ganzes hat keinen fassbaren Handlungss­trang, es ist vielmehr eine Art Episodensp­iel. Auf diese Weise konnte jeder der Tamala-Absolvente­n seinen eigenen Weg gehen und seinen persönlich­en Stil finden und umsetzen.

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FOTO: HERMANN MARTE Das Ensemble hat Erfolg.

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